Rudolf Jettmar
Rudolf Jettmar (* 10. September 1869 in Zawodzie bei Tarnów, Galizien; † 21. April 1939 in Wien) war ein österreichischer Maler und Grafiker.
Jettmar studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien und wirkte an dieser Institution von 1910 bis zu seiner Emeritierung 1936 als Professor. 1929 wurde er als Nachfolger von Ferdinand Schmutzer Leiter der Meisterklasse für Grafik. Jettmar unterrichtete auch ab 1898 an der Frauenkunstschule, der späteren Wiener Frauenakademie. Ab 1898 war er Mitglied der Wiener Secession. Jettmars Werk ist beeinflusst von dem Max Klingers, er gilt wie dieser als bedeutender Repräsentant des Symbolismus. Die Stunden der Nacht, Prometheus (1910 und 1916) und die acht Radierungen des Zyklus Kain nach Lord Byron zählen zu seinen wichtigsten graphischen Werken. Von Jettmar stammen unter anderem die Seitenaltarbilder der Kirche am Steinhof. Jettmars malerisches Hauptwerk Weg des Lebens aus dem Jahr 1909 wurde im Krieg zerstört. Jettmar starb an den Folgen eines Schlaganfalls. Die österreichische Post widmete ihm zu seinem 50. Todestag eine Sondermarke. Im Jahr 1954 wurde in Wien-Liesing (23. Bezirk) die Jettmargasse nach ihm benannt. Die wenigen verbliebenen Ölbilder (Landschaftsbilder, griechische Mythologie) sowie Radierungen sind überwiegend in Familienbesitz.
Leben
Rudolf Jettmar war der Sohn von Karl Jettmar, eines Salinenverwalter. Die Familie kehrte bald nach seiner Geburts in ihre Heimat Westböhmen zurück. Seine Mutter starb 1874. Jettmar befasste sich seit seiner Kindheit mit Zeichnen, Malen und Musizieren. 1885 übersiedelte er zum Musikstudium nach Wien. Gegen den Willen seines Vaters studierte er an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Franz Rumpler, Christian Griepenkerl und August Eisenmenger. Die ausbleibende Unterstützung des Vaters brachte ihn in eine wirtschaftlich schwierige Lage. Von 1892 bis 1893 studierte Jettmar an der Badischen Kunstakademie Karlsruhe. Er begann sich mit dem Werk Anselm Feuerbachs auseinanderzusetzen. Eine Fußreise über die Alpen führte ihn nach Italien. Es war die erste seiner insgesamt 28 Italien-Reisen. Jettmar wirkte von 1894 bis 1895 als Dekorationsmaler in Leipzig und Dresden. 1895 erhielt er den Rompreis und verbrachte ein halbes Jahr in Italien. Von 1897 bis 1898 absolvierte er ein Akademiestudium in Wien an der Meisterschule für Graphische Künste bei Unger. Seine ersten Radierungen entstanden.
Jettmar wurde 1898 in die Wiener Secession aufgenommen und arbeitete an der Jugendstilzeitschrift Ver Sacrum mit. 1902 beteiligte er sich an der Beethoven-Ausstellung der Secession. Von 1903 bis 1904 arbeitete er am Radierungszyklus Stunden der Nacht. Er heiratete 1907 Maria Mayer. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Ebenfalls 1907 entstanden seine Seitenaltarmosaiken in der Otto-Wagner-Kirche „Am Steinhof“. Ein Jahr später schuf er ein Deckenbild im Palais Wittgenstein in Wien, das später im Krieg zerstört wurde. Jettmar wurde 1910 zum o. Akademieprofessor ernannt und nahm mit Herkulesbildern an der Internationalen Jagdausstellung teil. 1914 entstand sein (erhaltenes) Deckengemälde im Meraner Kurhaus. Am Radierungszyklus zu Byrons Kain arbeitet er von 1919 bis 1920. Seine Ehe zerbrach 1921. Im Jahr 1924 wurde Rudolf Jettmar Leiter der Meisterschule für Malerei und 1928 Leiter der Meisterschule für Graphik. Er erkrankte 1934 und musste sich wiederholten Eingriffen unterziehen. Selbst als Geiger tätig, wurde er 1935 Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker. Jettmar starb vier Jahre später an den Folgen eines Schlaganfalls.
Rudolf Jettmar war Mitglied im Deutschen Künstlerbund.[1] Er wurde in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof bestattet.[2]
Werk
Der Künstler wurde im gleichen Jahrzehnt geboren wie Munch, von Stuck, van der Velde, Toulouse-Lautrec. Er gehört somit zur Generation die die Kunst der Jahrhundertwende trägt. Von seinem Gesamtwerk her ist er eher eine Randerscheinung des Wiener Jugendstils, selbst jedoch ist er eine zentrale Figur des Wiener Spät-Symbolismus, dem Dresdner Max Klinger vergleichbar. Er lässt sich in eine künstlerische Tradition von Böcklin, Feuerbach, Klinger bis hin zu dem Wiener Phantasten Ernst Fuchs einreihen.
Den am stärksten vom Jugendstil geprägten Teil seines Werkes bilden die Holzschnitte für die bibliophile Jugendstilzeitschrift Ver Sacrum.
Der weitaus größere Teil seines Werkes ist nicht so unmittelbar zugänglich wie die genannten Holzschnitte (da symbolistisch inhaltsschwer und weniger dekorativ). Das graphische Werk und die Ölbilder bedürfen der geistigen Auseinandersetzung, zumindest aber erklärender Worte: drei Hauptthemen: die Landschaft, die menschliche Figur und die Mythen.
Die Landschaftsdarstellungen beruhen wohl teilweise auf dem Kindheitseindruck der böhmischen Urlandschaft, gewaltige Felsen und (entwurzelte) Bäume bilden eine monumentale Kulisse. Oft sind die Menschen darin klein, hilflos. Die menschenleeren Abendstimmungen hingegen freundlich, voller Ruhe. Es handelt sich hier nicht um die Landschaftsdarstellung der Romantik, sondern um Seelenlandschaften aus dem Inneren des Künstlers (vergleichbar Böcklin).
Erhalten sind die anatomischen Studienblätter, zwar wird der menschliche Körper anatomisch exakt wiedergegeben, doch werden teilweise extreme „unakademische“ manieristische Haltungen gesucht. Die Körper sind oft hingeworfen, weggeworfen, bäumen sich auf in Kampf und Zorn.
In konsequenter Selbstbescheidung verwendet Jettmar als Sujet Mythen der Antike, keineswegs im Sinne der akademischen Historienmalerei. Im Rückblick zeigen Themen Bezug zu den Archetypen der Psychoanalyse C.G. Jungs. Der Mythos ist hier nicht fiktive Vorgeschichte, sondern außerzeitliche Realität. Hier sind die Entscheidungen bereit erfolgt bevor das Schauspiel in unserer Ebene beginnt. In dieser „außerzeitlichen Realität“ ist das Schicksal des Menschen, sein Wollen und Streben bereits niedergelegt.
Die zwei Prometheus-Radierungen von 1910 und 1916 in ungewöhnlich großem grafisch schwer zu bewältigendem Format: Prometheus der Menschenfreund brachte den Menschen das Feuer (die Erleuchtung), Göttervater Zeus ließ ihn zur Strafe an den Felsen schmieden, der Adler hackt ihm jeden Tag ein Stück der nachwachsenden Leber heraus bis ihn Herkules rettet – wir dürfen wohl mit Recht davon ausgehen, der Künstler versteht sich hier selbst in der Rolle des Prometheus.
- Acht Radierungen zu Byrons Kain
Diese in den Jahren 1919 bis 1920 entstandenen Blätter sind als Hauptwerk des radierten Werkes anzusprechen. Sie sind thematisch den Prometheus-Blättern und den zwei Blättern zu Miltons „Paradise Lost“ in der Auflehnung des Menschen gegen das gottgegebene Schicksal verwandt.
Das epische Gedicht Lord Byrons weicht von der biblischen Geschichte deutlich ab, beeinflusst durch die Theorien des französischen Natur-forschers Cuvier. Dieser setzt die Abfolge mehrerer lebensvernichtender Erdkatastrophen jeweils einer neu entstandenen Flora und Fauna gleich. Byron fügt hier das Kain-Schicksal in ein verschwundenes Riesen-geschlecht ein.
Die Offenbarung des gefallenen Engels Luzifer zeigt Kain die verworfenen Geschöpfe der Vorwelt. Auch die Menschheit wird diesen Weg nehmen, sie wurde vom Schöpfergott willkürlich geschaffen, wird ebenso willkürlich wieder vernichtet werden. Kain wird sich dieser Willkür des Schöpfergottes bewusst, von Luzifer aufgeklärt ist er nun einsam. Die Mitmenschen hingegen leben weiter in der Illusion des „gütigen Gottes“. Nach dieser Bewusstwerdung erschlägt Kain in tragischer Auflehnung gegen den doktrinären Glauben seinen tiefgläubigen Bruder Abel. Die Trennung ist nun besiegelt, der Tod in der Welt.
Byrons Werk ist gekennzeichnet durch religiösen Skeptizismus, furchtloses Eintreten für intellektuelle Freiheit und Auflehnung gegen eine bequeme Konformität. Diese innere Haltung darf auch bei Jettmar vorausgesetzt werden, die Radierungen sind weit mehr als reine Illustration. Das dichterische Werk Byrons wurde von Jettmar in das Medium der Graphik umgesetzt. In altmeisterlicher Technik fand hier die neuzeitliche Geisteshaltung des Existenzialismus ihren Ausdruck.
Einzelnachweise
- ↑ kuenstlerbund.de: Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903 / Jettmar, Rudolf (Memento des Originals vom 10. November 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (abgerufen am 2. September 2015)
- ↑ Rudolf Jettmar in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at
Literatur
- Hans Bisanz: Bilder von hellen und dunklen Mythen, Ausstellungskatalog 1989
- Zdrawka Ebenstein: Jettmar, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 428 f. (Digitalisat).
- Hans Hellmut Hofstätter: Rudolf Jettmar, Wien 1984
- Simbolismo-Secessione, Jettmar ai confini dell' impero. Ausstellungskatalog, Gorizia 1992
- Emmanuel Bénézit: Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs dessinateurs et graveurs. Édition Gründ, Paris 1999, Band 7, S. 532, ISBN 2-7000-3017-6.
- René Schober: Rudolf Jettmar (1869–1939): ein Symbolist an der Wiener Akademie. Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien 2020, ISBN 978-3-903316-09-6.
Weblinks
- Literatur von und über Rudolf Jettmar im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- aeiou Zur Sondermarke
- Ehrengrab Rudolf Jettmar am Wiener Zentralfriedhof - viennatouristguide.at
Personendaten | |
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NAME | Jettmar, Rudolf |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Maler und Grafiker |
GEBURTSDATUM | 10. September 1869 |
GEBURTSORT | Zawodzie bei Tarnów, Galizien |
STERBEDATUM | 21. April 1939 |
STERBEORT | Wien |
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Illustration zu "Das verlorene Paradies" von John Milton | Reprografie aus Kunstbuch | Jettmar, Rudolf (1869 - 1839) | Datei:Rudolf Jettmar - Bau der Höllenbrücke.jpeg |