Karl Welunschek
Karl Welunschek (* 26. Mai 1955 in Wien) ist Theaterregisseur, Bühnenbildner, Theaterintendant und Kurator. Er lebt in Graz, Wien und Berlin.
Leben
Welunschek ist als Arbeiterkind von Josefa (geborene Stelzl) und Karl Welunschek senior im bürgerlichen VIII. Wiener Gemeindebezirk zeitweilig in kirchlichen und staatlichen Heimen aufgewachsen.[1] Die Lehre zum Kunst-, Buch- und Musikalienhändler schloss Welunschek mit Auszeichnung ab. Nach einer autodidaktischen Auseinandersetzung mit Samuel Becketts „Murphy“ begann er mit siebzehn Jahren eine Ausbildung an der Schauspielschule Krauss.
Nebenbei verfolgte Karl Welunschek seine cineastische und literarische Leidenschaft, ging einem Studium der Alten Musik nach und konzentrierte sich nach einem längeren Aufenthalt im Nahen Osten fortan auf das Sammeln von Eindrücken und das Inszenieren als Theaterfotograf, Bühnenbildner und Regisseur.
Die Entdeckung des theatralen Genius
Bereits seine zweite Inszenierung „Unten durch“ von Heinz Rudolf Unger am Schauspielhaus Wien wurde für das Fernsehen aufgezeichnet, ebenso die kommenden zwei Inszenierungen. Für die fünfte Produktion „Das letzte Band“ von Samuel Beckett im Museum für Moderne Kunst mit Robert Hunger-Bühler erhielt Welunschek seine erste Kainz-Medaille. Als „junges Theatergenie“ standen ihm Anfang der frühen 1980er die Türen zum Kreis von Helmut Qualtinger, Oskar Werner, Joe Berger, Wolfgang Bauer, Oswald Wiener, H. C. Artmann, Bernt Burchhardt oder auch Franz Ringel offen.
Das Wiener Ensemble
1987 gründete Welunschek gemeinsam mit Beatrice Frey, Andrea Braunsteiner und Michael Zerz in Anlehnung an Bertolt Brecht das Wiener Ensemble ohne festes Haus. Die Herausbildung und Bedeutung der Freien Theaterszene im Wien der 1980er und frühen 1990er bezieht sich auf produktive Unruhe, die in die Strukturen der festgefahrenen etablierten und staatlich bzw. kommunal gelenkten Theaterbetriebe fahren sollte, um gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Moderne auch in die nationale Theaterlandschaft zu bringen. Die Freie Theaterszene übernahm dabei gegenüber den kulturpolitisch Verantwortlichen volles Risiko und musste professionelle Theaterabende gewährleisten, um nachträglich in die Gunst einer Förderung zu gelangen.
Unter den Mitwirkenden des Wiener Ensembles finden sich nun viele internationale Karrieren, unter ihnen Robert Hunger-Bühler, Karl Markovics, Fritz Karl, Julia Stemberger, Toni Böhm oder Wolf Bachofner. Mit der kulturpolitischen Umwälzung der Nach-Kreisky-Ära ging auch der Verlust zahlreicher freier Theaterensembles einher. Das Wiener Ensemble beendete seine Tätigkeit 1993.
Österreich entlässt seine KünstlerInnen
Besondere Beachtung finden Welunscheks legendäre Nestroy-Inszenierungen etwa „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ im Theater Der Kreis 1992, „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ mit dem Wiener Ensemble im Rabenhoftheater (Theater in der Josefstadt) oder etwa „Der Talisman“ im Theater Der Kreis von 1988. Welunscheks Hauptcharakteristika bei der Realisierung von Nestroystücken ist sein Bekenntnis zur klaren Derbheit und zur Bitterkeit der Komödie.
Doch mit den zahlreichen Erfolgen setzte in Österreich auch Welunscheks Skandalisierung ein als enfant terrible und Nestbeschmutzer. Die Kulturmoderatorin Andrea Schurian fand einmal die einleitenden Worte zu seiner Person: „Das ist der, der immer mit dunkler Sonnenbrille durch die Stadt läuft und großartige Inszenierungen macht – wo immer man ihn lässt.“ In den 1990er Jahren arbeitet Karl Welunschek vor allem als freier Regisseur im Ausland, wo er unter anderem am Nationaltheater Mannheim, Schauspielhaus Frankfurt, in Hamburg und Düsseldorf inszenierte. Seine Wege führten ihn auch an die Staatsoper Ankara oder nach Israel, wo er als Kurator für die Wiener Festwochen tätig war.
Welunschek kehrte erst 1999 auf Einladung nach Österreich zurück für eine Inszenierung der Gottfried von Einem Oper „Der Zerrissene“ und bescherte Anfang 2000 dem Theater m.b.H. und der Wiener Theaterszene eine sprichwörtliche „Volksvernichtung“ (von Werner Schwab), die an der Peripherie Wiens sechs Wochen ausverkauft lief.
Rabenhof.THEATER – Die Ära Welunschek
Der Zustand der Wiener Theaterverhältnisse erlebte Ende der 1990er einige Rückschläge, mit dem Rücktritt Peymanns fiel eine wichtige kritische Instanz weg.
Unter dem Motto „Wien ist unglaublich geil“ eröffnete Karl Welunschek am 31. Dezember 2000 als künstlerischer Leiter das Rabenhof.THEATER in Wien Erdberg, das zuvor als Dependance des bürgerlichen Theaters in der Josefstadt wenig Beachtung fand. Ziel sei nicht nur die „Entsittlichung des Volkes“ (Der Standard vom 19. Mai 2001), sondern dem von Welunschek geprägten Trash-Theater Kultstatus zu geben.
Mit „eruptiver Volkskunst“ eines Werner Schwabs oder Wolfgang Bauers, vielen diskursiven Veranstaltungen mit zum Beispiel den Skandalautoren Catherine Millet und Michel Houellebecq wurde ein auf Aktualität bedachter flexibler Spielplan im Sinne des erweiterten Theaterbegriffs gestaltet. Doch wie die Mottogebung der 2. Saison 2002 mit „Nix zu verlieren“ die Kurzweiligkeit dieser Theaterrebellion anmuten ließ, wurde die dritte Saison des Rabenhof.THEATERS unter dem Motto „Achtung: Rutschgefahr!“ zur Jahreshälfte 2003 im Keim der finanziellen und kaufmännischen Mängel erstickt und – ohne eine Verantwortungstrennung von kaufmännischer und künstlerischer Leitungspersonen vorzunehmen – mit ihr auch die künstlerische Linie unter Karl Welunschek beendet.
Living Museum
Da ohnedies die ganze Welt eine Inszenierung sei, verlegte Karl Welunschek seine Konzentration von Konzeption und Wiederbelebung musealer Betriebe tatsächlich auf das Museumswesen und arbeitete bis Juli 2007 als Kurator im stadtmuseumgraz mit dem Verantwortungsschwerpunkt auf der Abteilung Living Museum. Verstanden wird darunter die sinnlich wahrnehmbare und didaktisch vermittelnde Gesamtkonzeption eines Museumsbetriebs und seiner einzelnen Ausstellungen. Ein großer Erfolg wurde die Ausstellung „MEMORY XS - Eine Ausstellungsinstallation über Wolfgang Bauer“.
Migrant Theatre - Kolektif: Die Neger
2005 gründet Karl Welunschek als künstlerischer Leiter des ersten austro-afrikanischen Schauspielensembles Collective Les Nègres in Graz. Das Pilotprojekt "Les Nègres. Clownerie" von Jean Genet feierte Premiere am 23. März 2006 als dreisprachige Inszenierung in der Studiobühne der Grazer Oper mit Wiederaufnahme im Schauspielhaus Wien.
Wolfgang Bauer Foundation
Karl Welunschek übernimmt die Funktion des Präsidenten der Wolfgang Bauer Foundation. Der Verein zur Förderung der internationalen Verbreitung des künstlerischen Werkes und des Andenkens an Wolfgang Bauer wurde 2007 gegründet.
Greek Theatre
Aktuell beschäftigt sich Karl Welunschek mit dem modernen griechischen Theater.
Auszeichnungen
- Nominierung für den Nestroy-Preis 2002 für das künstlerische Konzept des Rabenhof Stadttheaters als aktuelles kritisches Theater im deutschsprachigen Raum
- Förderungspreis zur Kainz-Medaille Ausstattung für „Mercedes“ (Thomas Brasch) im Schauspielhaus Wien, 1984
- Förderungspreis zur Kainz-Medaille Regie für „Das letzte Band“ (Samuel Beckett) im Museum für moderne Kunst Wien, 1982
Wichtige Inszenierungen
1980 | Unten durch | von Heinz Rudolf Unger | Schauspielhaus Wien, TV-Aufzeichnung |
1981 | Der tollste Tag | von Peter Turrini | Theater der Courage, TV-Aufzeichnung |
1982 | Abgebrannt | von Georges Courteline | Theater die Kulisse, TV-Aufzeichnung |
1982 | Das letzte Band | von Samuel Beckett | Museum für Moderne Kunst Wien, Förderungspreis zur Kainz-Medaille (Regie) |
1982 | Die Brautwerber | von Loches von Georges Feydeau | Nationaltheater Mannheim |
1985 | Jam | von Herbert Achternbusch, Heiner Müller und Ernst Jandl |
Volkstheater Studio Wien |
1986 | Weiningers Nacht | von Joshua Sobol | Künstlerhaus (Wiener Festwochen), österreichische Erstaufführung |
1987 | Ihr werds Euch noch an Wien erinnern | von Helmut Qualtinger | Serapionstheater am Wallensteinplatz (Wiener Ensemble) |
1988 | The Normal Heart | von Larry Kramer | Technisches Museum Wien (Wiener Ensemble) |
1988 | Der Talisman | von Johann Nepomuk Nestroy | Theater Der Kreis (Wiener Ensemble) |
1988 | Porcile | von Pier Paolo Pasolini | Produktion des Wiener Ensemble. Gasometer (Wiener Ensemble) |
1989 | Heimatlos | von Reinhard P. Gruber und Anton Prestele |
Theatergruppe 80, Zelt vor der Votivkirche (TV-Aufzeichnung) (Wiener Ensemble) |
1989 | Liebesgeschichten und Heurathssachen | von Johann Nepomuk Nestroy | Theater Der Kreis (Wiener Ensemble) |
1990 | Wiener Totentanz | von Lotte Ingrisch | Rabenhoftheater (Produktion des Theater in der Josefstadt) |
1992 | Der Färber und sein Zwillingsbruder | von Johann Nepomuk Nestroy | abenhoftheater (Wiener Ensemble) |
1992 | Change | von Wolfgang Bauer | Rabenhoftheater (Wiener Ensemble) |
1993 | Aus dem Leben Hödelmosers | von Reinhard P. Gruber | Rabenhoftheater (Wiener Ensemble) |
1993 | Endspiel | Samuel Beckett | Rabenhoftheater (Wiener Ensemble) |
1993 | Das letzte Band | von Samuel Beckett | Theater an der Wien (Wiener Festwochen) (Wiener Ensemble) |
1993 | Glückliche Tage | von Samuel Beckett | Rabenhoftheater (Wiener Ensemble) |
1994 | Der böse Geist Lumpazivagabundus | von Johann Nepomuk Nestroy | Stadttheater Klagenfurt |
1995 | Sauschlachten | von Peter Turrini | Ensembletheater am Petersplatz |
1995 | Wiener Lieder | diverse Autoren | Kulisse (Wiener Festwochen) |
1997 | Die lustigen Weiber von Windsor | von William Shakespeare | Schauspielhaus Frankfurt |
1997 | Tod eines Handlungsreisenden | von Arthur Miller | Schauspielhaus Frankfurt |
1997 | Mizzis und Strizzis | nach Guys and Dolls von Bertolt Brecht und Kurt Weill |
Metropol Wien |
1997 | Der Herr Karl | von Carl Merz und Helmut Qualtinger | Schauspielhaus Hamburg |
1997–98 | Effi Briest | von Theodor Fontane | Tourneeunternehmen Kuhnen |
1998 | Der Maulheld | von Plautus | Antikenfestspiele Trier, Eröffnungsvorstellung zur Gründung der Antikenfestspiele Trier |
1998 | Alte Zeiten | von Harold Pinter | Schauspielhaus Frankfurt |
1998 | Der Zigeunerbaron | von Johann Strauss | Staatsoper Ankara |
1999 | Der Zerrissene | von Gottfried von Einem | Jugendstiltheater (Koproduktion der Wiener Staatsoper und Wiener Volksoper), Musikalische Leitung: Huw Rhys James |
2000 | Volksvernichtung | von Werner Schwab | Kabelwerk Wien/Theater mbH |
2001 | Zu ebener Erde und im ersten Stock | von Johann Nepomuk Nestroy | Halle 1030/Rabenhof.THEATER |
2003 | Nach der Premiere | Auftragswerk von Gustav Ernst | Rabenhof Stadttheater, mit Erich Joham und seinen Freunden, Uraufführung |
2006 | Les Nègres. Clownerie | von Jean Genet | Studiobühne der Grazer Oper |
Filmographie
- „…die im Dunkeln“ Wiens Kellertheater zwischen Spielsucht, Provokation und Konkurs. Dokumentation. Regie: Christian Reichhold, Österreich 2003.
- Volksvernichtung oder meine Leber ist Sinnlos. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 2000.
- Österreichs größte Entertainer. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Helmut Schödel, Thomas Gratzer, Österreich 2002.
- Heimatlos. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1989.
- Unten durch. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1980.
- Der tollste Tag. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1981.
- Abgebrannt. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1982.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Welunschek: "Werde immer ein Heimkind sein". Kurier 16. Juni 2013
Personendaten | |
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NAME | Welunschek, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Theaterregisseur, Bühnenbildner, Theaterintendant und Kurator |
GEBURTSDATUM | 26. Mai 1955 |
GEBURTSORT | Wien |