Kästner und der kleine Dienstag
Kästner und der kleine Dienstag ist ein deutsch-österreichischer Spielfilm aus dem Jahr 2016 über Erich Kästner und Hans Albrecht Löhr. Das Drehbuch schrieb Dorothee Schön, Regie führte Wolfgang Murnberger.
Der Fernsehfilm ist ein an historischen Fakten orientiertes biografisches Drama über das Leben Kästners zwischen 1929 und 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung seiner Freundschaft zu Löhr, einem jungen Bewunderer seiner Werke. Dabei wird die durch die politischen Umstände von der Ambivalenz zwischen Anpassungsdruck und persönlicher Widerspruchshaltung geprägte Lebenssituation des gesellschafts- und zeitkritischen Schriftstellers vor dem Hintergrund der ausgehenden Weimarer Republik und der Diktatur des Nationalsozialismus in Deutschland dargestellt.
Handlung
Der junge Autor Erich Kästner reüssiert in den Berliner „Roaring Twenties“ mit politischen Gedichten und wird ein Star des Feuilletons. Aus einer Laune heraus schreibt er im Jahr 1929 das Kinderbuch Emil und die Detektive, mit dem er die Herzen einer jüngeren Leserschaft einnimmt. Unter seinen Anhängern ist auch der achtjährige Hans Albrecht Löhr, der Kästner einen Fanbrief schreibt und ihn zu Hause aufsucht. Kästner ist angetan von der Begeisterung des vaterlosen Jungen; und für Hans geht ein Traum in Erfüllung, als 1931 Emil und die Detektive verfilmt werden soll und er für die Rolle des „kleinen Dienstag“ besetzt wird.
Über die Jahre entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen Kästner und Löhr, bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten. Kästners Bücher werden verboten und öffentlich verbrannt; das Idol wird zur Gefahr für den Jungen, der allen Widrigkeiten zum Trotz an der Freundschaft festhält – bis Kästner den Kontakt aus Sorge um ihn abbricht. Während viele Intellektuelle ins Ausland emigrieren, bleibt Kästner in Berlin und hält sich mit den Erlösen seiner im Ausland verkauften Bücher und mit unter Pseudonym verfassten Schreibaufträgen für Drehbücher über Wasser.
Nach einer Falschmeldung über den Tod Kästners sucht der Jugendliche Hans den Autor wieder auf und steht nach wie vor zu der Freundschaft, genauso wie auch zu seinem Freund Wolfi, dem Sohn eines jüdischen Vaters, was Hans wiederholt in Bedrängnis bringt.
Als sich nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs die Hoffnungen auf ein schnelles Kriegsende nicht erfüllen, wird mit der Einberufung zur Wehrmacht aus Hans schließlich ein „Primaner in Uniform“[2] – für den überzeugten Pazifisten Kästner kaum zu ertragen. Nach dem in Gestapo-Haft begangenen Suizid seines unter dem Pseudonym e.o.plauen bekannt gewordenen Freundes, des Zeichners und Karikaturisten Erich Ohser, und der durch Bombenangriffe der Alliierten erfolgten Zerstörung seiner Wohnung verlässt er schließlich Berlin. Bei Kriegsende erhält er bei fingierten Dreharbeiten in Tirol die Nachricht von Hans Albrecht Löhrs Tod, „gefallen an der Ostfront“.
Produktion
Kästner und der kleine Dienstag wurde im Sommer 2015 in Wien gedreht. Die Produktion wurde vom RTR Fernsehfonds und vom Filmfonds Wien gefördert. Der Film erlebte seine Uraufführung beim Filmfest München 2016.[3] Die internationale Premiere erfolgte als Eröffnungsfilm des Portland German Filmfestivals 2016.[4] Der Fernsehfilm wurde am 21. Dezember 2017 erstmals im Ersten und bei ORF2 gezeigt.
Auszeichnungen
Kästner und der kleine Dienstag wurde 2018 mit dem österreichischen Fernsehpreis Romy in der Kategorie „Bestes Buch TV-Film“ ausgezeichnet und in der Kategorie „Beste Produktion TV-Film“ nominiert.[5][6]
Beim 50. Fernsehpreis der Österreichischen Erwachsenenbildung gewannen Dorothee Schön (Drehbuch), Wolfgang Murnberger (Regie) und Sabine Weber (ORF-Redaktion) die Auszeichnung in der Kategorie „Fernsehfilm“.[7][8]
Der Film war auch auf dem Festival de Télévision de Monte-Carlo 2018 für die Goldene Nymphe in der Kategorie „Long Fiction Program“ nominiert.[9]
Dorothee Schön erhielt 2018 den Drehbuchpreis der Deutschen Akademie für Fernsehen.[10]
Im Rahmen des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden 2018 wurde der Film mit dem 3sat-Zuschauerpreis ausgezeichnet.[11]
Kästner-Zitate im Film
Im Film werden mehrere Gedichte Kästners ganz oder teilweise zitiert. In chronologischer Reihenfolge:
- Die andere Möglichkeit (1930)
- Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? (1928)
- Ganz rechts zu singen (1933)
- Moral (1950)
- Denn ihr seid dumm (1932)
- Primaner in Uniform (1930)
Eine besondere Bedeutung kommt einem Zitat aus Kästners drittem Kinderroman Das fliegende Klassenzimmer zu, das mehrfach angesprochen wird: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“
Literatur
- „Wer war der kleine Dienstag?“ auf dorotheeschoen.de
- Dorothee Schön, Michael Töteberg: Wer war der kleine Dienstag?; erschienen in Filmdienst Ausgabe 25/2017, S. 28 ff. (online auf www.dorotheeschoen.de als PDF-Datei)
Rezensionen
- Volker Weidermann: „Großer Schriftsteller, kleines Gewissen.“ Der Spiegel, 19. Dezember 2017.
- Markus Ehrenberg: „Der Übriggebliebene.“ Der Tagesspiegel, 20. Dezember 2017.
- Christoph Schröder: „Die andere Möglichkeit.“ Die Zeit, 21. Dezember 2017.
- Oliver Jungen: „Außer man tut es.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Dezember 2017.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Freigabebescheinigung für Kästner und der kleine Dienstag. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF).
- ↑ in Anspielung auf das noch zum Kontext des Ersten Weltkriegs verfasste Antikriegsgedicht Erich Kästners aus dem Jahr 1929 („Primaner in Uniform“; online verfügbares Beispiel)
- ↑ Kästner und der kleine Dienstag (Memento des Originals vom 16. September 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Website des Münchener Filmfestes, abgerufen am 14. September 2016
- ↑ Erich Kästner and little tuesday Website des Portland German Filmfestivals, abgerufen am 14. September 2016
- ↑ christoph.silber: ROMY-Akademie: Es geht um die Besten der Besten. (kurier.at [abgerufen am 3. März 2018]).
- ↑ Kurier: Die Gewinner der Akademie-Romy 2018. Artikel vom 5. April 2018, abgerufen am 6. April 2018.
- ↑ 50. Fernsehpreis der Erwachsenenbildung. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 18. April 2018. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ orf.at: ORF-Siegeszug bei Fernsehpreis der Erwachsenenbildung. Artikel vom 21. Juni 2018, abgerufen am 21. Juni 2018.
- ↑ Nommés 2018. Abgerufen am 27. April 2018.
- ↑ „Bad Banks“ großer Abräumer beim Akademie-Fernsehpreis. In: DWDL.de. 30. November 2018, abgerufen am 1. Dezember 2018.
- ↑ Auszeichnungen beim FernsehfilmFestival in Baden-Baden für ORF-Koproduktionen. OTS-Meldung vom 30. November 2018, abgerufen am 1. November 2018.