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vom 21.03.2022, aktuelle Version,

Michael Haneke

Michael Haneke (2014)
Michael Haneke während der lit.Cologne 2018 im Großen Sendesaal der WDR in Köln

Michael Haneke (* 23. März 1942 in München) ist ein österreichischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Seine Spielfilme (Die Klavierspielerin, Caché, Das weiße Band, Liebe) wurden vielfach preisgekrönt, unter anderem mit dem Oscar, zwei Goldenen Palmen der Filmfestspiele von Cannes, zwei Golden Globes und mehreren Europäischen Filmpreisen.

Leben

Haneke ist der Sohn des Regisseurs und Schauspielers Fritz Haneke aus Düsseldorf und der österreichischen Burgschauspielerin Beatrix Degenschild. Aufgewachsen ist Michael Haneke in Wiener Neustadt, wo die Familie mütterlicherseits einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt. Der Kontakt zum Vater blieb spärlich, auch wenn Fritz Haneke später bei einer Theaterinszenierung seines Sohnes mitwirken sollte. Sein Onkel war der international bekannte Motorradrennfahrer Franz-Josef Binder.[1]

Der Komponist Alexander Steinbrecher war in zweiter Ehe mit Hanekes Mutter verheiratet und wurde somit Hanekes Stiefvater. Nach dem Tod von Beatrix Degenschild lernte Steinbrecher Elisabeth Urbancic, die Mutter von Christoph Waltz kennen und lieben. Haneke und Waltz haben somit denselben Stiefvater.[2]

Haneke wollte im Alter von 17 Jahren die Schule abbrechen und Schauspieler werden. Nach einer misslungenen Aufnahmeprüfung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar, wo ihn eigenen Angaben zufolge ein Teil des Lehrpersonals kannte, weil seine Mutter damals am Burgtheater wirkte, setzte er die Schullaufbahn fort und absolvierte die Matura. Obwohl er mit dem Beruf des Konzertpianisten geliebäugelt hatte,[3] studierte er in Wien Philosophie, Psychologie und Theaterwissenschaften. Er schloss das Studium jedoch nicht ab, sondern wechselte zum Südwestfunk-Fernsehen nach Baden-Baden. Durch seinen Vater hatte Haneke erfahren, dass dort seit zwei Jahren ein Fernsehdramaturg für die Fernsehspielabteilung gesucht wurde, und er erhielt diese Stelle. In diesem Rahmen lernte er das Handwerk des Filmemachens und kam in Kontakt mit Personen wie Wolfgang Menge und Ulrike Meinhof, die damals ihr Fernsehspiel Bambule vorbereitete.

Am Institut für Film und Fernsehen (Filmakademie Wien) der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien lehrt Haneke seit 2002 als Professor für Regie.

Haneke ist der Vater von David Haneke. Seit 1983 ist er mit Susie Haneke verheiratet, der Besitzerin eines Antiquitätengeschäfts im achten Wiener Bezirk. Sie hatte in dem Spielfilm Funny Games US eine kleine Nebenrolle.[4] Gemeinsam haben sie vier Kinder und 7 Enkelkinder.

Werke

Während seiner Zeit als Redakteur und Fernsehspieldramaturg beim Südwestfunk (1967–1971) schrieb Haneke sein erstes Drehbuch mit dem Titel Wochenende, das allerdings nicht verfilmt wurde. In den folgenden Jahren arbeitete er als Theaterregisseur zunächst in Baden-Baden (Debüt mit Ganze Tage in den Bäumen von Marguerite Duras), danach in Darmstadt, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, am Bayerischen Staatsschauspiel in München und am Wiener Burgtheater (Das Abendmahl von Peter Sichrovsky, Bühnenbild Hans Hoffer, Kostüme Annette Beaufays, 18. März 1988).

… und was kommt danach? (After Liverpool) (1973), nach einem Text von James Saunders, war Hanekes erster Fernsehfilm. Weitere Fernsehproduktionen waren Sperrmüll (1976), Drei Wege zum See (1976) nach einem Text von Ingeborg Bachmann, Lemminge (1979), Variation (1983), Wer war Edgar Allan? (1984) nach einem Roman von Peter Rosei (mit Rolf Hoppe und Paulus Manker), Fraulein (1985) mit Angelica Domröse, Nachruf für einen Mörder (1991), Die Rebellion (1993) und Das Schloss (1997, nach Franz Kafka mit Ulrich Mühe). Die Tatortfolge Kesseltreiben (1993) wurde nach dem Drehbuch von Haneke gedreht, jedoch war dieser mit der Umsetzung völlig unzufrieden und bestand auf die Nennung des Pseudonyms „Richard Binder“ als Drehbuchautor in der Credit-Sequenz.[5]

Erst mit dem Wechsel zum Kinofilm bei Der siebente Kontinent hat Haneke eigenen Angaben zufolge seine genuine Filmsprache gefunden. Zunächst als Fernsehspiel für Radio Bremen geplant, wurde sein Drehbuch, das erstmals die für ihn charakteristische Protokoll-Form aufwies, abgelehnt, woraufhin Haneke eine Kinoversion in Angriff nahm.

Seine ersten drei Kinofilme fasst er selbst als Trilogie über die Vergletscherung der Gefühle der Menschen zusammen: In Der siebente Kontinent (1989) begeht eine dreiköpfige Familie Selbstmord, in Benny’s Video (1992) filmt der Protagonist, wie er eine Freundin mit einem Bolzenschussgerät tötet, um – wie er es ausdrückt – „zu sehen, wie das ist“, und 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls (1994) handelt von einem Studenten, der Amok läuft.

1997 folgte Funny Games, 2000 Code: unbekannt. Für seinen siebten Kinofilm Die Klavierspielerin mit Isabelle Huppert und Benoît Magimel in den Hauptrollen, die Verfilmung von Elfriede Jelineks gleichnamigem Roman, wurde Haneke 2001 mit dem Großen Preis der Jury in Cannes geehrt. 2002 drehte er in französischer Sprache das Endzeitdrama Wolfzeit, abermals mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle besetzt.

2005 wurden ihm für Caché während der Internationalen Filmfestspiele von Cannes der FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritik und der Preis der ökumenischen Jury verliehen sowie als Bester Regisseur ausgezeichnet. Ferner wurde Caché 2005 beim Europäischen Filmpreis 2005 fünffach ausgezeichnet, darunter als bester Film und für die beste Regie.

Juliette Binoche, Hauptdarstellerin in „Caché“, sagt über die Arbeit des Filmemachers:

„Für mich sind Hanekes Filme notwendige Filme. Von Zeit zu Zeit sollte man sie sich ansehen. Aber sicher nicht immer.“

Am 27. Jänner 2006 stellte Haneke an der Pariser Oper (Aufführung im Palais Garnier) seine erste Operninszenierung vor: Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart (Bühnenbild Christoph Kanter, Kostüme Annette Beaufays, Dirigent Sylvain Cambreling). Haneke ließ das Stück in einem modernen Büro mit Ausblick auf Hochhäuser spielen, Don Giovanni porträtierte er als rücksichtslosen jungen Topmanager.

2007 wurde eine US-amerikanisch-international produzierte Neuverfilmung von Funny Games U.S. vorgestellt, Naomi Watts, Tim Roth und Darius Khondji für die Kamera zählten zu den Mitwirkenden. Haneke stellte seine Erstversion Szene für Szene nach. Er hatte sich vertraglich ausdrücklich die Kriterien „Final Cut“ und „Shot-by-Shot-Remake“ fest zusichern lassen. Nur daher konnte er verhindern, dass von Produzentenseite statt der Musik von John Zorn die von Marilyn Manson durchgedrückt wurde.[6]

An der Filmakademie Wien (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) entstand 2007, unter der Leitung von Haneke, die Verfilmung eines Theaterstückes von Ferdinand Bruckner, Krankheit der Jugend.

Michael Haneke (Cannes 2009)

Zwei Jahre später konkurrierte er mit dem Film Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte erneut im Wettbewerb der 62. Internationalen Filmfestspiele von Cannes, die unter der Leitung von Jurypräsidentin Isabelle Huppert standen. Der Film, mit unter anderem Susanne Lothar, Ulrich Tukur und Burghart Klaußner in den Hauptrollen, ist am Vorabend des Ersten Weltkriegs angesiedelt und schildert die mysteriösen Vorfälle in einem norddeutschen Dorf. Seine fünfte Einladung brachte ihm erstmals die Goldene Palme ein.[7] Das weiße Band gewann außerdem den Europäischen Filmpreis in den Kategorien Film, Regie und Drehbuch, den Golden Globe Award in der Kategorie Bester Fremdsprachiger Film sowie den Deutschen Filmpreis in zehn Kategorien.[8]

2012 stellte Haneke den Spielfilm Liebe fertig, dessen Dreharbeiten Anfang des Vorjahres in Paris begonnen hatten.[9] Darin erzählt er von einem alten französischen Musikprofessorenpaar, das durch den Schlaganfall der Frau (dargestellt von Emmanuelle Riva) aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen wird. Für den Part des Ehemanns konnte Haneke Jean-Louis Trintignant verpflichten, der nach fast zehn Jahren Abwesenheit vom Kino wieder eine Rolle übernahm. Für Liebe, mit Isabelle Huppert in einer Nebenrolle als Tochter, erhielt Haneke 2012 seine sechste Einladung in den Wettbewerb der 65. Internationalen Filmfestspiele von Cannes und seine zweite Goldene Palme.[10] Für seinen Einsatz für das unabhängige Kino wurde er im selben Jahr vom französischen Staatspräsidenten François Hollande zum Ritter der französischen Ehrenlegion erhoben.[11] 2013 folgten der Golden Globe Award für Liebe in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film und fünf Oscar-Nominierungen (Bester Film, Fremdsprachiger Film, Regie, Hauptdarstellerin – Emmanuelle Riva, Originaldrehbuch). Der Film gewann den Academy Award als bester fremdsprachiger Film.

2017 wurde er mit Happy End zum achten Mal zu den Filmfestspielen von Cannes eingeladen und zum siebenten Mal für eine Goldene Palme nominiert.[12]

Filmografie

Opernregie

Auszeichnungen

Darüber hinaus gewann Hanekes Regiearbeit Liebe 2013 als österreichischer Beitrag den Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film sowie den Golden Globe Award in derselben Kategorie. Das weiße Band (Einreichungsland: Deutschland) wurde 2010 ebenfalls für den Oscar nominiert und gewann den Golden Globe.

2016 fanden drei seiner Filme (Caché, Das weiße Band, Liebe) bei der BBC-Wahl zu den 100 bedeutendsten Filmen des 21. Jahrhunderts Berücksichtigung.

Literatur

Veröffentlichungen über Michael Haneke
  • Alexander Horwath (Hrsg.): Der siebente Kontinent: Michael Haneke und seine Filme. Europaverlag, Wien 1991 (215 Seiten), ISBN 3-203-51130-4.
  • Jörg Metelmann: Zur Kritik der Kino-Gewalt: die Filme von Michael Haneke. Wilhelm Fink, München 2003 (298 Seiten), ISBN 3-7705-3825-0.
  • Katharina Müller: Haneke: Keine Biografie. transcript Verlag, Bielefeld 2014 (432 Seiten), ISBN 978-3-8376-2838-8.
  • Daniela Sannwald, Thomas Koebner, Fabienne Liptay (Hrsg.): Film-Konzepte Heft 21: Michael Haneke. Ed. Text + Kritik, München 2011 (100 Seiten), ISBN 978-3-86916-114-3.
  • Christian Wessely u. a. (Hrsg.): Michael Haneke und seine Filme. Eine Pathologie der Konsumgesellschaft. Schüren, Marburg 2008 (2., erw. und verb. Auflage, 416 Seiten), ISBN 978-3-89472-629-4.[20]
  • Catherine Wheatley: Michael Haneke’s cinema : the ethic of the image. Berghahn Books, New York/Oxford 2009, (Film Europa), (234 Seiten), ISBN 978-1-84545-557-6.
  • Michael Haneke. Sonderausgabe von Modern Austrian Literature, 43.2/2010.
  • Fatima Naqvi: Trügerische Vertrautheit – Filme von Michael Haneke. Synema-Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-901644-37-5.
  • Roy Grundmann (Hrsg.): A Companion to Michael Haneke. Wiley-Blackwell, Hoboken 2010, (WBCF – Wiley-Blackwell Companions to Film Directors), (656 Seiten), ISBN 978-1-4051-8800-5.
  • Alexander D. Ornella / Stefanie Knauss (Hrsg.): Fascinatingly Disturbing. Interdisciplinary Perspectives on Michael Haneke's Cinema, Eugene, Pickwick, 2010, ISBN 978-1-60608-624-7.
  • Georg Seeßlen: Spuren der Liebe in den Filmen von Michael Haneke. In: Michael Haneke: LIEBE. Das Buch. Hanser Berlin, München 2012, ISBN 978-3-446-24027-8, S. 173–206.
  • Matthias Wannhoff: Unmögliche Lektüren. Zur Rolle der Medientechnik in den Filmen Michael Hanekes. Kadmos, Berlin 2013, ISBN 978-3-86599-155-3.
  • Günter Helmes: "An einem Tag wie jeder andere" … in einem Film wie kein zweiter. Michael Hanekes Funny Games (1997) als Reflexion auf Gewalt, den Film und den Zuschauer. In: Visualisierungen von Gewalt. Beiträge zu Film, Theater und Literatur, hrsg. von Dagmar von Hoff, Brigitte E. Jirku und Lena Wetenkamp. Berlin: Peter Lang 2018, S. 81–99. ISBN 978-3-631-71763-9.
  • Susanne Kaul / Jean-Pierre Palmier: Michael Haneke. Einführung in seine Filme und Filmästhetik. Fink, Paderborn 2018, ISBN 978-3-7705-6148-3.
  • Gerhard Schneider & Peter Bär (Hrsg.): Michael Haneke. Psychosozial, Gießen 2016, ISBN 978-3-8379-6838-5
  • Marijana Erstić / Christina Natlacen (Hrsg.): Pasolini – Haneke. Filmische Ordnungen von Gewalt. (Heft der Zs. Navigationen. Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften). 14 (2014), 1, 130 S., ISSN 1619-1641.
Gespräche mit Michael Haneke
Veröffentlichungen von Michael Haneke
Commons: Michael Haneke  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Datenbanken und Homepage
Rezensionen und Interviews
Essays und Analysen

Einzelnachweise

  1. Franz Josef Binder im Salzburg-Wiki vom 4. Oktober 2010, abgerufen am 19. März 2012.
  2. Haneke und Waltz sind quasi „verwandt“ (Memento vom 21. Juni 2011 im Internet Archive)
  3. vgl. Michael Haneke. In: Internationales Biographisches Archiv 21/2006 vom 27. Mai 2006 (sp), ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 51/2009 (aufgerufen am 18. Januar 2010 via Munzinger Online)
  4. IMDB Profil Susie Haneke, abgerufen am 29. Januar 2021.
  5. 1 2 Katharina Müller: Haneke: Keine Biografie. 1. Auflage. Transcript, 2014, ISBN 978-3-8394-2838-2, S. 424 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Der Tagesspiegel vom 29. Mai 2008, Michael Haneke über Brutalität und Horrorfilme – und wie man damit umgeht
  7. vgl. Cannes: Michael Haneke gewinnt die Goldene Palme bei tt.com, 24. Mai 2009
  8. vgl. Offizielles Twitter-Profil des Deutschen Filmpreises (aufgerufen am 23. April 2010)
  9. Amour bei timeout.com (abgerufen am 22. April 2012).
  10. Livestream via canalplus.fr, 27. Mai 2012 (französisch).
  11. Michael Haneke erhielt Orden der französischen Ehrenlegion bei derstandard.at, 15. Oktober 2012 (abgerufen am 16. Oktober 2012).
  12. Tiroler Tageszeitung: Haneke mit „Happy End“ im Rennen um Goldene Palme. Artikel vom 13. April 2017, abgerufen am 8. März 2020.
  13. Michael Haneke erhält deutsches Bundesverdienstkreuz. In: DiePresse.com. 6. Juli 2012, abgerufen am 6. Januar 2018.
  14. Ehrenzeichen für Michael Haneke auf ORF vom 18. April 2013 abgerufen am 19. April 2013
  15. religion.orf.at – Michael Haneke wird in Graz Ehrendoktor der Theologie. Artikel vom 8. August 2013, abgerufen am 8. August 2013
  16. Michael Haneke is awarded the Sonning Prize 2014 vom 3. April 2014, abgerufen am 3. April 2014.
  17. orf.at: Deutscher Regiepreis für Michael Haneke; abgerufen am 8. Oktober 2015
  18. orf.at – Michael Haneke erhält Globart Award 2016. Artikel vom 10. August 2016, abgerufen am 10. August 2016.
  19. Michael Haneke in Deutschland ausgezeichnet. In: ORF.at. 17. Dezember 2019, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  20. 3. erw. & aktual. Aufl. ebd. 2012, ISBN 978-3-89472-772-7, 448 S.