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vom 13.01.2015, aktuelle Version,

Sebastiano Serlio

Sebastiano Serlio (* 6. September 1475 in Bologna; † ca. 1554 in Fontainebleau) war ein italienischer Architekt und Architekturtheoretiker. Durch seinen Traktat Sieben Bücher zur Architektur wurde er zu einem der einflussreichsten Architekturschriftsteller des 16. Jahrhunderts.

Leben

Serlio lernte zunächst bei seinem Vater in Bologna die Malerei, was ihm eine gründliche Kenntnis der Perspektivkonstruktion verschaffte, und kam durch seine Tätigkeit bei Baldassare Peruzzi in Rom (ab 1514) zur Architektur. Nach der Plünderung Roms 1527 im Sacco di Roma ging er 1528 nach Venedig, 1541 siedelte er nach Frankreich über, um in den Dienst des französischen Königs Franz I. zu treten. Seine letzten Jahre verbrachte er in Lyon.

Die Sette Libri d’architettura

Titelseite des „besonderen Buches“, zuerst französisch bei Jean de Tournes erschienen 1551

Serlio war als Grafiker Mitarbeiter von Peruzzi. Von diesem übernahm Serlio den Plan zu einem Werk über die fünf klassischen Ordnungen. Bei seinem Tode vererbte Peruzzi auch seine Zeichnungen von antiken römischen Bauten an Serlio, der so eine bedeutende Grundlage für die Illustrationen seiner sieben Bücher hatte. Dieser Umstand führte dazu, dass Serlio durch Giorgio Vasari und seine Nachfolger als geistloser Plagiator dargestellt wurde, eine Behauptung, die durch einen Vergleich der Manuskripte Peruzzis und Serlios entkräftet werden kann.

In Venedig bewarb sich Serlio 1528 beim Senat um die Urheberrechte für die Illustrationen zu den fünf Ordnungen der Architektur (toskanisch, dorisch, ionisch, korinthisch und Komposit), von denen jedoch nur neun Stiche veröffentlicht wurden.

Aus den Vorarbeiten Peruzzis entwickelte Serlio den Plan für ein mehrbändiges Werk, das alle Aspekte der klassischen Architektur umfassen sollte. Am Anfang stehen Geometrie (erstes Buch) und Perspektive (zweites Buch). Dann werden architektonische Vorbilder der antiken Architektur Roms (drittes Buch) und architektonische Ordnungssysteme (viertes Buch) vorgestellt. Die Gestaltung von Tempeln ist das Thema des fünften Buches. Das sechste behandelt Wohnhäuser für alle Schichten vom einfachen Bauern bis zum König. Im siebten Buch werden die besonderen Umstände beschrieben, die einem Architekten bei seiner Arbeit begegnen können. Dazu zählen Besonderheiten des Grundstücks, Umnutzungen vorhandener Bausubstanz etc.

Die Bücher erschienen allerdings nicht gemeinsam und zusammenhängend, sondern zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten in dieser Reihenfolge:[1]

  • Das vierte Buch über die allgemeinen Regeln: Venedig 1537.
  • Das dritte Buch mit Bauaufnahmen von antiken Bauten in Rom und anderen Gegenden Italiens: Venedig, 1540.
  • das erste und zweite Buch über Geometrie und Perspektive: Paris 1545.
  • das fünfte Buch über die Tempel: Paris 1547.
  • ein „besonderes Buch“ (extraordinario libro) über die Gestaltung von Portalen: Lyon 1551.
  • Das siebte Buch über besondere Situationen und über Renovierung bestehender Gebäude: Frankfurt 1575.

Das siebte Buch erschien also nach Serlios Tod, das sechste und achte Buch wurden erst im 20. Jahrhundert aus den Handschriften ediert. Zusammen mit dem extraordinario libro sind es also insgesamt neun Bücher, die Serlio verfasste, doch erschienen im 16. Jahrhundert (einschließlich des extraordinario libro) nur sieben, daher die Bezeichnung Sette Libri.

Serlio arbeitete an diesen Büchern gleichzeitig, in Buch IV, erwähnt er, dass die anderen Bücher bereits begonnen sind. Obwohl die Bücher zweifelsohne dazu bestimmt sind, sie als ein gesamtes Werk zu lesen, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Serlio je geplant hatte, die einzelnen Bücher als Band in einer Ausgabe zu veröffentlichen. Die Bücher können sowohl in ihrer chronologischen Reihenfolge der Veröffentlichung, also, IV, III, I, II und V gelesen werden als auch in numerischer Reihenfolge. In Buch I erwähnt Serlio, dass er dieses deswegen nicht als erstes veröffentlicht habe, weil die Bände über Geometrie und Perspektive möglicherweise von der Mehrheit der Leute nicht sehr gemocht worden wären, da die Figuren nicht sehr attraktiv seien und es nicht soviel Freude mache diese Subjekte zu studieren, wie die Eigenschaften der Architektur.

Serlio verfasste zwei Manuskripte zum sechsten Buch, die jedoch bis ins zwanzigste Jahrhundert unveröffentlicht blieben. Die Manuskripte liegen heute in der Columbia University und in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Sie wurden erst durch eine Untersuchung von William Bell Dinsmoor im Jahr 1942 bekannt. Ob Serlio auch das Manuskript zu einem achten Buch über Militärarchitektur fertiggestellt hatte, ist ungewiss. Das besondere des unveröffentlichten Manuskripts ist, dass nicht nur, wie bei Alberti und Palladio, Bauten für die oberste Schicht beschrieben wurden, sondern Architektur für die gesamte Gesellschaft, vom Bauern bis zum König.

Übersetzungen Serlios in andere Sprachen

Die Bücher wurden in der Folgezeit in verschiedenen Zusammenstellungen nachgedruckt und übersetzt. Das Werk wurde noch vor Ende des 16. Jahrhunderts zum meistgelesenen Traktat über Architektur. Die erste Übersetzung erschien in flämischer Sprache 1539 in Antwerpen. Es folgten schon zur Mitte des 16. Jahrhunderts Ausgaben in Französisch (Antwerpen 1542, 1545, 1550), Deutsch (Basel, 1542, 1558), Spanisch (Toledo 1552, 1563, 1573). Serlio wurde damit zum einflussreichsten Architekturschriftsteller in Europa und den spanischen Kolonien in Lateinamerika. Am wirkungsmächtigsten war das vierte Buch mit der Lehre von den Säulenordnungen. Dazu erschienen auch Adaptionen, etwa vom Deutschen Hans Blum.

Das neue an Serlios Werk ist, dass es sich nicht, wie bei seinen Vorbildern Vitruv und Leon Battista Alberti, um ein literarisches Essay handelt. Bei Serlio steht die grafische Illustration im Mittelpunkt, wobei in der Regel zu einer Illustration eine knappe Seite erklärender Text hinzugefügt wird. Dadurch war Serlios Werk auch für wenig vorgebildete Leser verständlich, ganz im Gegensatz zu den komplexen, theoretischen Texten seiner Vorgänger.

Schüler und Nachahmer

Das Konzept von Serlios Traktat wurde von Giacomo Barozzi da Vignola, Vincenzo Scamozzi und Andrea Palladio aufgenommen und wurde dadurch zum beherrschenden Konzept für die Vermittlung von architektonischen Vorstellungen bis ins 20. Jahrhundert.

In die Architekturgeschichte ist der von seinem Namen abgeleitete Begriff der Serliana eingegangen. Darunter versteht man ein dreiteiliges Ensemble, in dessen Mitte sich eine Arkade befindet, die zu beiden Seiten von zwei hochrechteckigen Öffnungen flankiert wird, wobei die obere ein Drittel der unteren ausmacht (z. B. Palazzo Grimani a San Luca von Michele Sanmicheli am Canal Grande).

Bauten

Der Erfolg der Regole generali, des Buch IV brachte ihm eine Berufung an den Hof des französischen Königs Franz I. ein. Er trug zwar den Titel „peintre et architecteur ordinaire“ für Fontainebleau mit üppigem Jahresgehalt, doch war das faktisch ein Ehrenposten. Für den König arbeitete Serlio kaum, eher für adlige Auftraggeber; sein Hauptwerk in Frankreich z. B., Schloss Ancy-le-Franc (1541–50), baute er für den dortigen Grafen, für Kardinal Ippolito II. d’Este die Residenz La Grande Ferrare am Schloss Fontainebleau, für die auch ein schöner Entwurf eines Jeu de Paume bestimmt war, ein Tennisplatz. Manches zugeschriebene Werk ist umstritten, einiges zerstört. War er schon als Maler und Architekt in Frankreich kaum gefragt, so wurde er als Gutachter nicht ein einziges Mal herangezogen, wie er gegen Ende seines Lebens klagte.

Zitate

„Serlio hat mit seinen Büchern stärker in die reale Architektur […] hineingewirkt als irgendein Architekturschriftsteller vor ihm oder nach ihm.“

Hanno-Walter Kruft : Geschichte der Architekturtheorie. 3. Auflage. München, S. 87

“It was a new conception in architectural writing though it has since become so general, that we tend to forget that it was an innovation which we owe to him. Instead of composing an litarary essay accompanied by illustrations, he planned to make the illustrations the main body of the work, each to be providing with a commentary more or less brief as the nature of the case demanded, the ideal being one page of text opposite or accompanying each drawing.”

„Es war ein neues Konzept der Architekturschriftstellerei, doch weil es sich seither so allgemein verbreitet hat, vergessen wir meistens, dass es eine Innovation war, die wir ihm verdanken. Statt einen literarischen Essay zu verfassen, der von Illustrationen begleitet wird, plante er, die Illustrationen zum Hauptteil des Werkes zu machen, jede mit einem Kommentar versehen, der je nach den Anforderungen der Sache mehr oder weniger kurz war, idealerweise mit einer Seite Text gegenüber oder begleitend zu jeder Zeichnung.“

William Bell Dinsmoor : The literary remains of Sebastiano Serlio: 1. In: Art Bulletin. Jg. 24 (1942), H. 1, S. 55–91.

Werke

  • Sette libri dell’architettura, Forni, Sala Bolognese, 1978
    1. Libri I.–IV.
    2. Libri V.–VII.
  • Vaughan Hart, Peter Hicks, Hrsg.: Sebastiano Serlio on Architecture Volume One: Books I–V of ‘Tutte L’Opere D’Architettura et Prospetiva’. Yale University Press, New Haven / London, 1996, ISBN 0-300-06286-9
  • Vaughan Hart, Peter Hicks, Hrsg.: Sebastiano Serlio on Architecture Volume Two: Books VI and VII of ‘Tutte L’Opere D’Architettura et Prospetiva’, with ‘Castrametation of the Romans’ and ‘The Extraordinary Book of Doors’. Yale University Press, New Haven / London, 2001, ISBN 0-300-08503-6

Literatur

  • Sabine Frommel: Sebastiano Serlio, architetto. Electa, Mailand 1998, ISBN 88-435-5473-5
  • Myra N. Rosenfeld: Sebastiano Serlio on Domestic Architecture. Different dwellings from the meanest hovel to the most ornate palace. MIT Press, Cambridge, Mass. 1978, ISBN 0-262-19174-1
  • William Bell Dinsmoor: The literary remains of Sebastiano Serlio. In: The Art Bulletin. Bd. XXIV (1943), S. 55–91, 115–154

Einzelnachweise

  1. Hanno-Walter Kruft: Geschichte der Architekturtheorie. 3. Auflage. München 1991, S. 81
  Commons: Sebastiano Serlio  – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • Serlio, Sebastiano: Tutte l’opere d’architettura di Sebastiano Serlio Bolognese (Venetia, 1584). Universitätsbibliothek Heidelberg; abgerufen am 8. Februar 2014 (digitalisierte Ausgabe der Sieben Bücher, Venedig 1584).
  • Exposiciones virtuales. Tercero y cuarto libro de arquitectura de Sebastian Serlio. Universidad de Navarra; abgerufen am 8. Februar 2014 (spanisch, Informationen über die spanischen Ausgaben Serlios in der Übersetzung durch Francisco de Villalpando).
  • Architectura. Books on Architecture. Centre d’Études Supérieures de la Renaissance (Université François-Rabelais, Tours); abgerufen am 8. Februar 2014 (englisch, Liste abrufbarer Digitalisate).
  • Marcus Frings: Sebastiano Serlios „Regole“. Theorie und Praxis der Säulenordnungen in der italienischen Renaissance. Technische Universität Darmstadt; abgerufen am 8. Februar 2014 (Seminar).