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vom 14.05.2014, aktuelle Version,

Nutria

Nutria

Nutria am Fluss Ljubljana in Slowenien

Systematik
Ordnung: Nagetiere (Rodentia)
Unterordnung: Stachelschweinverwandte (Hystricomorpha)
Familie: Stachelratten (Echimyidae)
Unterfamilie: Myocastorinae
Gattung: Myocastor
Art: Nutria
Wissenschaftlicher Name der Unterfamilie
Myocastorinae
Ameghino, 1904
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Myocastor
Kerr, 1792
Wissenschaftlicher Name der Art
Myocastor coypus
(Molina 1782)

Die Nutria (Myocastor coypus), auch Biberratte oder seltener Sumpfbiber, Schweifbiber, Schweifratte, Coypu oder Wasserratte genannt, ist eine aus Südamerika stammende und in Mitteleuropa eingebürgerte Nagetierart. Sie wird entweder in einer eigenen Familie, Myocastoridae, oder als Unterfamilie Myocastorinae innerhalb der Stachelratten (Echimyidae) eingeordnet. Nach neueren molekularen Analysen (aufgrund homologer DNA-Sequenzen, mitochondriale und nukleare Gene) gehört die Gattung unzweifelhaft zu den Echimyidae, sie ist hier der einzige wasserlebende (semiaquatische) Vertreter in einer Gruppe sonst bodenlebender Gattungen[1].

Die Nutria wird gelegentlich mit der aus Nordamerika stammenden Bisamratte verwechselt, die sich gleichfalls in Europa als Neozoon etabliert hat, allerdings kleiner ist und einen seitlich abgeplatteten Schwanz hat.

Erscheinungsbild

Erscheinungsbild
Erwachsene Nutria mit den typischen orangefarbenen Nagezähnen
Schädel aus vier Perspektiven; deutlich sichtbar ist die Anlage der Nagezähne

Die Nutria erreicht eine Körperlänge von bis zu 65 cm und wiegt erwachsen zwischen acht und zehn Kilogramm. Ihr runder, schuppenbedeckter, kaum behaarter Schwanz hat zudem eine Länge von etwa 30 bis 45 Zentimetern. Die Tiere erreichen damit fast dieselbe Körpergröße wie ein Biber. Männliche Nutrias werden generell etwas größer als die Weibchen. An den Hinterfüßen haben sie jeweils zwischen den ersten vier Zehen Schwimmhäute. Auffällig ist bei erwachsenen Tieren auch die orange Färbung der Nagezähne – diese wird durch Eiseneinlagerung hervorgerufen.

Die Fellfarbe ist rötlichbraun, an der Bauchseite leicht gräulich. Aus Pelztierzuchten entflohene Tiere zeigen daneben eine Reihe farblicher Varianten. Bei ihnen kommen hellgraue, dunkelgraue, schwarze, braune, rötliche, gelbliche oder fast weiße Fellfarben vor.

Die Zahnformel weicht von der der meisten Nagetiere dadurch ab, dass sie neben den Molaren noch über jeweils einen Prämolar verfügt. Dies ist ein charakteristisches Merkmal der Meerschweinchenartigen (Cavioidea), für die folgende Formel gilt:

Zahnformel

Vorkommen

Die ursprüngliche Heimat der an Flüssen, Seen, Teichen und in Sümpfen lebenden Nutria ist das subtropische und gemäßigte Südamerika. Dort kommt sie vom südlichen Brasilien bis nach Feuerland vor und stand im 19. Jahrhundert kurz vor der Ausrottung. Grundsätzlich leben die Tiere sehr standorttreu und verteidigen engagiert ihr Revier.

Nutrias gelten heute als in weiten Teilen Nordamerikas und Eurasiens eingebürgert.

Der Bestand in Eurasien ist auf aus Pelztierfarmen entflohene Tiere wie auch auf bewusste Auswilderungen zurückzuführen. Die Haltung in Europa begann ca. 1890 in Frankreich, erste Farmen in Deutschland bestanden seit 1926[2]. Ab ca. 1930 wird bereits mit Populationen in Deutschland gerechnet, die auf verwilderte Tiere zurückgehen[3]. Der Hauptabnehmer für Nutriafelle war nach dem Zweiten Weltkrieg die Bundesrepublik Deutschland. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wandte sich das Modeinteresse auch in Deutschland vom Nutriapelz ab, gleichzeitig ging der deutsche Pelzabsatz ganz erheblich zurück. Entkommene Tiere konnten sich aufgrund einer so gut wie nicht stattfindenden Bejagung stark vermehren.

In den USA wurden in den 1930er-Jahren die ersten Tiere nach Louisiana exportiert. Dort wurden sie wegen der Felle in Pelztierfarmen gehalten. Von dort aus haben wieder so genannte Gefangenschaftsflüchtlinge aufgrund des für Nutrias günstigen lokalen Klimas und ihrer hohen Vermehrungsrate sehr schnell eine nach Millionen zählende Population begründet. Auch gezielte Auswilderungen kamen vor.

Vereinzelte Vorkommen gibt es zudem in Kenia (am Naivashasee), Japan (südlich der Stadt Okayama) und West-Australien.

bei der Nahrungsaufnahme

In Deutschland ist die Nutria an etlichen Gewässern in allen Bundesländern zu finden. Größere und weitgehend beständige Populationen gibt es unter anderem an den Flüssen Niers, Schwalm und Cloer am Niederrhein und an Spree und Saale im Osten Deutschlands, insbesondere im Spreewald. Meistens sind die Tiere, insbesondere in Parkanlagen oder auf Golfplätzen, an den Besuch von Spaziergängern gewöhnt und lassen sich ohne viel Scheu mit Gemüse füttern. Eine wirklich starke Verbreitung findet in Deutschland allerdings nicht statt, weil Mitteleuropa den verwilderten Farmtieren kein günstiges Klima bietet. Manche Populationen brechen daher nach wenigen Jahren wieder zusammen. In Österreich beschränkt sich der Bestand auf vereinzelte, in der Regel kurzlebige Populationen, die harte Winter regelmäßig nicht überdauern. Die Art ist dort nicht sicher dauerhaft etabliert[4].

Lebensweise

Schwimmend
Junge
Farbvariante „Gold“
Im Schilfbereich
Im Zagreber Zoo, Kroatien

Nutrias sind sowohl tag- als auch nachtaktiv, insbesondere dämmerungsaktiv. Sie sind fast reine Vegetarier und ernähren sich vorwiegend von Blättern, Stängeln, Wurzeln von Wasserpflanzen und Hackfrüchten. Seltener werden auch Schnecken, Würmer und Süßwassermuscheln gefressen.[5]

Die Tiere leben entweder paarweise oder in Gemeinschaften von etwa 12 bis 15 Tieren. Diese umfassen dann in der Regel die Eltern und eigene Nachkommen. In ihrer Heimat sind sie zumeist sogar koloniebildend (= größere Gruppen). Sie leben monogam und können sich zu jeder Jahreszeit fortpflanzen. Nach einer Tragzeit von 19 Wochen bringt das Weibchen 6 bis 8 recht weit entwickelte, sehende und voll behaarte Junge zur Welt, die nach 5 Monaten geschlechtsreif sind. Zwei bis drei Würfe pro Jahr sind möglich.

Als Bauten dienen selbstgegrabene Erdbaue im Uferbereich oder „Nester“ aus langblättrigen Pflanzen (Schilf) und dünneren Stöcken, deren Eingänge im Gegensatz zum Bisam und zum Biber oberhalb der Wasserlinie liegen (Unterscheidungsmerkmal). Nutrias können über zehn Jahre alt werden. Sie halten keinen Winterschlaf.[6]

Nutzung

Die Nutria ist ein Pelzlieferant. Die Felle sind vor allem wegen ihrer dichten und äußerst feinen Unterwolle begehrt. Wegen des eher unattraktiven Oberhaars werden sie meist gerupft oder geschoren. Für die Fellnutzung siehe den Hauptartikel Nutriafell.

Nutrias wurden vermutlich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts bewusst in Deutschland eingeführt und zwecks Nutzung ausgewildert. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die freilebenden Bestände wegen der damals sehr hohen erzielten Preise für Nutriapelze (Robbenfellersatz) durch intensive Bejagung weitgehend ausgerottet,[5] mit Zunahme der Zucht und dem späteren Abflauen der samtigen Optik in der Pelzmode trat eine Bestandserholung ein.

Die damaligen europäischen Bestände stammten noch von südamerikanischen Wildtieren ab, sie hatten gegenüber den heutigen Beständen, die aus Nachkommen von langjährigen Zuchtlinien bestehen, deutlich besser ausgeprägte Überlebensfähigkeiten.[5] Erst in den 1920er Jahren gelang es dann mit aus Argentinien importierten Nutrias, diese in Gefangenschaft zu halten und zu züchten. Zwischen 1930 und 1940 gab es in Deutschland insgesamt über 1000 Nutria-Farmen, die jährlich fast 100.000 Felle lieferten.[5] Wegen des Zweiten Weltkriegs ging dieser noch junge Erwerbszweig stark zurück, erstarkte in den 1950er Jahren jedoch wieder, um dann bis heute – vor allem modebedingt – wieder sehr zu schrumpfen.

Ferner gilt Nutriafleisch als sehr schmackhaft, gelegentlich auch als „Biber“ (von Sumpfbiber abgeleitet) auf den Speisekarten. 1958 heißt es, „Das Fleisch der Nutria ist als Genussmittel geschätzt, insbesondere in Südamerika bei der einheimischen Bevölkerung und den Jägern. Es ist sehr zart und wohlschmeckend. Im Geschmack kommt es etwa dem Spanferkel gleich. Überdies bemüht sich die argentinische Regierung, den Konsum von Nutriafleisch zu heben, um die Rentabilität der Farmzucht zu erhöhen.“[7] Ein Fachbuch für Pelztierzüchter der DDR aus dem Jahr 1953 beschreibt die Verarbeitung des Fleischs zu Rouladen, Mettwurst, Kochsalami und mittels Räuchern zu Landjägern.[8] Nicht nur in Teilen Nordamerikas sind ausgewilderte Nutrias sehr zur Plage geworden, in Louisiana wurde mit einem Aufwand von 2,1 Mio. US$ für den Verzehr von Nutriafleisch geworben, „um die Plage aufzuessen“.[9] – Vor dem Verzehr ist in Deutschland eine Trichinenschau wegen möglicher Trichinen-Infektionen Pflicht.

Schäden

Video: Biberratten-Population in Weilerswist

Es wird gelegentlich von Schäden an Feldfrüchten in der Landwirtschaft und in Kleingärten berichtet. In der Regel sind in Deutschland die verursachten Schäden in Bezug auf den Wasserbau durch Grabungen in Uferbereichen gering, bzw. bei renaturierten Gewässern unproblematisch.

Aus Sicht der Wasserwirtschaft ist es positiv, dass Nutrias die ebenfalls eingebürgerten Bisamratten (welche erhebliche Schäden an den Wasserwegen verursachen) zurückdrängen, auch sind ihre Bestände gut kontrollierbar. Verbreitete Ansicht ist, dass es in Mitteleuropa keinen Grund gibt, sie grundsätzlich zu bekämpfen.

Literatur

  • Mario Ludwig, Harald Gebhard, Herbert W. Ludwig, Susanne Schmidt-Fischer: Neue Tiere & Pflanzen in der heimischen Natur. Einwandernde Arten erkennen und bestimmen. BLV, München u. a. 2000, ISBN 3-405-15776-5.
  • Johannes Klapperstück: Der Sumpfbiber. (Nutria) (= Die Neue Brehm-Bücherei. Bd. 115). 3., unveränderte Auflage, Nachdruck der 2. Auflage von 1964. Westarp-Wissenschaften-Verlags-Gesellschaft, Hohenwarsleben 2004, ISBN 3-89432-162-8.
  • Lauren E. Nolfo-Clements: Seasonal variations in habitat availability, habitat selection, and movement patterns of Myocastor coypus on a subtropical freshwater floating marsh. New Orleans LA 2006, (New Orleans LA, Tulane University, phil. Dissertation, 2006).
  • Caroline Biela: Die Nutria (Myocastor coypus Molina 1782) in Deutschland – Ökologische Ursachen und Folgen der Ausbreitung einer invasiven Art. München 2008, (München, Technische Universität, Diplom-Arbeit, 2008), (PDF-Datei; 6,68 MB).

Einzelnachweise

  1. Thomas Galewski, Jean-François Mauffrey, Yuri L. R. Leite, James L. Patton, Emmanuel J. P. Douzery: Ecomorphological diversification among South American spiny rats (Rodentia; Echimyidae): a phylogenetic and chronological approach. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Bd. 34, Nr. 3, March 2005, ISSN 1055-7903, S. 601–615, doi:10.1016/j.ympev.2004.11.015.
  2. Erich Bettag: Zum Stand der Einwanderung und Verbreitung des Nutria in Rheinland-Pfalz. In: Mainzer naturwissenschaftliches Archiv. Beiheft 10, 1988, ISSN 0174-6626, S. 22–26, zitiert nach: Daniel Scheide: Ökologie, Verbreitung, Schäden und Management von „Myocastor coypus“ in Deutschland im internationalen Vergleich., ISBN 978-3-656-31835-4 (Trier, Universität, Diplomarbeit, 2012).
  3. Harald Gebhardt: Ecological and economic consequences of introductions of exotic wildlife (birds and mammals) in Germany. In: Wildlife Biology. Bd. 2, Nr. 3, 1996, ISSN 0909-6396, S. 205–211, Abstract.
  4. Ruth M. Wallner (Red.): Aliens. Neobiota in Österreich (= Österreich. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Grüne Reihe des Lebensministeriums. Bd. 15). Böhlau, Wien u. a. 2005, ISBN 3-205-77346-2, S.111.
  5. 1 2 3 4 Josef H. Reichholf: Säugetiere. (140 europäische Arten). Mosaik-Verlag, München 1983, ISBN 3-570-01182-8 (Neue, bearbeitete Sonderausgabe, 5. Druck. ebenda 1996, ISBN 3-576-10565-4), S. 120–121: Artmonographie Nutria.
  6. George A. Feldhamer, Bruce C. Thompson, Joseph A. Chapman (Hrsg.): Wild Mammals of North America. Biology, Management and Conservation. 2nd edition, revised. Johns Hopkins University Press, Baltimore MD u. a. 2003, ISBN 0-801-87416-5, S. 1134, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  7. Paul Schöps, Herbert Grüner, Kurt Häse, Franz Schmidt: Fellwerk vom Sumpfbiber (Nutria). In: Das Pelzgewerbe. Schriften für Pelzkunde und Pelzindustrie. NF Bd. 9, 1958, ZDB-ID 1008085-5, S. 202–206, hier S. 204.
  8. Kurt Kempe: Das Pelztierbuch. 2., erweiterte Auflage. Deutscher Bauern-Verlag, Berlin 1952, S. 36–38.
  9. Arbeitsgruppe Neozoen - Allgemeine und Spezielle Zoologie Universität Rostock: Neue Tiere In Deutschland – Steckbriefe.
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