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vom 12.06.2021, aktuelle Version,

Der böse Geist Lumpacivagabundus

Daten
Titel: Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt
Originaltitel: Der böse Geist Lumpacivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt
Gattung: Zauberposse mit Gesang in drei Aufzügen[1]
Originalsprache: Deutsch
Autor: Johann Nestroy
Literarische Vorlage: Das große Loos von Carl Weisflog
Musik: Adolf Müller senior
Erscheinungsjahr: 1833
Uraufführung: 11. April 1833
Ort der Uraufführung: Theater an der Wien
Ort und Zeit der Handlung: „Die Handlung spielt theils in Ulm, theils in Prag und theils in Wien.“
Personen

→ Das Personenverzeichnis folgt dem Manuskript aus erster Hand, wo es zur Druckausgabe Änderungen gibt, sind diese in [Kursivschrift] dazu angegeben

  • Stellaris,[2] Feenkönig
  • Fortuna,[3] Beherrscherin des Glücks, eine mächtige Fee
  • Brillantina [Brillantine],[4] ihre Tochter
  • Amorosa,[5] eine mächtige Fee, Beschützerinn der wahren Liebe
  • Mystifax, ein alter Zauberer
  • Hilaris,[6] sein Sohn
  • Fludribus,[7] Sohn eines Magiers
  • Lumpacivagabundus [Lumpazivagabundus],[8] ein böser Geist
  • Leim, ein Tischlergesell, vazierender Handwerkspursche [Handwerks-Bursche]
  • Zwirn, ein Schneidergesell, vazierender Handwerkspursche [Handwerks-Bursche]
  • Kneipp[9] [Knieriem],[10] ein Schustergesell, vazierender Handwerkspursche [Handwerks-Bursche]
  • Pantsch,[11] Wirth und Herbergsvater in Ulm
  • Fassl [Fassel], Oberknecht in einer Bräuerey [in einem Brauhause]
  • Nanette [Nannette] Tochter des Wirths
  • Sepherl, Hannerl, Kellnerinnen
  • ein Hausierer [ein Hausirer]
  • ein Schustermeister
  • ein Zimmergesell [ein Tischlergeselle]
  • drey Zunftmeister [(kommen nicht vor)]
  • Strudl,[12] Gastwirth zum Goldenen Nockerl[13] in Wien
  • Hobelmann, Tischlermeister in Wien
  • Peppi, seine Tochter
  • Anastasia [Anastasia Hobelmann, seine Nichte]
  • Ein Fremder
  • Gertrud, Haushälterinn in Hobelmanns Hause
  • Reserl, Magd daselbst
  • ein Fremder
  • Hackauf,[14] ein Fleischermeister in Prag
  • ein Mahler [ein Maler]
  • erster, zweyter [zweiter] Bedienter [bei Zwirn]
  • erster, zweyter [zweiter] Gesell [bei Zwirn]
  • Herr von Windwachl[15]
  • Herr von Lüftig
  • Herr von Papillion[16] [(kommt nicht vor)]
  • Wolckenstecher, ein Luftfahrer [(kommt nicht vor)]
  • Signora Palpetti [Signora Palpiti]
  • Camilla, Laura, ihre Töchter
  • Wirth, Wirthin in einer Dorfschenke unweit Wien
  • ein Bauer
  • ein Reisender [ein Reisender (Stellaris)]
  • ein Zitherspieler [(kommt nicht vor)]
  • ein Marktweib [(kommt nicht vor)]
  • ein Mann mit einem Dudelsack [(kommt nicht vor)]
  • Zauberer, Magier und ihre Söhne, Nymphen und Genien, [Furien], Gäste, Volck, Bauern, Handwerksleute verschiedener Zünfte ecta.

Der böse Geist Lumpacivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt, in der Druckausgabe Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt, ist eine von Johann Nestroy verfasste Zauberposse des Alt-Wiener Volkstheaters. Sie wurde am 11. April 1833 in Wien als Benefizvorstellung für den Dichter uraufgeführt und 1835 gedruckt.[17] Mit den beiden nicht aufgeführten Stücken Genius, Schuster und Marqueur (1832) und Der Feenball (1833) hatte Nestroy bereits das Thema und große Teile des Lumpacivagabundus-Textes vorweggenommen.

Inhalt

→ Die Inhaltsangabe folgt dem Manuskript aus erster Hand

Die alten Zauberer beklagen sich bei Stellaris, dass Lumpacivagabundus ihre Söhne zur Lumperei verführe. Als Stellaris Fortuna auffordert, den Söhnen das verjuxte Vermögen wieder zu geben, lacht Lumpaci die Glücksfee aus, denn das werde keinen einzigen von ihnen bessern. Hilaris bekennt dies offen und gesteht:

„Nur ein Mittel giebt’s, das mich festhalten wird auf dem Pfad der Tugend, es ist Brillantinens Hand.“ (I.  Act, Scena  2) [18]
Johann Nestroy (Kneipp/Knieriem), Carl Carl (Leim), Wenzel Scholz (Zwirn); handkolorierter Kupferstich ( Wiener Theaterzeitung 1834)

Lumpaci erklärt darauf, da gebe er sich geschlagen, denn Amorosa sei mächtiger als Fortuna. Wütend bestreitet Fortuna Amorosas größere Macht und verweigert die Eheschließung, muss jedoch den Spruch Stellaris' akzeptieren, dass sie dies nicht bedingungslos machen dürfe. Deshalb verlangt sie, dass drei arme lockere Gesellen von ihr glücklich gemacht werden dürfen und sie gebe sich nur geschlagen, wenn zwei davon trotzdem Lumpen bleiben wollen.

Die Auserwählten sind die Handwerksburschen Kneipp, Leim und Zwirn, alle aus unterschiedlichen Gründen zu vazierenden Gesellen geworden: Kneipp wegen seiner Liebe zum Alkohol („Ein Maaß G’mischtes.“[19]), Leim wegen seiner vermeintlich hoffnungslosen Liebe zu Peppi Hobelmann und Zwirn, weil ihm ein lustiges Leben über alles geht.

Fortuna lässt die drei in der Nacht im Wirtshaus jeden die gleiche Lotterienummer 7359 träumen und als sie ihr ganzes restliches Geld zusammenlegen und das Los kaufen, machen sie den Hauptgewinn von 100.000 Talern.[20] Daraufhin trennen sich ihre Wege, Leim will versuchen, in Wien seine Peppi doch noch zu bekommen, Zwirn will in die Welt hinaus und in Zukunft mehr Don Juan als Schneider sein, Kneipp will von einem Weinkeller in den anderen ziehen, weil die Welt ohnehin auf’s Jahr durch einen Kometen untergehe. Sie beschließen jedoch, in einem Jahr wiederum zusammenzutreffen.

Leim: „Und heut über’s Jahr, am ersten Herbsttag, an dem Gedächtnißtag unsers Glücks – kommen wir alle drei in Wien zusamm beym Meister Hobelmann, dort bin ich entweder glücklich, oder ihr erfahrt, wo ich in meinem Unglück zu finden bin.“ (I.  Act, Scena  13) [21]

Bei Hobelmann klärt sich das Missverständnis, das Leim auf Wanderschaft getrieben hat schnell auf und er hält erfolgreich um die Hand von Peppi an. Zwirn ist in Prag in die Hände betrügerischer „Freunde“ gefallen, die ihn weidlich ausnützen. Signora Palpetti will eine ihrer Töchter an ihn verkuppeln, die sich mit allerlei Tricks an Zwirn heranmachen.

Camilla (zu Laura): „Meine wällische Aussprache hat schon manchen irregeführt, bey dir aber wird er sich bald auskennen dass du eine Burkerstorferinn[22] bist.“ (Actus  II, 22 ste  Scene) [23]

Mit einem Ballonflug will Zwirn seine Gäste beeindrucken, zu denen unverhofft auch der stockbetrunkene Kneipp stößt. Durch seine Reden erfahren die anderen die Wahrheit über Zwirns wahre Stellung als Schneidergeselle und er ist blamiert. Der Ballon fliegt mit Kneipp als einzigem Passagier ab. [Die Ballonszene fehlt in der Druckversion]

Nestroy beim Kometenlied (Photographie von 1861)

Am vereinbarten Jahrestag kommen Zwirn und Kneipp, die beide ihr Vermögen durchgebracht haben, in Hobelmanns Haus, wo ihnen der Hausherr einen angeblichen Brief Leims vorliest. Er sei bis auf 100 Taler, die er Hobelmann zur Aufbewahrung gegeben habe, wieder arm und liege krank im Nürnberger Spital. Sofort beschließen seine zwei Freunde, sich nach Nürnberg durchzubetteln und Leim die 100 Taler zu bringen. Gerührt über ihre Freundschaft kommt Leim dazu und verspricht den beiden, er werde immer für sie sorgen. Doch als erster will Kneipp gar nicht solide versorgt sein, sondern wie immer seinen Schnaps im Wirtshaus trinken („Im Wirthshaus muss man seyn, das ist der Genuß, da ist dann das schlechteste Gesäuf ein Hogu.“[24]). Und eine Änderung seines Lebens lohne sich nicht mehr, es komme ja ohnehin der weltzerstörende Komet; hier singt Kneipp das Kometenlied.

Zwirn will ebenfalls wieder weg, er halte das solide Leben sicher nicht aus, auch Leim kann ihn nicht umstimmen. Vergeblich versucht dieser, wenigstens Kneipp zu bekehren, doch der flüchtet durchs Fenster. Die beiden Lumpen treffen in einem Gasthaus zusammen und beschließen, wieder auf Tour zu gehen. Die Szene verwandelt sich, Stellaris fordert Fortuna auf, ihre Niederlage einzugestehen, diese erklärt sich von Amorosa besiegt und führt Brillantina und Hilaris zusammen. Stellaris lässt die Erdenbewohner ins Feenreich bringen, wo Leim und Peppi als glückliches Paar erscheinen, der Feenkönig sich über die beiden Unverbesserlichen aber im Zweifel ist.

Amorosa: „Ich will mich ihrer annehmen. Doch denen muss die wahre Liebe in ganz anderer Gestalt erscheinen.“ (III.  Act, 18 te  Scene) [25]

Kneipp und Zwirn erscheinen kniend auf der Bühne und werden von ihren zukünftigen Gattinnen mit der Rute bedroht.

[In der Druckversion folgt stattdessen ein Blick in die Zukunft, in der auch Zwirn und Knieriem ein häuslich-glückliches Leben führen]

Werksgeschichte

Für Direktor Carl Carls sogenanntes „Carneval-Theater“ in seinem Theater an der Wien schrieb Johann Nestroy das Stück Der Feenball, das explizit als Faschingsposse angekündigt war und dessen erster und letzter Akt im Fasching spielt und dessen zweiter Akt in Venedig, der Hochburg des italienischen Karnevals, angesiedelt ist. Dieses Werk sollte das Programm des Carneval-Theaters beschließen. Da aber schon Der Zauberer Februar Johann Baptist Freys (mit Couplettexten Nestroys) verspätet auf die Bühne kam, ging es sich für den Feenball zeitlich nicht mehr aus und Nestroy präsentierte ihn – teilweise umgearbeitet – unter dem neuen Titel Der böse Geist Lumpacivagabundus.

Als Quelle für den Feenball und somit auch für den Lumpacivagabundus wurden von Nestroy die Erzählung Das große Loos[26] von Carl Weisflog (1770–1828) aus dessen Sammelband Phantasiestücke und Historien verwendet, außerdem das darauf basierende Stück Schneider, Schlosser und Tischler von Josef Alois Gleich (1772–1841), aufgeführt am 30. Juli 1831 im Theater in der Leopoldstadt,[27] und auch Teile seines eigenen, nicht aufgeführten Stückes Genius, Schuster und Marqueur (1832). Anlass für den Feenball war die im Jahre 1832 grassierende Kometenfurcht, ausgelöst durch das Auftauchen des Encke- und des Biela-Kometen, sowie der für 1834/35 zu erwartende Halleysche Komet (siehe auch die Hintergrundinformationen zum berühmten Kometenlied).

Das Werk gibt einen Blick auf die durch schlechte Wirtschaftslage hoffnungslose Situation arbeitsloser Handwerker, die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen des Wirtshauspersonales mit der kaum verhüllten Rolle der Kellnerinnen als Animiermädchen, was zusammen mit der Kometen- und Cholerafurcht dieser Zeit zum Fatalismus und Hoffen auf ein Wunder (Lotteriegewinn) führte. Dies wurde vom zeitgenössischen Publikum durchaus auch als soziale Anklage verstanden.[28]

Nestroy spielte den Kneipp/Knieriem, Wenzel Scholz den Zwirn, Carl Carl den Leim, Friedrich Hopp und dann Ignaz Stahl den Hobelmann und Nestroys Lebensgefährtin Marie Weiler bei der Premiere die Camilla, dann alternierend mit Dem. Elise Zöllner[29] die Laura.[30]

Allein im Zeitraum von April bis Dezember 1833 gab es über sechzig Aufführungen im Theater an der Wien und das Werk blieb auch weiterhin stets im Programm. Im deutschsprachigen Raum, in Graz, Pest, Prag, Stuttgart, Karlsruhe, Preßburg und Berlin wurde bereits 1833 gespielt, in Weimar erlitt das Stück 1835 allerdings einen Durchfall vor dem Publikum des Hoftheaters; in Baden bei Wien 1833 vor der dort weilenden kaiserlichen Familie Franz' I., 1839 vor dem russischen Thronfolger (dem späteren Zaren Alexander II.), 1840 vor dem König von Sachsen Friedrich August II. und 1841 vor den sächsischen Prinzessinnen Amalie (die unter dem Pseudonym Amalie Heiter selbst Theaterstücke verfasste) und Auguste.

Als im Theaterleben Wiens einmaliger Fall wurde das Stück im Juni 1838 gleichzeitig am Theater in der Leopoldstadt und am Theater in der Josefstadt aufgeführt, mit Ensemblemitgliedern dieser beiden Vorstadtbühnen und durchaus gutem Erfolg. Bei Direktor Carls letzter Vorstellung im Theater an der Wien am 30. April 1845 konnte das Publikum Ausschnitte verschiedener Erfolgsstücke sehen, wobei der gekürzte erste Akt des Lumpacivagabundus den Abschluss bildete. Es spielten Nestroy, Scholz und Alois Grois. Auch auf Carls neuer Bühne, dem Theater in der Leopoldstadt, jetzt Carltheater genannt, blieb das Stück ein Publikumsmagnet.

Am 30. April 1860 fand im Münchener Königlichen Hof- und Nationaltheater eine Aufführung statt, bei der die drei Handwerksburschen von den damals berühmten Zwergenschauspielern Jean Piccolo, Jean Petit und Kiss Joszi dargestellt worden waren.[31]

Eine aktuelle Coupletstrophe vom 11. Jänner 1862, gebracht im Treumann-Theater, worin Nestroy die preußischen Generale verspottete, die angeblich Napoleon III. die Hand geküsst hätten, sorgte damals für Proteste in der Berliner Kreuzzeitung. Nestroy musste für dieses Extempore eine Geldstrafe von 15 Gulden bezahlen. Er revanchierte sich bei der nächsten Vorstellung mit einer neuen Strophe des Kometenliedes:

„Bankerottes Österreich nennen uns die Journal in Berlin
Impertinenter noch reden s’ dort im Theater über Wien
Doch hör’n Ein hier a paar Preußen über Preußen was sagn,
Rennen s’ gleich als die Gekränkten und tun Ei’m verklagn.
Da wird Ei’m halt angst und bang
I sag, d’ Welt steht auf kein Fall mehr lang … !“[32]

Bei Nestroys letzter Vorstellung in Wien am 4. März 1862, nur zwei Monate nach dieser Affäre, verabschiedete er sich vom Wiener Publikum mit dem Knieriem, „also in der Rolle, in der er ihnen eine Generation früher zum erstenmal das Wesen seiner neuen Komik geoffenbart hatte.“ (Zitat Otto Rommel)[33]

Das eigenhändige Manuskript Nestroys enthält Titelblatt, Personenverzeichnis, sowie vom II. Akt die Szenen 8–22, vom III. Akt die Szenen 1–11 und 17–19; alle übrigen Szenen sind durch Nestroy überarbeitete Bühnenabschriften von fremder Hand.[34] Eine eigenhändige gekürzte Fassung des I. Aktes ist ebenfalls erhalten geblieben.[35]

Die Partitur Müllers existiert nur in einer Abschrift von fremder Hand, auf der vom Komponisten der Vermerk Eigenthum des Componisten angebracht worden war (Rommel nahm deshalb fälschlich eine Originalpartitur an).[36]

Zeitgenössische Kritik

Von der Kritik wurde das Stück durchwegs sehr positiv besprochen, zwei davon sind auszugsweise angeführt:[37]

In der Wiener Theaterzeitung Adolf Bäuerles schrieb Heinrich Adami am 13. April 1833 (Nr. 75, S. 303 f.):

„Die Handlung ist interessant und recht lebendig, der Dialog launig, […] die Situationen sind gut angelegt und benützt, ganz vorzüglich sind es aber mehrere der eingelegten Liedertexte, welche dieser Posse noch viele Wiederholungen zusichern dürften.“

Nach einer ersten, ziemlich kurzen und wenig freundlichen Rezension im Wanderer vom 13. April folgte eine Richtigstellung bereits am nächsten Tag (Nr. 104, S. 4.), eine Diskrepanz, die zwischen den zwei Kritikern dieser Zeitschrift mit den Signaturen „2“ und „4“ auch im Herbst 1833 bei der Besprechung des Nestroy-Werkes Robert der Teuxel feststellbar wurde:

„Der Stoff ist eben nicht neu, jedoch von dem Verfasser mit einer Gewandtheit und Laune bearbeitet, die den Vorzug vor allen früheren Bearbeitungen behauptet. Mit besonderem Glück ist der 2. Act behandelt, eben so das Finale desselben Actes,[38] welches stürmisch wiederholt verlangt wurde.“

Besonders lobend erwähnt wurde darin Nestroys „Kometenlied“ und außerdem Scholz sowie die Damen Zöllner und Weiler.

Weitere lobende Rezensionen waren im Sammler, der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, im Aufmerksamen (Graz) zu lesen.

Der Burgschauspieler Karl Ludwig Costenoble notierte in seinem Tagebuch (herausgegeben Wien 1889 auf S. 154) eine Episode vom 16. April 1833:

La Roche kam und war sehr empört über die Vorstellung einer Posse, die er im Theater an der Wien gesehen. Das Stück ‚Lumpacivagabundus‘ von Nestroy gefiel seiner erzkomischen wenn auch äquivoken [doppelsinnigen] Einfälle wegen, nicht nur dem Publikum, sondern auch uns Mitgliedern des Burgtheaters. La Roche war der Einzige, der die Nase rümpfte und meinte, so etwas gehöre in die Hanswurstbude. – Diese weimarische, schöngeistige Zimpferlichkeit wird La Roche in Wien bald ablegen.“

Spätere Interpretationen

Otto Rommel reihte 1908 das Werk noch in der Kategorie jener Besserungs- und Zauberstücke ein, „in welchen Geister leitend und helfend in das Leben der Menschen eingreifen, so dass die Geisterszenen nur einen Rahmen für die Szenen aus dem realen Leben bilden“ (Zitat). Dazu zählte er auch Die Zauberreise in die Ritterzeit, Der Feenball, Müller, Kohlenbrenner und Sesseltrager, Die Gleichheit der Jahre und Die Familien Zwirn, Knieriem und Leim.[39]

Nach Franz H. Mautner war Lumpacivagabundus nicht nur eines der meistgespielten Stücke Nestroys, sondern auch nach Meinung seiner Zeitgenossen dank des neuen Realismus der Beginn von Nestroys „echten“ Volksstücken, dazu bestimmt, die alten Possen zu verdrängen.[40]

Helmut Ahrens stellte 1982 bereits fest, das Werk sei vorerst der gängigen Formel des Besserungsstückes nachentworfen worden, jedoch der in Gleichs Vorlage noch ziemlich verborgen bleibende Pessimismus über die Unwandelbarkeit des menschlichen Charakters trete bei Nestroy bereits schärfer hervor. Deshalb nannte Ahrens den Lumpacivagabundus ein Zauberspiel, das nicht ver-, sondern entzaubert. Die Parabel zeige den Aufstieg und Niedergang der drei Handwerksburschen, der Machtlosigkeit zufälligen Glücks gegen schicksalhaft vorbestimmte Lebensabläufe. Das später dazugedichtete unglaubwürdige „glückliche“ Ende (in der Manuskriptfassung noch nicht vorhanden) sei lediglich dem Publikum zuliebe aufgepfropft worden. Allerdings hat Nestroy diesen Ausgang in seinem Stück Die Familien Zwirn, Knieriem und Leim ohnehin wieder in Frage gestellt.[41]

Siegfried Diehl merkte an:

„[...] das Neue, die realistische Zeichnung des Milieus, die satirische Schilderung trostloser Verhältnisse, die mit einem Mal die Unzulänglichkeit der bewährten Lustigmacher Hanswurst, Kasperl und Thaddädl ablöste. Die Begeisterung für das unerhörte Stück entwuchs aber auch einem wunderlichen Mißverständnis: Es wurde gerade das als positives Weltbild des Autors gefeiert, was nur in ironischer Schlußmoral vorlag.“

[42]

Verfilmungen

Hörspiele

Walter Sedlmayr, Herbert Kroll u. a. (Radio München)

Text

Literatur

  • Helmut Ahrens: Bis zum Lorbeer versteig ich mich nicht. Johann Nestroy, sein Leben. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-7973-0389-0.
  • Fritz Brukner, Otto Rommel: Johann Nestroy, Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, zweiter Band, Verlag von Anton Schroll & Co., Wien 1924.
  • Siegfried Diehl: Johann Nestroys pessimistische Possen. In: Franz H. Mautner: Johann Nepomuk Nestroy Komödien. (= Insel Taschenbuch Nr. 1742). Insel Verlag, Frankfurt am Main 1979.
  • Franz H. Mautner (Hrsg.): Johann Nestroys Komödien. Ausgabe in 6 Bänden. 1. Band, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1979, OCLC 7871586.
  • Otto Rommel: Nestroys Werke. (= Goldene Klassiker-Bibliothek). Auswahl in zwei Teilen. Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin/ Leipzig/ Wien/ Stuttgart 1908.
  • Friedrich Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. In: Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier, W. Edgar Yates: Johann Nestroy, Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Jugend und Volk, Wien/ München 1993, ISBN 3-224-16924-9, S. 65–187, 297–618.

Einzelnachweise

  1. Nestroy verwendete im Text dennoch die Bezeichnung Act
  2. stellaris = latein. den Sternen zugehörig
  3. Fortuna = römische Glücksgöttin
  4. brillare = ital. glänzen
  5. Amorosa = latein. die Verliebte
  6. hilaris = latein. heiter, froh
  7. Fludribus = latinisierte Scherzbildung von fludern, flattern; siehe auch Fludriwudri = wienerisch Sausewind, Wirbelwind (für ein Kind)
  8. Lumpacivagabundus = zusammengesetzt aus Lumpazi (Schlingel, Lump) und Vagabund (Landstreicher)
  9. Kneipp auch Kneif = Schustermesser
  10. von der Zensur dahin geändert
  11. Pantsch = von panschen/pantschen, mit Minderwertigem vermischen
  12. Strudl, Strudel = österreichische Süßspeise, mit Äpfeln, Mohn o. Ä. gefüllt
  13. Nockerl = gekochter kleiner Mehlkloß (Spätzle) als Beilage, vom ital. gnocchi
  14. in Österreich wird der Fleischer als Fleischhacker bezeichnet
  15. Windwachl = Federfächer zum Feueranmachen, hier als lockerer Geselle gemeint
  16. papillon = franz. Schmetterling, Falter
  17. Verlag der k.u.k.Wallishausser’schen Hofbuchhandlung, Wien, Hoher Markt Nr. 1
  18. Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 75.
  19. G’mischtes = aus hellem und dunklem Bier gemixtes Getränk
  20. 1 Taler waren 2 Gulden, ein Dukaten 4½ Gulden, ein Gulden 120 Kreuzer, ein Zwanz'ger 20 Kreuzer, ein Groschen 3 Kreuzer
  21. Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 96.
  22. Purkersdorf war damals eine wichtige Poststation in der Nähe von Wien
  23. Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 110.
  24. Hogu = Verballhornung von franz. haut goût = Wildbretgeschmack, hoher Geschmack
  25. Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 132.
  26. Text in Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 222–255.
  27. Faksimile des Theaterzettels in Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 621.
  28. Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 317.
  29. Dem. oder Dlle. ist die Abkürzung für Demoiselle (= Fräulein), die seinerzeit übliche Bezeichnung der unverheirateten Damen eines Ensembles; die verheirateten Schauspielerinnen wurden mit Mad. (Madame) betitelt
  30. Faksimile der Theaterzettel für die erste und vierte Aufführung in Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 623–624.
  31. Theaterzettel im Münchener Tages-Anzeiger
  32. Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus, Signatur I.N. 29.276
  33. Bruckner/Rommel: Johann Nestroy, Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, AMS Press, 1973, XV. Band, S. 351.
  34. Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus, Signatur I.N. 64.443
  35. Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus, Signatur I.N. 78.847
  36. Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus, Signatur M.H. 667
  37. Walla: Johann Nestroy; Stücke 5. S. 350–355.
  38. ein Quodlibet als Terzett mit Chor zwischen Zwirn, Camilla und Laura
  39. Rommel: Nestroys Werke, Auswahl in zwei Teilen, Goldene Klassiker-Bibliothek, Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin/Leipzig/Wien/Stuttgart 1908, S. XXVI, XXX.
  40. Mautner: Johann Nestroys Komödien. S. 315.
  41. Helmut Ahrens: Bis zum Lorbeer versteig ich mich nicht. S. 114, 128–131.
  42. Diehl/Mautner: Johann Nepomuk Nestroy Komödien. S. 11.