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vom 24.09.2012, aktuelle Version,

Stift Vorau

Kirchentrakt

Das Augustiner-Chorherrenstift Vorau liegt in der nordöstlichen Steiermark (Österreich), in der Gemeinde Vorau.

Geschichte

Stift Vorau, Festungsartiger Eingang

Mittelalter

Das Kloster geht auf eine Gründung von Markgraf Ottokar III. von Traungau im Jahr 1163 zurück. Die ersten Augustiner-Chorherren kamen aus Salzburg und Seckau. Nach der Zerstörung des Stifts im Jahr 1237 erfolgte der schnelle Wiederaufbau. König Rudolf I. von Habsburg stellte 1277 dem Stift einen Schutzbrief aus. Ein erneuter Brand verheerte die Klostergebäude im Jahr 1384. 1452 gestattete Papst Nikolaus V. den Pröpsten von Vorau, bei feierlichen liturgischen Handlungen die Pontifikalien zu tragen. Der römisch-deutsche Kaiser Friedrich III. verlieh 1453 dem Stift sein heutiges Wappen und erteilte die Erlaubnis, eine Rüstkammer einzurichten. Wegen der anhaltenden Türkengefahr veranlasste Propst Leonhard von Horn den Umbau des Stifts zu einer Klosterburg mit Wassergraben, Wehrmauer und Zugbrücke.

Frühere Neuzeit

Der von 1503 bis 1505 wütenden Pest fielen in der Vorauer Pfarre 800 Menschen zum Opfer. Durch Kaiser Maximilian I. wurde dem Stift das Landgericht mit Stock und Galgen verliehen. Nach dem Tod Propst Geyers im Jahr 1542 drohte das Stift während der Reformation zu erlöschen, denn es war nur noch ein Chorherr übrig. Die Existenzkrise wurde erst 1544 mit der Ernennung eines neuen Propstes beendet. Eine erneute Pestepidemie forderte 1598 in Vorau 611 Tote. Bis 1635 wurden umfangreiche Neubauten errichtet. Für die Bevölkerung richtete Propst Matthias Singer 1651 eine Apotheke ein. Von 1660 bis 1662 erfolgte der Neubau der Stiftskirche, die alte Prälatur wurde im Zuge des Neubaus des West- und Nordtraktes 1727 abgerissen. Im Jahr 1736 erreichte das Chorherrenstift mit 46 Chorherren den höchsten Mitgliederstand seiner Geschichte. Das Stift richtete 1778 eine Hauptschule ein. Von 1812 bis 1817 wurde ein Gymnasium und von 1839 bis 1843 ein Privatgymnasium mit Sängerknabeninstitut geführt. Die Festungsmauern wurden 1844 abgetragen und der Wassergraben teilweise zugeschüttet, das Stift verlor dadurch seinen Burg-Charakter.

Das Stift wird seit 1920 mit Elektrizität versorgt. Wegen einer finanziellen Notlage im Zuge der Weltwirtschaftskrise mussten 1924 zahlreiche Kunstschätze verkauft werden.

Aufhebung im Nationalsozialismus

Das Chorherrenstift Vorau erfuhr in der Zeit nach dem „Anschluss“ 1938 keine Repressalien, mit Herbst 1938 änderte sich die Vorgangsweise des NS-Regimes jedoch massiv. Das Stift Vorau wurde nach der Beschlagnahmung am 19. April 1940 in „Burg Vorau“ umbenannt.[1] Die Chorherren mussten das Stift verlassen, welches nunmehr unter NS-Herrschaft verwaltet wurde. Abgesehen von drei Chorherren, die im Ort verbleiben durften, wurden alle kreis- und gauverwiesen. Sie mussten sich selbst eine neue Unterkunft suchen.[2] Am 4. Oktober 1940 wurde der ganze Besitz des Stiftes zugunsten des „Deutschen Reiches“ eingezogen. Das war das erste Mal seit der Gründung 1163, dass das Stift aufgehoben wurde. Es konnte sich den „Schikanen der Machthaber des ‚Dritten Reiches‘“ nicht erwehren.[3]

Die Nationalpolitische Lehranstalt in Vorau

Als Grund für die Stiftsaufhebung und die Einrichtung einer NAPOLA im Stift Vorau wurden Übergriffe auf Mädchen und Buben seitens der Chorherren genannt.[4] Dass bereits am 7. Mai 1940 ein Vorkommando aus dem Wiener Theresianum (ebenfalls eine NPEA) nach Vorau kam, zeigt, wie eilig es die verantwortlichen Parteimitglieder hatten, eine NAPOLA im ehemaligen Stift einzurichten. In mehreren Zügen, die man auch als Klassen bezeichnen kann, wurden junge Knaben im Sinne des Nationalsozialismus in Vorau erzogen. Bereits vom 30. Juni bis 9. Juli 1940 wurde das jährlich abgehaltene Manöver der verschiedenen Erziehungsanstalten der „Ostmark“ in Vorau und Umgebung abgehalten.[5] NAPOLA-Schüler und -Leiter verließen mit dem Heranrücken der Front Anfang April 1945 „fluchtartig das Stift“.[6]

Der zeitweilige Leiter der NAPOLA in Vorau war ein sehr zweckorientierter Mann aus Mecklenburg, der den Plan verfolgte, die künstlerisch reich ausgestattete Stiftskirche in eine Schul- und Sporthalle zu verwandeln.[7] Dass diese Idee nie verwirklicht wurde, wird als ein Verdienst Walter von Semetkowskis, des damaligen Landeskonservators, gewertet.[8]

Der Stiftsbrand 1945

Am 24. April brannten Teile des Stiftes Vorau. Sowjetische Tiefflieger bombardierten die Gegend – weder Stift noch Markt blieben verschont.[9] Wassermangel sowie desolate Löschgeräte verhinderten eine rasche Bekämpfung des vier Tage dauernden Brandes.[10] Vor allem das Wirtschaftsgebäude und einige Türme wurden schwer beschädigt. Aus der Bibliothek wurden viele Inkunabeln, Urkunden und Bücher während der NS-Herrschaft „ausgelagert“. Wertvolle Kunstobjekte waren in verschiedenen Gebäuden in Graz gelagert. Die Rückstellung nach Kriegsende erfolgte von Fall zu Fall und gestaltete sich als zeitintensiv und schwierig. Einige Gegenstände aus dem Stiftsbesitz fand man erst Jahrzehnte später in anderen Museen, andere hat man bis heute nicht gefunden.[11]

Jüngste Geschichte

Am 27. Mai 1945 kehrten die Chorherren aus der Kongregation der österreichischen Augustiner-Chorherren in das zerstörte Stift zurück und begannen mit dem Wiederaufbau, der erst Ende der sechziger Jahre abgeschlossen war. Von 1981 bis 1987 wurden alle Stiftsgebäude saniert, von 1995 bis 1997 erfolgte ein Erweiterungsbau für das Verwaltungsgebäude.

Das Stift Vorau hat heute rund 3.400 Hektar Grundbesitz, davon sind 2.900 Hektar Wald. Daraus erwirtschaftet es den Großteil seiner Einnahmen. Das Stift Vorau ist bisher noch in der Lage seine wirtschaftlichen Aufgaben weitgehend ohne öffentliche Mittel zu bewältigen.

Sehenswürdigkeiten

Das Stift Vorau verfügt vor allem aus der Zeit des Barock über eine prunkvolle Ausstattung.

Stiftskirche

Hochaltar der Stiftskirche

Die Stiftskirche wurde 1660-1662 nach Plänen von Domenico Sciassia erbaut. Ab 1700 wurde sie durch den kaiserlichen Ingenieur Matthias Steinl im Stile des Wiener Hochbarock umgestaltet. Steinl entwarf die Kanzel, die die Lehrtätigkeit von Jesus von Nazaret thematisiert und den Hochaltar der die Himmelfahrt der Maria (Mutter Jesu) darstellt. Seit 1783 ist die Stiftskirche die Pfarrkirche der Pfarre Vorau.

Bibliothek

Stift Vorau, Bibliothek

Besonders bedeutend ist die Bibliothek des Stiftes. Der 1731 fertiggestellte Bibliothekssaal beherbergt etwa 17.500 Bände. Insgesamt besitzt das Stift Vorau aber über 40.000 Bände, darunter 415 Handschriften und 206 Inkunabeln. Darunter bedeutende Handschriften wie das Vorauer Evangeliar aus dem 12. Jh., die im Jahre 1467 geschriebene Vorauer Volksbibel mit über 550 Miniaturen und die Vorauer Handschrift, die umfangreichste und wichtigste der alten Sammelhandschriften mit geistlichen frühmittelhochdeutschen Dichtungen, von denen viele nirgends sonst überliefert sind. Diese enthält auch die Kaiserchronik – eine poetische Kaisergeschichte von Julius Caesar bis zum zweiten Kreuzzug.

Sakristei

Die Sakristei gilt als die künstlerische Perle des Stiftes, die ihre in den Jahren 1715 - 1716 erhaltene malerische Dekoration dem Stiftsmaler Johann Cyriak Hackhofer verdankt und als sein Meisterwerk gelten darf. An drei Wänden ist in einfachen illusionistischen Rahmungen der Schmerzhafte Rosenkranz dargestellt. An der vierten Wand stellte er einen Höllensturz dar. Dieser zeigt, umgeben von Flammen, teuflischen Gestalten und anderen höllischen Ungeheuern, den Sturz personifizierter menschlicher Laster wie Geiz, Unzucht, Hochmut, Trunksucht, Verleumdung usw. In der Mitte des östlichen, stark belichteten Deckenteils thront Christus auf einem Regenbogen. Um ihn scharen sich die Heiligen des Alten und des Neuen Bundes sowie anbetende Engel.

Bildungshaus

Seit 1977 betreibt das Stift ein Bildungshaus. Dieses bietet einerseits religiöse Veranstaltungen und mehrtägige Seminare an, andererseits vermietet es die Seminarräume mit Platz für bis zu 200 Personen. Das Bildungshaus wird von Propst Gerhard Rechberger geleitet.

Pröpste

  • Liupold von Travesse 1163-1185
  • Bernhard II. 1235–1237
  • Konrad II. 1282–1300
  • Dietrich 1300–1304
  • ...
  • Heinrich von Wildungsmauer 1350–1381
  • Konrad III. von Neunkirchen 1382–1397
  • Johann I. von Schwaben 1398–1419
  • Erasmus 1419
  • Johann II. Straußberger 1419–1430
  • Leonhard von Horn 1453–1493
  • ...
  • Augustin Geyer 1534–1542
  • Johannes Benedikt von Perfall 1594–1615
  • Matthias Singer 1649–1662
  • Philipp Leisl 1691–1717
  • Franz Xaver Sebastian Graf von Webersberg 1717-1736
  • Lorenz II. Joseph Leitner 1737-1769
  • Franz Sales I. Freiherr von Taufferer (heute Tauferer) 1769–1810
  • Gottlieb Patriz Kerschbaumer 1838–1862
  • ...
  • Prosper Berger 1920–1953
  • Gilbert Prenner 1953–1970
  • Rupert Kroisleitner 1970–2000
  • 55. Gerhard Rechberger seit 2000
  Commons: Stift Vorau  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Ferdinand Hutz: Stift Vorau im 20. Jahrhundert (2 Bände)
  • Ferdinand Hutz, Peter Wind: Das Vorauer Evangeliar
  • Ferdinand Hutz: Die Vorauer Volksbibel
  • Pius Fank: Das Chorherrenstift Vorau

Einzelnachweise

  1. Augustiner-Chorherrenstift Vorau (Hg.): Stift Vorau im 20. Jahrhundert 2. Vorau 2006, S. 103–105.
  2. Markus Johann Riegler (Hg.): Augustiner-Chorherren und Augustiner-Chorherrenstifte Österreichs im Ringen mit dem Nationalsozialismus. Diss. Graz 1998, S. 107–108.
  3. Gilbert Prenner: 19. April 1940. Zur Aufhebung des Stiftes Vorau vor 40 Jahren. In: Vorauer Heimatblätter (1981) H. 3, S. 37.
  4. Markus Johann Riegler (Hg.): Augustiner-Chorherren und Augustiner-Chorherrenstifte Österreichs im Ringen mit dem Nationalsozialismus. Diss. Graz 1998, S. 139.
  5. Markus Johann Riegler (Hg.): Augustiner-Chorherren und Augustiner-Chorherrenstifte Österreichs im Ringen mit dem Nationalsozialismus. Diss. Graz 1998, S. 139–147.
  6. Hartmann Lorenz: Erinnerung an die letzten Tage des Krieges in Vorau im April und Mai 1945 [Typoskript]. Friedberg, Dezember 1946. Pfarre Friedberg, S. 1.
  7. Walter von Semetkowski: Erinnerungen an Vorau. In: „Kleine Zeitung“ vom 17. August 1963, S. 13.
  8. Ferdinand Hutz: Die Vorauer Stiftskirche als Hallenbad. In: Blätter für Heimatkunde 71 (1997), S. 84.
  9. Josef Gerngross: 1945. Die letzten Kriegstage in und um Vorau [Typoskript]. Vorau, Jänner 1977. Stiftsarchiv Vorau, Schuber 272, Fasc. 15, S. 5.
  10. Vorauer Marienschwestern. Faksimile der Chronik. Fünfter Teil [1937–1945]. Stiftsarchiv Vorau, S. 73.
  11. Augustiner-Chirherrenstift Vorau (Hg.): Stift Vorau im 20. Jahrhundert 1. Vorau 2004, S. 163.