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vom 02.11.2012, aktuelle Version,

Erwin von Lahousen

Erwin Lahousen im Zeugenstand beim Nürnberger Prozess

Erwin Heinrich René Lahousen Edler von Vivremont (* 25. Oktober 1897 in Wien; † 24. Februar 1955 in Innsbruck) war während des Zweiten Weltkrieges Leiter der Abteilung für Sabotage und Spezialaufträge des Amtes Ausland/Abwehr der deutschen Wehrmacht.

Aufgrund seiner Kenntnisse als leitender Geheimdienstoffizier um die wahren Hintergründe des Zweiten Weltkrieges und der Verbrechen des NS-Regimes wurde er aufgefordert, sich im Rahmen des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen.

Leben

Lahousens Vater, Wilhelm Carl, war Oberst im österreichisch-ungarischem Infanterieregiment Nr. 88 und avancierte in der Folge zum Feldmarschalleutnant. Die im Wesentlichen aus Pastoren und Ratsherren bestehende Familie stammte aus Osnabrück und ließ sich später in Verden an der Aller nieder. Das Wappen wurde ihr schon 1590 in der Hansestadt Osnabrück verliehen. Eine Linie ergriff den Soldatenberuf, den auch Erwin Lahousen in ununterbrochener Reihenfolge in achter Generation wählen sollte. Sein Urahne, Friedrich Christian, hatte sich nach der Teilnahme an der Wiedereroberung Belgrads 1789 in Linz niedergelassen und dort auch die Heimatberechtigung erworben. Damit war dieser Zweig der ursprünglich deutschen Familie zu Oberösterreichern geworden und sollte die Heimatberechtigung in Linz, die für die Einteilung in eine militärische Formation ausschlaggebend war, solange es diesen Begriff gab, auch behalten. 1880 wurde die Familie in Österreich nobilitiert .

Im Ersten Weltkrieg

Nach vier Klassen Untergymnasium, drei Jahren Militärischer Ober-Realschule in Mährisch-Weißkirchen und kriegsbedingt nur zwei Jahren Theresianischer Militärakademie in Wiener Neustadt wurde Lahousen infolge seiner Heimatberechtigung am 18. August 1915 als Leutnant zum oberösterreichischen Infanterie Regiment Nr. 14 nach Linz ausgemustert. Seine Hoffnungen auf eine Einteilung zur Kavallerie erfüllten sich nicht. Trotz eines diesbezüglichen Majestätsgesuches seines Vaters wurde er auf die Zeit nach dem Kriegsende vertröstet. Ungeachtet zahlreicher und schwerer Verwundungen verbrachte Lahousen die gesamte Zeit des Ersten Weltkrieges unmittelbar an der Front und noch dazu immer an den militärischen Brennpunkten des Geschehens: So wurde er am 25. Mai 1916 bei der Erstürmung des Monte Cimone durch einen Lungensteckschuss lebensgefährlich verwundet. Nur einer riskanten Operation durch den berühmten oberösterreichischen Chirurgen Eiselsberg verdankte er sein Überleben. Dennoch wartete er seine vollständige Genesung nicht ab, sondern ersuchte um neuerliche Einteilung bei einem Kampftruppenteil an der Front. So wurde er im August 1917 an die Südfront abkommandiert. Er nahm an der 11. Isonzoschlacht und in ihrem Rahmen an den extrem verlustreichen Kämpfen am Monte San Gabriele teil.

Am 8. September 1917 erkrankte der am 1. Mai desselben Jahres zum Oberleutnant beförderte Lahousen infolge einer Gasgranatenvergiftung an einer zentralen Lungenentzündung, deren Behandlung mit den damals zur Verfügung stehenden Medikamenten schwierig und langwierig war. Dennoch wurde er erneut auf eigenen Wunsch 1918 wieder direkt im Frontbereich im Abschnitt der 50. Infanterie-Truppendivision eingesetzt. Für seine Verdienste wurde er mit dem Militärverdienstkreuz mit Schwertern und Kriegsdekoration, dem Karl-Truppenkreuz, der Verdienstmedaille und der hessischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Sein mehr als intensives Weltkriegserlebnis führte dazu, dass er später ein entschiedener Kriegsgegner war und daher auch Adolf Hitlers Kriegspolitik von vornherein völlig ablehnte. Nach Kriegsende marschierte er mit seiner Division von der Front nach Wien zurück, wodurch er sich der italienischen Gefangenschaft entziehen konnte. Bei dem Debakel des Waffenstillstandes von Villa Giusti bei Kriegsende im November 1918 war dies keineswegs selbstverständlich, sondern eine ganz besondere militärische Leistung.

Im Heer der Ersten Republik

Oberleutnant Lahousen diente ab 1. Januar 1919 bis 1920 in der Volkswehr, dem ersten provisorischen Heer der Republik Deutsch-Österreich, als Zugs-Kommandant der Depot-Wachen Korneuburg und Kaiserebersdorf. Am 25. Oktober 1920 legte er dann den Dienst-Eid im oktroyierten Berufsheer der Ersten Republik ab und wurde mit Wirkung vom 30. Mai 1921 zunächst wieder nach Linz und 1922 nach Freistadt versetzt. Am 1. Mai 1925 wurde er zum Hauptmann befördert. Damit würdigte das Bundesheer seinen vorbildlichen Einsatz im Ersten Weltkrieg. Ein „Heerespsychotechnischer Kurs“ 1929 und die 1930 erfolgte Zulassung zu der dreijährigen Ausbildung für den höheren militärischen Dienst (Generalstabskurs), die er als Nummer 2 von mehr als 200 Aspiranten abschloss. Am 25. August 1933 zum Major befördert, erfolgte nach einer Erprobungsphase in verschiedenen Verwendungen die Versetzung in das Verteidigungsministerium mit Wirkung vom 1. Januar 1935. Hier leitete er, am 8. Juni zum Oberstleutnant des höheren militärischen Dienstes befördert, bis 1938 den Evidenz- und Informationsdienst, wobei er auftragsgemäß auf der Basis des geheimen Zusatzabkommens zum Staatsvertrag vom 11. Juli 1936, den Hitler dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg aufzwang, gegen die Tschechoslowakei nachrichtendienstlich zusammenzuarbeiten und die Berichte durch den deutschen Militärattaché Generalleutnant Wolfgang Muff weiter zu leiten hatte.

Abwehroffizier im Widerstand

Nach der Übernahme in die deutsche Wehrmacht leitete Oberstleutnant i.G. von Lahousen zunächst ab 1. Januar 1939 die Abteilung II des Amtes Ausland/Abwehr. Zu diesem Zeitpunkt begann Lahousen im Auftrag von Wilhelm Canaris ein Dienst-Tagebuch anzulegen, Admiral Canaris führte selbst ein Tagebuch dessen Sinn und Zweck es sein sollte, der Nachwelt einmal jene in ihrer wahren Gestalt zu zeigen, die damals die Geschicke des deutschen Volkes gelenkt haben. Dieses fragmentarisch erhaltene Dienst-Tagebuch von Lahousen stellt eine vertrauenswürdige Originalquelle österreichischer Herkunft von zeitgeschichtlichem Wert dar. Es befindet sich heute in den National Archives in Washington D.C.. Ohne diese Informationen und die Aussagen Lahousens in Nürnberg wäre heute das Wissen um die wahren Hintergründe des Zweiten Weltkrieges vermutlich wesentlich geringer und vor allem viel schwerer beweisbar. Die täglichen Befehle, die er bekommen und erteilt hatte, waren der Inhalt dieses Tagebuches und der Diensttagebücher der anderen Abteilungsleiter, die zu führen Canaris angeordnet hatte: "Schreiben Sie das nieder, meine Herren. Sie werden einmal Rede und Antwort stehen müssen." Auch die Auslösung des Krieges gegen Polen, die Mordaktionen der SS und der Einsatzgruppen hinter der Front, die qualvolle Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung, die Mordaufträge Hitlers an das Amt Ausland/Abwehr und viele andere, heute gut erforschte und vieldiskutierte Verbrechen des NS-Regimes waren des weiteren Gegenstand der Aussagen Lahousens in Nürnberg.

Da die laufenden, heftigen und lebensgefährlichen Proteste der Angehörigen des Amtes Ausland/Abwehr gegen die erwähnten Verbrechen bei unzähligen Besprechungen völlig ignoriert wurden, entschlossen sich Canaris und Lahousen, die Bestrebungen für ein Attentat auf Hitler, verbunden mit einem Sturz des NS-Systems unter Verwendung der modifizierten "Walküre"-Planungen, aktiv zu unterstützen. Allerdings befürwortete Canaris eine Verhaftung Hitlers, ließ Lahousen mit seinen Attentatsvorbereitungen aber gewähren.

Als Canaris am 7. März 1943 in Begleitung von Lahousen und Hans von Dohnanyis zu einer Besprechung in das Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte nach Smolensk flog, gelang es Lahousen, eine Kiste mit englischem Sprengstoff und lautlosen englischen Zündern für ein Attentat auf Hitler mitzunehmen. Oberst Henning von Tresckow und Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff präparierten den Sprengstoff nach Versuchen so, dass er einem Paket mit zwei Flaschen glich. Am 13. März 1943 übergab Schlabrendorff es dem unwissenden Oberst Brandt, der in Hitlers Flugzeug mitflog. Wie vielfach in der Fachliteratur dargestellt, scheiterte das Attentat jedoch aus technischen Gründen. Auch Lahousens Möglichkeiten, Widerstand zu leisten, neigten sich dem Ende zu. Als Oberst d.G. hatte er nämlich obligatorisch vor der Ernennung zum General eine sechsmonatige Frontbewährung zu absolvieren, weshalb er am 1. August 1943 offiziell die Leitung der Abteilung II an den Oberst Wessel Freytag von Loringhoven abgeben musste.

Anschließend übernahm Lahousen an der Ostfront das Kommando über die Grenadierregimenter 96 und später 4 sowie anschließend über das Jägerregiment 41 (L). Im Verlauf der erbitterten Kämpfe erhielt Lahousens Gefechtsstand am 19. Juli 1944 einen Volltreffer, bei dem er schwerstens verwundet wurde. Deshalb wurde er als frontuntauglich in die Führerreserve versetzt, mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse und dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet, am 1. Januar 1945 mit Rangziffer 1 zum Generalmajor befördert. Seine Widerstandsleistung war also infolge seiner Frontverwendung von der Gestapo und dem „Sicherheitsdienst Reichsführer-SS“ unbemerkt geblieben.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende geriet Generalmajor Lahousen in US-amerikanische Gefangenschaft und vom 23. August bis 8. Dezember 1946 in die Hände des britischen Secret Service, wobei er auch im Lazarett lag.

Ab 30. November 1945 sagte er in Nürnberg im Rahmen des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher als Kronzeuge aus.

„Ich muss aussagen für alle, die sie ermordet haben - ich bin der einzige Überlebende“ - nach seinem damaligen Wissensstand - betonte er dabei gegenüber dem amerikanischen Gefängnispsychologen Gustave M. Gilbert, womit er ausdrücken wollte, er sei der einzig Überlebende der leitenden Offiziere des Amtes Ausland/Abwehr. Mr. Gilbert hatte ihn gesucht, zur Aussage im Prozess in Nürnberg aufgefordert und dorthin gebracht.

Zentraler Gegenstand seiner Erklärungen waren die verbrecherischen Hintergründe des Kriegsgeschehens, welches im Osten als reiner Vernichtungskrieg konzipiert war, sowie die Behandlung von Millionen russischer Kriegsgefangener, deren Tod vielfach bewusst in Kauf genommen wurde. So waren etwa im Februar 1942 von über drei Millionen sowjetischen Gefangenen infolge der schlechten Behandlung in den Lagern nur mehr knapp eine Million am Leben. Lahousen machte auch detaillierte Angaben über die Aufträge zum Mord an das Amt Ausland/Abwehr, die nicht befolgt wurden. Alle Aussagen wurden von ihm unter Eid geleistet und gehören zu den wichtigsten Quellen österreichischer Herkunft über den Zweiten Weltkrieg, die auch die Präventivkriegsthese eindeutig widerlegen. Nach seiner Entlassung aus der US-amerikanischen Kriegsgefangenschaft am 4. Juni 1947 zog sich Erwin Lahousen-Vivremont nach Seefeld in Tirol zurück. 1953 heiratete er die Witwe des ehemaligen österreichischen Staatssekretärs Znidaric und übersiedelte mit ihr und ihren drei Kindern nach Innsbruck, wo er am 24. Februar 1955 seinem dritten Herzinfarkt erlag.

Literatur

  • Karl Glaubauf, Stefanie Lahousen: Generalmajor Erwin Lahousen, Edler von Vivremont. Ein Linzer Abwehroffizier im militärischen Widerstand.LIT Verlag, Berlin, Hamburg, Münster, 2005, ISBN 9783825872595.
  • Der Nürnberger Prozeß. Das Protokoll des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem internationalen Militärgerichtshof, 14. November 1945 - 1. Oktober 1946, Digitale Bibliothek 4, Berlin 1999, ISBN 3-932544-25-0.
  • Karl Heinz Abshagen: Canaris, Patriot und Weltbürger, Mitarbeit Lahousen, Standardwerk, München - Berlin 1955.
  • Wette, Wolfram (Hrsg.): Retter in Uniform, Handlungsspielräume im Vernichtungskrieg der Wehrmacht, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, 2002, ISBN 3-596-15221-6.

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