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vom 22.11.2021, aktuelle Version,

Kommunistischer Bund Österreichs

Der Kommunistische Bund Österreichs (KBÖ, meist jedoch kurz KB) war eine an der Politik der Kommunistischen Partei Chinas orientierte Kleinpartei, die von 1976 bis 1981 bestand. Er ging aus einem Zusammenschluss des Ende 1972 gegründeten Kommunistischen Bundes Wien mit weiteren lokalen Bünden hervor.

Geschichte

Der KBÖ hatte seinen Ursprung in der antiautoritären Studentenbewegung in Österreich.[1] Ende November 1970 spaltete sich die Marxistisch-Leninistischen Studenten (MLS) von der Vereinigung Demokratischer Studenten (VDS) ab, die sich anfangs hauptsächlich mit marxistischer Theorie beschäftigte. Ab Mai 1971 nahm die MLS noch in Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ)[2] Betriebsarbeit auf, um Arbeiter für die Idee des Kommunismus zu gewinnen. Später entwickelte sich die MLS durch Kontakte zu der Kommunistischen Gruppe Neues Rotes Forum Heidelberg, aus der 1973 der Kommunistische Bund Westdeutschland hervorging, zu einer maoistischen Organisation, die die Volksrepublik China als ihr Vorbild ansah.[3] Die grundlegenden Theoretiker wurden Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Zedong. Ende 1972 wurde der Kommunistische Bund Wien gegründet, von dessen 13 Gründungsmitgliedern zehn Intellektuelle waren. In den beiden folgenden Jahren entstanden Kommunistische Bünde in Graz (KB Graz usw.), Salzburg/Hallein, Linz, Tirol und die Kommunistische Gruppe Klagenfurt, die das gemeinsame Ziel hatten, eine neue „marxistisch-leninistische“ Kommunistische Partei Österreichs aufzubauen.

Am 6. August 1976 gründeten diese Organisationen in Wien den Kommunistischen Bund Österreichs und lösten sich in ihn auf. Auf der Gründungsversammlung wurden ein Programm und Statut beschlossen und eine Einschätzung der politischen Weltlage abgegeben. Zum Sekretär des Zentralen Komitees wurde Walter Lindner gewählt, der diese Funktion bereits beim KB Wien ausgeübt hatte. Der KBÖ betrachtete sich noch nicht als die endgültige Kommunistische Partei. Er war bereit, sich mit anderen Gruppen dazu zu vereinigen.[4]

Spätestens Ende 1976 war der Kommunistische Bund Österreichs die von der Kommunistischen Partei Chinas in Österreich favorisierte Organisation, da dieser sich nach dem Sturz der sogenannten „Viererbande“ bedingungslos auf die Seite des Vorsitzenden Hua Guofeng gestellt hatte.[5] Delegationen des KBÖ besuchten ab 1977 mehrmals die Volksrepublik China.[6] Gruppenreisen der Albanisch-Österreichischen Freundschaftsgesellschaft nach Albanien wurden 1976 und 1977 beworben und besucht, bevor sich ungefähr 1979 das mit China politisch verbündete Land ganz allgemein, etwa über das Reisebüro ÖKISTA, dem Tourismus öffnete. An einer solchen 3-wöchigen Reise mit Betriebsbesichtigungen nahmen auch mehrere Mitglieder der Polit-Rock-Band Schmetterlinge teil, die sich kritisch mit den Zuständen im Land auseinandersetzten.

Im Jänner 1978 hielt der KBÖ seine „1. ordentliche Nationale Delegiertenkonferenz“ (DK) ab, auf der W. Lindner in seinem Amt als Sekretär des Zentralkomitees (ZK) bestätigt wurde. Im Kommuniqué der DK wurde erklärt: „(die Kommunisten Österreichs) kämpfen gegen die Versuche der beiden Supermächte, Österreich ihrer ökonomischen, politischen oder militärischen Kontrolle zu unterwerfen“. Die Theorie der drei Welten wurde als „unerläßliche strategische Konzeption für den internationalen Klassenkampf“ bezeichnet.[7]

Nach einer kontroversen ZK-Sitzung am 24. Februar 1980 kam es Anfang März zur Spaltung des KBÖ. Der Vertreter einer „harten Linie“, Walter Lindner, hielt am 5. März mit seinen Anhängern, etwa 20 % der Organisation, eine geheime „revolutionäre Nationale Delegiertenkonferenz“ ab. Sein Gegenspieler Gerhard Stemberger wollte das Zentralorgan Klassenkampf durch eine linke Diskussionszeitschrift mit vorsichtiger politischer Öffnung ersetzen. Beide Lager warfen sich gegenseitig Spalterei und Revisionismus vor und setzten ihre bereits in den Vorjahren geringer gewordene politische Tätigkeit noch eine Weile mit der Herausgabe von zwei Zentralorganen mit dem Namen Klassenkampf fort, bis sie sich auflösten. Im April 1980 hatte sich zusätzlich noch die Wiener Ortsgruppe gespalten.

Nach Spendensammlung wurde eine Druckerei zur Herstellung der Zeitung "Klassenkampf" (anfangs A3 auf A4 gefaltet, in der Hochzeit dann A2 auf A4 gefaltet) und des theoretischen Organs "Der Kommunist" (gefalzt und klammergeheftet auf etwas größer als A5) wurde in Wien in der Halbgasse eingerichtet. Einige Jahre später wurde das dafür in einem Hofgebäude gemietete Lokal mit großer Fensterfront im 1. Stock adaptiert als nunmehr Loftwohnung vorzufinden.

Tätigkeitsfelder

Die Marxistisch-Leninistische Studentenorganisation hatte sich bereits im Dezember 1971 an einer „Straßenbahntarifkampagne“ in Wien beteiligt. Neben der nicht sehr erfolgreichen Betriebsarbeit des KB Wien und später des KBÖ waren Kämpfe gegen die Erhöhung kommunaler Tarife (z. B. „Heizkostenerhöhung“), gegen die Nutzung der Kernenergie unter „kapitalistischen Bedingungen“ (AKW Zwentendorf)[8] und für ein alternatives Kulturzentrum die Haupttätigkeitsbereiche.

International unterstützte der KBÖ zahlreiche Befreiungsbewegungen, darunter besonders die ZANU durch verschiedene Sammelaktionen in ihrem „bewaffneten Kampf, um ein neues und blühendes Zimbabwe aufzubauen“.[9]

Am 8. Oktober 1977 unterstützte der KBÖ mit einer Demonstration und Kundgebung von 170 Teilnehmern vor der Deutschen Botschaft in Wien die drei deutschen K-Gruppen, die durch einen Verbotsantrag bedroht waren.

Ab 1978 stand die Solidarität mit dem „Demokratischen Kampuchea“ im Vordergrund. Ende August 1979 traf Walter Lindner in Wien mit Khieu Samphan zusammen.[10] Am 11. September veröffentlichte Klassenkampf eine „Gemeinsame Erklärung der Arbeiter- und Bauernpartei der Türkei (TIKP) und des Kommunistischen Bundes Österreichs“ zur Unterstützung des „heroische(n) Kampf(es) des kampucheanischen Volkes, um die Revolution und das Vaterland zu verteidigen[11] Der KBÖ lehnte die Sowjetunion entschieden als „sozialfaschistisch“ ab, in einer Erklärung zum Ende des Pol-Pot-Regimes im Jänner 1979 hieß es: „Breschnew ist der Hitler von heute, aber in potenzierter Form“.[12]

Wahlbeteiligungen

Der KBÖ beteiligte sich 1978 an der Gemeinderatswahl in Graz und erreichte 277 Stimmen (0,18 Prozent), was als „voller Erfolg“ gewertet wurde. Die 221 Stimmen bei der Wahl zum Gemeinderat in Wien (Wahlkreis „Zentrum“, Bezirke 1, 4, 5 und 6) wurden dagegen als Niederlage angesehen. Für eine Kandidatur bei der Nationalratswahl 1979 im Wahlkreisverband Wien konnten die 500 erforderlichen Unterstützungsunterschriften nicht beigebracht werden. Bei der Gemeinderatswahl in Linz im Oktober 1979 erreichte Walter Fehlinger 392 Stimmen. Auf die Wahlanfechtung der KPÖ hin, die durch diese Konkurrenz ihr Mandat verloren hatte, hob der Verfassungsgerichtshof die Wahl als rechtswidrig auf und veranlasste eine Neuwahl.[13]

Unterorganisationen

Mitglieder

  • Peter Fuchs, Sekretär der Ortsleitung Wien des KBÖ
  • Walter Lindner, langjähriger Sekretär des ZK des KBÖ
  • Kurt Puchinger, Ständiger Ausschuss
  • Veronika Seyr, Anti AKW-Aktivistin, MLS
  • Karl-Peter Schwarz, stellvertretender Chefredakteur des Klassenkampf (KB Wien)[17]
  • Gerhard Stemberger, langjähriger Sekretär des KBÖ
  • Herbert Wabnegg, leitender Kader
  • Antonia Wenisch, Kandidatin bei der Gemeinderatswahl Wien 1978

Ehemalige Mitglieder (inklusive der Studentenorganisationen) wirkten mit bei der Entwicklung der Bewährungshilfe in Österreich, einem sozial-ökonomischen Kfz-Reparaturbetrieb, der Fortführung einer lokalen Radfahrinitiative (heute Teil von Radlobby Österreich). Nicht wenige waren oder wurden Lehrer oder Leiter in verschiedensten Schulstufen, von der Volksschule bis zur Universität.

Publikationen

  • Programm und Statut des Kommunistischen Bundes Österreichs, Herausgeber: Kommunistischer Bund Österreichs, Druck und Verlag: Alois Wieser Gesellschaft m.b.H., Wien (1. Auflage, 1.–5. Tausend) 1976 ISBN 3-85377-011-8 (das nur wenig veränderte, auf österreichische Verhältnisse umgeschriebene Programm und Statut des Kommunistischen Bundes Westdeutschland, 1973 ff.) – A6 oder etwas kleiner, Heft mit außen rotem Umschlag
  • Klassenkampf, Zentralorgan (vierzehntäglich, ab 1978 wöchentlich: 1.1976 – 3.1978; 1979 – 1.1981); das war auch schon der Name des monatlichen Zentralorgans (ZO) des KB Wien und anderer Gruppen
  • Kommunist, theoretisches Organ (monatlich: 1.1976 – 3.1978; [4.]1979; 5.1980, 1–2)[18]
  • Dokumente der 1. ordentlichen Nationalen Delegiertenkonferenz des Kommunistischen Bundes Österreichs, Wien 1978

Literatur

  • Wilhelm Svoboda: Sandkastenspiele. Eine Geschichte linker Radikalität in den 70er Jahren, Promedia, Wien 1998 ISBN 3-85371-134-0
  • Christian Schlagitweit: Einmal Revolution und zurück. Vom Maoismus zum Kommunistischen Bund oder: die österreichische Linie von Ho Tschi Minh zu Pol Pot, Universität Wien, Institut für Zeitgeschichte, 1. August 2001 (unveröffentlichte Diplomarbeit)[19]
  • Robert J. Alexander: Maoism in the developed world, Praeger, Westport, Conn. 2001 (darin: The Communist League of Austria (KB), S. 56/7; zusammengestellt aus den Länderberichten Austria im Yearbook on International Communist Affairs Jg. 1977–1981) ISBN 0-275-96148-6
  • Felix Wemheuer: Maos rote Sonne über Wien. Erinnerungen an den Maoismus in Österreich, in: Sebastian Gehrig u. a. (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild ? Maoismen im deutschsprachigen Raum, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, S. 53–75 ISBN 978-3-631-57641-0

Anmerkungen

  1. Anders die Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs, die aus einer Abspaltung von der KPÖ resultierte
  2. Die eigene Abkürzung war KB
  3. Peter Fuchs/Karl Peter Schwarz: Ein Besuch in der Volksrepublik China. Reisebericht 2. veränderte Auflage, Wien: Alois Wieser 1975 (1. Auflage 1974) ISBN 3-85377-001-0
  4. Kommunistischer Bund Österreichs gegründet, in: Kommunistische Volkszeitung (KVZ), Nr. 32 vom 12. August 1976, S. 12; dto. als Kurzmeldung in: Peking Rundschau Nr. 35 vom 31. August 1976, S. 23.
  5. Telegramm des Sekretärs des Kommunistischen Bundes Österreichs, Lindner (zur Ernennung des Genossen Hua Guofeng zum Vorsitzenden), in: Peking Rundschau, Nr. 52 vom 28. Dezember 1976, S. 23.
  6. siehe z. B. Kurzbericht in: Peking Rundschau Nr. 48 vom 29. November 1977, S. 4.
  7. Kommunistischer Bund Österreichs 1. Delegiertenkonferenz, in: Peking Rundschau, Nr. 6 vom 14. Februar 1978, S. 28.
  8. (Korrespondentenbericht aus Wien) 6000 demonstrieren gegen das österreichische Kernenergieprogramm, in KVZ, Nr. 44 vom 31. Oktober 1977, S. 8; (Korrespondentenbericht, Wien, 26. Januar 1978) Das Energieprogramm der Kreisky-Regierung wird von den österreichischen Arbeiter- und Volksmassen bekämpft, in: KVZ, Nr. 5 vom 30. Jänner 1978, S. 13.
  9. Flugblatt der MLS „2 Landrover für Zimbabwe !“ (1977), abgebildet bei W.Svoboda, Sandkastenspiele, S. 110.
  10. Ge. Lindner trifft Gen. Khieu, in: Klassenkampf, Nr. 34 vom 3. September 1979, S. 3.
  11. Peking Rundschau Nr. 48 vom 5. Dezember 1978, S. 25
  12. Beijing Rundschau Nr. 5 vom 6. Februar 1979, S. 23. Bei der TIKP handelt es sich um eine von Doğu Perinçek geführte Partei, aus welcher die heutige İşçi Partisi hervorging.
  13. Linzer Gemeinderatswahl: Fortschritt ins Rathaus, in: Volksstimme, Nr. 232 vom 4. Oktober 1980, S. 1; KPÖ-Linz eroberte Sitz im Gemeinderat zurück, in: Volksstimme Nr. 234 vom 7. Oktober 1980, S. 1; Leo Furtlehner/Wolfgang Moringer: Eine Wahl mit Besonderheiten. Wiederholung der Gemeinderatswahl in Linz – Bedingungen und Erfahrungen des Wahlkampfes der Linzer KPÖ, in: Weg und Ziel, 38. Jahrgang 1980, Nr. 12, S. 421–424.
  14. W.Svoboda, Sandkastenspiele, 1998, S. 28 f.
  15. W. Svoboda, Sandkastenspiele, S. 29–39.
  16. vgl. die Gesellschaft zur Unterstützung der Volkskämpfe der KG(NRF) Heidelberg bzw. des KBW.
  17. geb. 1952 in Villach, Journalist bei Die Presse, ORF und jetzt Auslandskorrespondent für die Frankfurter Allgemeine Zeitung in Prag
  18. Kommunist - Theoretisches Organ des Kommunistischen Bundes Österreichs Materialien zur Analyse von Opposition (MAO), Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, letzte Änderung vom 12. Juni 2018, abgerufen am 10. Februar 2019. – 3 Ausgaben abrufbar.
  19. lag nicht vor