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vom 10.08.2022, aktuelle Version,

Horst Sindermann

Horst Sindermann, 1976
Das Grab von Horst Sindermann und seiner Ehefrau Ingeborg (Inge) geborene Locke auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin

Horst Sindermann (* 5. September 1915 in Dresden; † 20. April 1990 in Berlin ) war ein deutscher Politiker der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und von 1973 bis 1976 Vorsitzender des Ministerrates der DDR sowie von 1976 bis 1989 Präsident der Volkskammer.

Als Leiter der Abteilung Agitation beim Zentralkomitee der SED erfand Sindermann 1961 die Bezeichnung „antifaschistischer Schutzwall“ für die Berliner Mauer.[1]

Leben

Sindermann bei der Gedenkfeier für Georgi Dimitroff am 4. Juli 1949 in Leipzig
Sindermann (vorn, 3. v. r.) bei der Feier zum 25. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls in Ost-Berlin, 1986

Sindermann wurde am 5. September 1915 als Sohn des sächsischen SPD-Funktionärs Karl Sindermann geboren. Sein Bruder Kurt Sindermann war von 1929 bis 1933 sächsischer Landtagsabgeordneter. Nach dem Besuch der Volksschule und des Realgymnasiums wurde Sindermann 1929 Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD). 1933 wurde er inhaftiert und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, weil er sich dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus angeschlossen hatte. 1935 wurde Sindermann wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu sechs Jahren Haft im Zuchthaus Waldheim verurteilt und war danach in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Mauthausen bis 1945 in Haft.

1945, nach seiner Befreiung aus dem Außenlager Ebensee durch die US-Armee, wurde er Mitglied der KPD und 1946 durch die Zwangsvereinigung von SPD und KPD Mitglied der SED. Sindermann arbeitete als Chefredakteur der Sächsischen Volkszeitung Dresden sowie der Volksstimme in Chemnitz. Zwischenzeitlich bekam er Probleme mit Otto Grotewohl, den er wegen seiner Ehe mit einer früheren NS-Funktionärin kritisierte. 1950 ermittelte die Zentrale Parteikontrollkommission gegen ihn, weil er angeblich in Verhören kommunistische Genossen an die Gestapo verraten hatte, doch wurde in dem Verfahren seine Unschuld festgestellt.[2] Trotzdem wurde er von 1950 bis 1953 als Chefredakteur der Zeitung Freiheit nach Halle abgestellt.

Zwischen 1954 und 1963 war Sindermann Leiter der Abteilung Agitation beim ZK der SED. Von 1963 bis 1971 war er Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung im Bezirk Halle. 1967 wurde er ins Politbüro der SED aufgenommen. Von 1971 bis 1973 bekleidete er die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates.

Von 1963 bis 1989 war er Abgeordneter der Volkskammer. Diese wählte Sindermann am 3. Oktober 1973 zum Vorsitzenden des DDR-Ministerrats, sein Vorgänger Willi Stoph wurde zum Vorsitzenden des Staatsrates gewählt. Wegen zu liberaler Wirtschaftspolitik ersetzte Honecker ihn 1976 durch Stoph. Dies geschah bei der konstituierenden Sitzung der Volkskammer am 29. Oktober 1976, bei der Honecker selbst zum Staatsratsvorsitzenden, Stoph wieder zum Vorsitzenden des Ministerrates und Sindermann zum Präsidenten der Volkskammer gewählt wurden. Von 1976 bis 1989 war Sindermann als Präsident der Volkskammer zwar protokollarisch der dritte Mann im Staat, ansonsten aber mit wenig einflussreichen Aufgaben betraut.

Er wurde am 3. Dezember 1989 aus der SED/PDS ausgeschlossen und saß zeitweilig in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft sowie ein Ausschuss der Volkskammer ermittelten gegen ihn wegen des Verdachts, seine Privilegien missbraucht zu haben. Zu einer Anklageerhebung kam es jedoch vor seinem Tod nicht.[3]

Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft gab er dem Magazin Der Spiegel ein Interview, in dem er bekannte: „Wir sind vom Volk davongejagt worden, nicht von einer ‚Konterrevolution‘. Wir würden uns doch lächerlich machen, wenn wir Bärbel Bohley, Pfarrer Eppelmann und andere zu ‚Konterrevolutionären‘ erklären wollten. Der gewaltfreie Aufstand paßte nicht in unsere Theorie.“ Das Interview erschien zwei Wochen nach seinem Tod, nach Angaben der Redaktion hatte er den Text noch autorisiert.[4] Seine Autobiografie blieb unvollendet, sie endet mit der Nachkriegszeit 1945/46.[5]

Horst Sindermanns Urne wurde auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde in der Gräberanlage für die Opfer und Verfolgten des Naziregimes beigesetzt.[6]

Sein Stiefsohn war der Schauspieler Peter Sindermann. Sein Enkel ist der Handballspieler und Modedesigner Eric Sindermann.

Schriften (Auswahl)

  • Chinas großer Sprung (= Internationale Reihe). Dietz-Verlag, Berlin 1959
  • Erfolgreich voran auf dem Kurs des VIII. Parteitages: ausgewählte Reden und Aufsätze. Dietz-Verlag, Berlin 1975
  • Frieden und Sozialismus, Staatsdoktrin der DDR. Ausgewählte Reden und Aufsätze. Dietz-Verlag, Berlin 1980
  • Alles für das Volk, alles mit dem Volk. Ausgewählte Reden und Aufsätze. Dietz-Verlag, Berlin 1985
  • Vor Tageslicht. Autobiografie. Mit einem Vorwort von Egon Krenz. Das Neue Berlin, 2015, ISBN 978-3-360-01871-7.

Literatur

Commons: Horst Sindermann  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Michael Kubina: Die SED und ihre Mauer. In: Klaus-Dietmar Henke: Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2011, ISBN 978-3-423-24877-8, S. 87.
  2. Karl Wilhelm Fricke: Martyrium und Machtmissbrauch. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. März 2016, S. 6.
  3. Gestorben - Horst Sindermann, Der Spiegel vom 23. April 1990.
  4. Werner Harenberg: Wir sind keine Helden gewesen. In: Der Spiegel vom 7. Mai 1990.
  5. Horst Sindermann: Vor Tageslicht. Autobiografie. Berlin 2015.
  6. http://www.berlin.friedparks.de/such/gedenkstaette.php?gdst_id=1588