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vom 16.03.2021, aktuelle Version,

Franz Wassermann

Franz Wassermann (* 1963 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Bildhauer.

Leben

Franz Wassermann ist 1963 als das älteste von drei Geschwistern in Tirol geboren. Nach dem HTL-Abschluss arbeitete er zunächst in verschiedenen sozialen Einrichtungen (unter anderem Jugendbetreuung, Altenbetreuung, Aidshilfe) und als Museumswärter, bevor er 1989 seine Arbeit als Künstler aufnahm. Seither ist er international als Bildhauer tätig; seine Werke wurden unter anderem im Kunsthaus Hamburg, im Museumsquartier Wien, bei der Weltausstellung EXPO Lissabon und bei der SWAB Barcelona gezeigt. Franz Wassermann lebt und arbeitet in Wien.

Franz Wassermann, HELDENPLATZ / ANARCHIE, 2015

Werk

Wassermanns politische Skulpturen untersuchen Machtstrukturen anhand von Tabuthemen wie sexuellem Missbrauch, Nationalsozialismus und Erinnerungskultur, Migration und der Rolle der Medien. Um frei von Zensur arbeiten zu können, realisiert Wassermann viele seiner Projekte im öffentlichen Raum. Seine Skulpturen sind weltweit in renommierten Kunstinstitutionen zu sehen, etwa im Museumsquartier Wien und bei der Internationalen Kunstbiennale Schardscha in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Fotograf Robert Fleischanderl schreibt: „Franz Wassermann beschäftigt sich in seinen Arbeiten immer wieder mit dem Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv. Das Verhalten einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit oder einem Einzelnen ist auch immer ein Spiel der Mächte, und da die Geschichte von den Mächtigen geschrieben wird, werden die unangenehmen Kapitel oft ausgelassen. Er spürt diesen Vorgängen zwischen der Masse, der Mehrheit und dem Individuum, der Minderheit, dem Ich nach. Dies macht er mit Akribie, Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein diesen vielfältigen und allzu oft verleugneten und vergessenen Prozessen gegenüber.“

Werke

  • In BARBIE+KEN=HIV+ (1996) thematisierte Franz Wassermann die Stigmatisierung von HIV-positiven und an Aids erkrankten Menschen. Der Künstler bat Betroffene, ihm Alltagsgegenstände zur Verfügung zu stellen, und versah sie mit Zuwendungsaufforderungen wie zum Beispiel: „liebe mich“, „schlage mich“, „verachte mich“. Zusätzlich wurden die Gegenstände mit einem grünen Punkt markiert, der in Innsbruck – dem damaligen Wohnort des Künstlers – in Krankenhäusern verwendet wurde, um Akten von HIV-positiven Menschen zu kennzeichnen. Auf die Präsentation der Arbeit im Internet reagierte der Spielzeugkonzern Mattel mit der Androhung einer Klage. Dennoch konnte BARBIE+KEN=HIV+ in London, München und Burghausen gezeigt und fortgesetzt werden.
  • Für das Kunstprojekt IKONEN (1998) kaufte Franz Wassermann Originalarbeiten von Künstlern, die als Kultfiguren der modernen und zeitgenössischen Kunst gelten: Angelika Kauffmann, Joseph Beuys, Arnulf Rainer uvm. Diese Kunstwerke versenkte er performativ in wassergefüllten Plexiglasbehältern, wo die Arbeiten nach und nach zerfielen und sich auflösten.
  • In dem vierteiligen Projekt SCHUBHAFT (2001) thematisierte Wassermann die Illegalisierung von Asylwerbern und Flüchtlingen. Er besuchte in Schubhaft gefangengehaltene Menschen und organisierte eine performative Demonstration im öffentlichen Raum Innsbrucks, wo er die Fluchtgründe der Inhaftierten als Slogans einsetzte, zum Beispiel „Ich bin in Schubhaft, weil ich Christ bin“ und „Ich bin in Schubhaft, weil ich gefoltert und vergewaltigt wurde“. Dann besetzte Wassermann den Innenhof der Galerie im Taxispalais, der direkt an das Tiroler Landhaus angrenzt. Während der Besetzung spielte Wassermann Audiodateien ab, in denen Flüchtlinge ihre Geschichte erzählen, sodass die Beamten, die im Landhaus Gesetze beschließen und vollziehen, sie hören mussten. In der letzten Phase des Projekts weihte Wassermann ein Wohnmobil, um ihm den Status eines Kirchenraumes zu verleihen. In diesem mobilen Schutzraum fuhr der Künstler Flüchtlinge von Italien bis nach Deutschland.[1]
  • In dem Video ATEM (2003) gewährt der Künstler Einblick in den Sterbeprozess seines Vaters Franz Wassermann. Das Video zeigt den offen stehenden Mund des Sterbenden, durch den pfeifend und dennoch beharrlich Luft eingesogen und ausgestoßen wird.
  • Im Kunstprojekt TEMPORÄRES DENKMAL (2004) erinnert Franz Wassermann an die 360 Patienten der Psychiatrie im Landeskrankenhaus Hall in Tirol, die durch die nationalsozialistische Euthanasie ermordet wurden. Wassermann setzte diesen Menschen durch fünf künstlerische Interventionen ein lebendiges Denkmal, zum Beispiel indem er die Gemeinden der Ermordeten bat, Straßen nach den Opfern zu benennen.[2]
  • In NARBEN (2008) untersuchte Wassermann den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen. In drei Projektphasen machte der Künstler das Thema im öffentlichen Raum sichtbar; unter anderem plakatierte er einen Aufruf, in dem er von Missbrauch betroffene Menschen bat, ihm Gegenstände, die mit ihrer Geschichte in Verbindung stehen, anzuvertrauen.[3]
  • Für die partizipative Skulptur WE ME (2014) entwarf Wassermann 16 Aluminiumwürfel, die von den Besuchern zu verschiedenen Arten von Podesten zusammengesetzt werden konnten, wie zum Beispiel einem Rednerpult, einem Siegerpodest oder einem Laufsteg. Diese Podeste können sowohl in der Galerie als auch im öffentlichen Raum variiert und verwendet werden. Im Rahmen der Performance MACH DICH SICHTBAR! (MQ Wien, Yellow Cube, 2014) machte der Künstler die Podeste den Besuchern des Museumsquartier Wien zugänglich. Die Besucher waren eingeladen, ihr persönliches Podest zusammenzustellen. Franz Wassermann dokumentierte ihre performativen Eingriffe via Polaroid.
  • In der Performance HELDENPLATZ / ANARCHIE (2015) marschierte Franz Wassermann gemeinsam mit 49 anderen Fahnenträgern über den Wiener Heldenplatz. Die dafür eigens gestalteten Fahnen verweisen durch ihre Form auf den Nationalsozialismus. Doch an jener Stelle, an der früher ein Hakenkreuz prangte, waren in Wassermanns Performance die Namen großer Konzerne eingetragen.[4]
  • In Saskatoon (Kanada) realisierte Wassermann die Performance ME MYSELF AND I (2016) Der Künstler fesselte Performer und Freiwillige aus dem Publikum mit Gaffer-Tape an Fitnessgeräte. Während die Performer gefesselt wurden, wiederholten sie positive Affirmationen wie „I am the winner in my life“. oder „I am perfectly prepared“.
  • Für das Kunstprojekt #DailySocialTransfer (2017) kauft Wassermann ein Jahr lang jeden Tag eine Zeitung, aus der er mit einem Klebeband Bild- und Textfragmente abzieht, um sie auf weißem Papier neu zu collagieren. So entsteht täglich eine politische Collage, die der Künstler auf einem Blog veröffentlicht.[5]
  • Für die Videoarbeit SUUM CUIQUE spricht Franz Wassermann mit Menschen auf der Flucht, die in Österreich illegalisiert und abgeschobenen werden. Um diese Menschen zu schützen werden im Video nur ihre Augen gezeigt. Die beigefügten Untertitel verkehren Fluchtgründe in Abschiebegründe. 2018 wurde SUUM CUIQUE auf der Fassade des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum im Rahmen der Ausstellung Forum Migration gezeigt.[6]

Ausstellungen

  • 1997: IT WAS A T–BONE STEAK, Ausstellung zeitgleich im Parlament, im Konzentrationslager Mauthausen und in der Jesuitenkirche Innsbruck
  • 1998: IKONEN, Start Weltausstellung EXPO 98, Lissabon
  • 2000: BARBIE UND KEN SIND HIV - POSITIV, Kunstprojekt im öffentlichen Raum, München
  • 2001: GELDLUST : MODELBANKING, Kunsthalle Tirol, Hall in Tirol
  • 2002: FRANZ WASSERMANN , Galerie 5020, Salzburg
  • 2003: 6. INT . BIENALE SHARJAH
  • 2004: ALBERTINA, Einzelausstellung Galerie AREA 53, Wien
  • 2005: IKONEN , Aktion im Künstlerhaus Wien, Wien
  • 2005: TRIENNALE DER PHOTOGRAPHIE, Gruppenausstellung, Kunsthaus Hamburg
  • 2006: DOCUMENTA X I I, Einzelausstellung, Kunstverein Rosenheim, Rosenheim
  • 2007: FIVE FROM ÔSTERLANT, Gruppenausstellung, Galuzin Galerie TAFKAG, Oslo
  • 2008: NARBEN, Kunstprojekt im öffentlichen Raum, Innsbruck
  • 2009: TEMPORÄRES DENKMAL, Einzelausstellung, Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
  • 2012: LIVING ROOM – ICH DAS KOLLEKTIV, Einzelausstellung, Galerie Widmer+Theodoridis, Zürich
  • 2013: CRUX, Gruppenausstellung, Diözesanmuseum, Brixen
  • 2014: MACH DICH SICHTBAR., Einzelausstellung, Museumsquartier – Yellow Box, Wien
  • 2015: HELDENPLATZ / ANARCHIE, Performance am Heldenplatz, Wien
  • 2016: ME, MYSELF AND I, Performance im öffentlichen Raum, Saskatoon

Auszeichnungen

  • 1994 Anerkennungspreis – Trend Art
  • 1996 Arbeitsstipendium des Bundes
  • 2001 Österreichisches Staatstipendium
  • 2003 Preis für Integration und Zivilcourage für das Kunstprojekt SCHUBHAFT
  • 2004 Anerkennungspreis für die Videoarbeit I beim Filmfestival Taglia Corto Florenz
  • 2007 Förderpreis für Bildende Kunst Land Tirol
  • 2010 Anni und Heinrich Sussmann Stipendium 1. Preis
  • 2011 Bühnenwand Schwaz Kunst am Bau 1. Preis (nach Preisvergabe nicht umgesetzt)
  • 2013 Tiroler Museumspreis mit dem Stadtarchiv Innsbruck für die Ausstellung 255K. – 20 Jahre Galerie Andechshof

Publikationen

  • Franz Wassermann. Eigenverlag, Innsbruck 1997.
  • mit Heidrun Sandbichler, Lois Weinberger: Austrieb der Schweine zur Eichelmast. Institut für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck, Innsbruck 1999.
  • mit Hubert Salden (Text): Schubhaft. Eigenverlag, Innsbruck 2002, ISBN 3-00-009841-0.
  • Documenta 12. Gott hat sich selbst umgebracht. Franz Wassermann. Einzelausstellung, Kunstverein Rosenheim, Eigenverlag, Innsbruck 2005, ISBN 978-3-939446-01-9.
  • mit Andrea Sommerauer (Hrsg.): Temporäres Denkmal. Prozesse der Erinnerung. Im Gedenken an 360 Opfer der NS-Euthanasie, PatientInnen des heutigen Psychiatrischen Krankenhauses Hall in Tirol, Wäscherei P, Kulturprojekt im PKH Hall, Studienverlag, Innsbruck 2009, ISBN 978-3-7065-4375-0.
  • mit Anita Moser (Hrsg.): Narben. Kunstprojekt zu sexueller Gewalt = Scars. Studienverlag, Innsbruck 2011, ISBN 978-3-7065-4945-5.

Literatur

  • Peter Lewis: Sharjah International Biennial 6. Sharjah. Eigenverlag, 2003, ISBN 9948-04-766-4.
  • Anita Moser: Die Kunst der Grenzüberschreitung. Transcript Verlag, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1663-7.
  • Christoph Bertsch: Kunst in Tirol. 20. Jahrhundert. Institut für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck.

Einzelnachweise

  1. Wassermann, Franz (2002): Schubhaft. Innsbruck: Eigenverlag. ISBN 3-00-009841-0
  2. Sommerauer, Andrea / Wassermann, Franz (2009): Temporäres Denkmal: Prozesse der Erinnerung. Innsbruck: StudienVerlag. ISBN 978-3-7065-4375-0
  3. Moser, Anita / Wassermann, Franz (2011): NARBEN: Kunstprojekt zu sexueller Gewalt. Innsbruck: StudienVerlag. ISBN 978-3-7065-4945-5
  4. Kunstaktion: Nazi-Fahnen am Heldenplatz, publiziert auf wien.orf.at (31.10.2015)
  5. Blog des Künstlers Franz Wassermann: www.dailysocialtransfer.com
  6. Barbara Unterthurner: Wassermann: „Nächstenliebe ist inzwischen strafbar“. Interview. In: tt.com. 23. Januar 2018, abgerufen am 19. August 2020.