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vom 10.07.2011, aktuelle Version,

Korneuburger Eid

Als Korneuburger Eid bzw. Korneuburger Gelöbnis wird eine durch den Heimwehrbundesführer Dr. Richard Steidle am 18. Mai 1930 in Korneuburg verlesene Erklärung bezeichnet, mit der Teile der österreichischen Heimwehren offen den Austrofaschismus forderten.

Hergang und Inhalt

Die Verlesung des Korneuburger Eids erfolgte anlässlich einer Generalversammlung des Heimatschutzverbandes Niederösterreich, der niederösterreichischen Landesorganisation der österreichischen Heimwehrbewegung. Der Hauptzweck dieser Versammlung war, Ing. Julius Raab, zugleich Landesführer der niederösterreichischen Heimwehr und prominentes Mitglied der Christlichsozialen Partei, zur Entscheidung zu nötigen, sich entweder gänzlich der Heimwehr oder aber seiner Partei zu unterstellen. Auf diese Weise sollte auch ein seit längerer Zeit schwelender Richtungsstreit innerhalb des Heimatschutzverbandes Niederösterreich beigelegt werden.

Richard Steidle in Heimwehruniform

Steidle hatte bereits längere Zeit vor der Versammlung den Spann-Schüler Walter Heinrich mit der Abfassung eines Entwurfs beauftragt. Heinrich war zu diesem Zeitpunkt Generalsekretär bei der Bundesführung der Heimwehren und versuchte wie auch Hans Riehl, ein weiterer Spann-Schüler und Leiter der Propagandstelle der Bundesführung der Heimwehren, die Heimwehren im Sinne des Spannschen Universalismus zu beeinflussen.[1] Während eines Tumults unter den anwesenden Delegierten verschaffte sich Steidle durch ein Hornsignal Gehör, hielt eine kurze Ansprache, zog anschließend einen Zettel aus der Tasche und verlas jene Sätze, die bald nur mehr als Korneuburger Gelöbnis bzw. Korneuburger Eid bezeichnet wurden. Darin wurde dem demokratischen Parlamentarismus und dem Parteienstaat der Kampf angesagt:

Wir wollen Österreich von Grund aus erneuern! Wir wollen den Volksstaat der Heimatwehren. [...]
Wir wollen nach der Macht im Staate greifen und zum Wohle des gesamten Volkes Staat und Wirtschaft neu ordnen. [...]
Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat! [...]
Wir kämpfen gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den marxistischen Klassenkampf und die liberal-kapitalistische Wirtschaftsgestaltung. [...]
Der Staat ist die Verkörperung des Volksganzen, seine Macht und Führung wacht darüber, daß die Stände in die Notwendigkeiten der Volksgemeinschaft eingeordnet bleiben.
Jeder Kamerad [...] erkenne die drei Gewalten: den Gottesglauben, seinen eigenen harten Willen, das Wort seiner Führer!
[2]

Angesichts des stürmischen Beifalls der Anwesenden legte Raab noch an Ort und Stelle vor Steidle den Eid ab. Seinem Beispiel folgten nun die übrigen Delegierten, darunter auch einige andere Abgeordnete der Christlichsozialen Partei und solche der Großdeutschen Volkspartei.

Bewertung und Folgen

Der Korneuburger Eid ist auch als Reaktion – quasi „im Windschatten“ des italienischen Faschismus Mussolinis – von Teilen der Heimwehrbewegung und des mit ihr sympathisierenden bürgerlichen Lagers auf die Verschärfung der politischen Gegensätze zwischen dem sozialdemokratischen und dem christlichsozialen Lager in Österreich interpretiert worden. Ihren sichtbaren Ausdruck hatten diese Gegensätze nach dem Schattendorfer Urteil in der so genannten „Julirevolte“ von 1927 gefunden.

Auch die bewusst wehrhaft gehaltene Formulierung des Linzer Programms der Sozialdemokratie, in dem von der Notwendigkeit gesprochen wurde, die Republik gegen eventuelle Versuche einer faschistischen oder monarchistischen Gegenrevolution notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen, verfehlte nicht die Wirkung auf die antidemokratisch gesinnte Rechte, die das - politisch vollkommen loyale, aber auf den Übergang zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in den Formen der Demokratie abzielende - Programm propagandistisch als Aufruf zur „Diktatur des Proletariats“ ausschlachtete.

Eine Stärkung der Heimwehrbewegung insgesamt brachte der Korneuburger Eid allerdings nicht. Bei der Bundesregierung, den Parteien, der Presse und selbst innerhalb der Heimwehrbewegung stieß er überwiegend auf Skepsis und Ablehnung. Steidles Stellung innerhalb der Heimwehrbewegung wurde dadurch geschwächt und im September 1930 musste er als Bundesführer der Heimwehren abtreten.

In der Folgezeit gipfelte die zunehmende Polarisierung der politischen Lager schließlich in den Februarkämpfen des Jahres 1934, im Austrofaschismus und letztlich im Verlust der Souveränität Österreichs im März 1938.

Als Julius Raab in der Zweiten Republik politische Bedeutung gewann und schließlich Bundeskanzler wurde, erinnerten politische Gegner daran, dass Raab, damals Abgeordneter zum Nationalrat, 1930 den Korneuburger Eid geschworen hatte.

Literatur

  • Walter Wiltschegg: Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volksbewegung? Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1985, ISBN 3-7028-0221-5 (Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte 7).

Einzelnachweise

  1. Helmut Wohnout: Regierungsdiktatur oder Ständeparlament? Gesetzgebung im autoritären Österreich. Wien 1993, S. 24-31.
  2. Zitiert nach Wiltschegg (1985), S. 255f.