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vom 23.06.2019, aktuelle Version,

Vogtturm

Vogtturm in Zell am See

Der Vogtturm (früher auch Kastnerturm genannt) befindet sich im Fuscher- oder Thurnhaus in der Stadt Zell am See im Salzburger Land an der Ecke des Stadtplatzes zur Dreifaltigkeitsgasse und dem Turmplatzl. Die Bezeichnung Kastnerturm geht auf die langjährige Besitzerfamilie Kastner (von 1789 bis 1951) zurück, Fuscher- oder Thurnhaus wurde der Turm in alten Urbaren genannt.

Geschichte

Obwohl der Vogtturm neben der Stadtpfarrkirche zum Heiligen Hippolyt in Zell am See und dem Schloss Rosenberg zu den historisch interessantesten und charakteristischsten Gebäuden im Stadtbild von Zell am See gehört, sind praktisch alle wesentlichen Fragen zur Baugeschichte ungeklärt. So können bis heute zu Baualter und Bauherren nur Vermutungen angestellt werden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann der Vogtturm aber als das älteste profane Gebäude der Stadt angenommen werden, ein historischer Zusammenhang mit dem 788/790 in der Notitia Arnonis erstmals erwähnten Kloster (Cella in Bisontio) ist quellenkundlich aber genauso wenig belegt wie die häufig kolportierte Erwähnung des Turmes als Fluchtturm der Erzbischöfe in den Salzburger Urkunden v. a. der Jahre 926/927.[1]

Da das Recht zum Bau von Burgen und Türmen bis hinauf ins 13. Jahrhundert weitgehend in Händen der weltlichen Herrscher bzw. der von ihnen befugten Adeligen lag, können die Salzburger Erzbischöfe bis dahin als Bauherren ausgeschieden werden.[2] Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings die Variante, dass der Turm schon viel früher im Zusammenhang mit einem adeligen Eigenkloster erbaut wurde und eine Art Schutzfunktion hatte, vieles spricht allerdings auch für einen rein profanen Zwecken dienenden Bau als Bergfried eines adeligen Ansitzes.[3]

Unter der Annahme, dass ein derart massiver Wehrturm von einem bedeutenden Adelsgeschlecht erbaut worden sein muss, kämen u. a. die Herren von Pinzgowe[4], in genealogischer Nähe mit den Walchern und Felben stehend oder mit großen Abstrichen die Linie der Grafen von Weyarn-Neuburg-Falkenstein-Hernstein in Betracht, diesbezüglich würde sich auch der Kreis zum Kloster Tegernsee und dem Hippolytpatrozinium der Stadtpfarrkirche zum Heiligen Hippolyt in Zell am See und somit zur Cella in Bisontio schließen.[5]

Eine Quelle im 13. Jahrhundert nennt wiederum die Walcher, welche in einer Urkunde vom 1. August 1254 mit dem Salzburger Elekt Philipp von Spanheim Frieden schlossen (hier heißt es: „weil wir einen neuen Turm im Gericht des Erzbischofs und auf dem Boden seiner Kirche gegen seinen Willen errichtet und uns die Vogteirechte angeeignet haben, die der Erzbischof vom verstorbenen Grimold von Saalfelden gekauft hatte.“) Ein eventueller Bezug dieser Angabe auf den Vogtturm ist allerdings sehr unwahrscheinlich.

Erst im 15. Jahrhundert werden die Hinweise auf die Besitzstrukturen konkreter: Die Verwandten der Walcher waren die Herren von Goldegg, die seit 1369 unter der Lehensherrschaft derer von Hundt stehen. Diese wiederum sind im Besitz von Schloss Dorfheim und der Turm in Zell am See ist im Urbarverzeichnis von Dorfheim angeführt. Die Schwester des Christoph Dieter Hundt (er war der letzte Hundt im Mannesstamm), Marie Jakobe, heiratete Johann Albert Savioli, der Dorfheim 1628 gekauft hatte. Diesem folgte 1660 Anna Maria Paggee aus Tamsweg, verheiratet mit dem hochfürstlichen Salzburger Hofrat Johann Konrad Stadtmayr. 1719 erbte die Nichte Maria Theresia von Küeppach den Besitz. Die war wiederum mit Friedrich Ignaz Lürer vom Zehendtal verheiratet. Diese Familie blieb bis zur Grundentlastung im Besitz des Turmes.

Bei einem Brand 1770 wurde neben acht Häusern und den beiden Kirchen auch der Turm in Mitleidenschaft gezogen, der Brand vernichtete zwei Stockwerke und das Dach des Turmes.[6] Bis 1850 wurden die Dachluken zum Wetterschießen verwendet, dabei hoffte man, durch den Kanonendonner das Aufziehen von Unwettern zu verhindern. Im 19. Jahrhundert diente der Vogtturm als Wohngebäude,[7] früher hatten u. a. auch die Bischöfe von Chiemsee als Mensalherren (zur bischöflichen Mensa = Ausstattung gehörend) den Turm als Getreidespeicher genutzt.[8]

Der Turm war erbrechtlich verpachtet. Als Pächter bzw. Besitzer scheinen auf: Matheus Neissl (vor 1626), der Fischer Wolf Kheil durch Kauf (1631), Wolf Huetter zur Hälfte (1638), Magdalena, Wittibin, durch Kauf (1650), Georg Innegruber durch Wechsel (16661), Magdalena Schlipferin durch Übergabe, Thomas Mayr und seine Frau durch Kauf (1699), Christoph Mayr durch Übergabe (1702), Michael Mayr und seine elf Kinder, Franz Mayr durch Übergabe (1783), Johann Kastner durch Kauf (1798), dann seine Kinder Johann Kastner durch Übergabe (1805), Johann Kastner durch Übergabe (1841), Maria Plachfelner durch Kauf (1850), Josef Gruber zur Hälfte durch Einheirat (1851), Josef Kolbacher durch Kauf (1864), der Kaufmann Johann Kastner durch Kauf (1866), Johann Kastner durch Übergabe (1885), Josef Kastner durch Einantwortung (1914), Paula Kastner durch Einantwortung (1943), Markus und Theresia Faistauer durch Kauf (1951), nach 1964 Theresia Faistauer als Alleinbesitzerin.

Beschreibung und Gegenwart

Der Vogtturm ist sechsgeschoßig und wird von einem abgewalmten Satteldach gedeckt. Die Turmhöhe beträgt 23,5 Meter, die Breite an der Nord-, Süd- und Westseite 8,6 Meter, an der Ostseite 13,5 Meter, verbreitert sich also trapezartig Richtung See.

Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts befinden sich im Erdgeschoß des Turmes Geschäftslokale (Tabaktrafik, Antiquitätengeschäft), in den darüber liegenden Stockwerken waren Wohnungen eingerichtet. Das oberste Stockwerk besaß keine Fenster, sondern nur Aussichtsbänke; die Auslugfenster in den oberen Stockwerken weisen eventuell noch auf die Zeit als Wachturm hin.

1984 erwarb das Bankhaus Carl Spängler & Co. AG den Turm und sanierte das Gebäude. Anschließend wurde es an die Stadtgemeinde für Museumszwecke verpachtet. Noch im gleichen Jahr konnte das Museum vom Rathaus Schloss Rosenberg in den Vogtturm übersiedeln. Im Mittelpunkt der umfangreichen Sammlung, die sich über vier Stockwerke zieht, steht die lokale und regionale Geschichte und Kultur der Pinzgauer Bezirkshauptstadt (u. a. ein Flachboot des Zellersees, alte Stiche und Ansichten von Zell am See).

Aus Sicherheitsgründen ist der Vogtturm seit 2017 nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich, ein neues Museums- und Sicherheitskonzept ist in Ausarbeitung. Nach Renovierungsarbeiten im Jahr 2019 soll das erweiterte und neugestaltete Museum spätestens 2020 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.[9][10]

Literatur

  • Johann Baptist Egger: Beschreibung von Zell in Pinzgau. Duyle, Salzburg 1855.
  • Josef Dürlinger: Von Pinzgau. 1. Geschichtliche Übersichten, 2. Orte- und Kirchenmatrikel – mit chronologischer Tabelle. Selbstverlag, 1866.
  • Friederike Zaisberger, Walter Schlegel: Burgen und Schlösser in Salzburg. Pongau, Pinzgau, Lungau. Birken, Wien 1978, ISBN 3-85030-037-4.
  • Friederike Zaisberger: Geschichte Salzburgs. (= Geschichte der österreichischen Bundesländer. Band 7). Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1898.
  • Rainer Hochhold: Cella in Bisontio, Zell im Pinzgau, Zell am See – Eine historische Zeitreise. Zell am See 2013, ISBN 978-3-200-03385-6.
  • Heinz Dopsch: Das Mittelalter. In: Waltraud Moser-Schmidl/Hannes Wartbichler (Hsg.): "Kaprun im Wandel der Zeit". Kaprun 2013.

Anmerkungen, Einzelnachweise und Quellen

  1. In den beiden Schriftstücken wird ein Gütertausch im Flachgau beurkundet und mit „Actum in Pisontia in loco cella“ bzw. nur mit „Actum in Pisontia“ unterfertigt. Vgl. Rainer Hochhold (2013) S. 78/79, hier auch (S. 396) der Quelltext aus dem SUB II (1916), Cod. Od. 18 (0). – Iuv. A. 135 cap. 21, 86 f. bzw. SUB II (1916), Cod. Od. f. 18’ (0). – luv. A. 135 cap. 22
  2. Friederike Zaisberger (1998) S. 38 bzw. Rainer Hochhold (2013) S. 79. Darüber hinaus war der Mitterpinzgau bis zur ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch in Grafenhand!
  3. Vgl. dazu Josef Dürlinger (1866) S. 286 bzw. Rainer Hochhold (2013) S. 49 und 81.
  4. Über das Geschlecht der Pinzgower berichtet schon der frühe Pinzgauer Chronist Josef Dürlinger (1866) S. 38ff S. mit Bezug auf Johann Franz Thaddäus von Kleinmayrn. Es gibt auch Hinweise, dass die Pinzgower schließlich Ende des 12. Jahrhunderts ausgestorben und von den Felben beerbt worden sind. Aufgegriffen von: Rainer Hochhold (2013) S. 78 ff, vgl. ebendort (s. 81) auch die Thesen von Johann Baptist Egger (1855) S. 46 über die Herren von Turri und die Beziehungen zu den Familien der Hund(t), Dorfheimer und Lauterbacher, hier würden sich Parallelen zu den Besitzungen der Saalfeldener Adelsgeschlechter ergeben.
  5. Die Ahnherren der Grafen von Weyarn-Neuburg-Falkenstein-Hernstein, Patto von Diching, Siboto (Sigiboto) I und Siboto (Sigiboto) II waren nämlich im 11. und 12. Jahrhundert Vögte in Tegernsee. Die Falkensteiner nahmen später auch Verwaltungsaufgaben im Auftrag des Erzbistums Salzburg wahr, Erzbischof Eberhard I. hatte Siboto (Sigiboto) IV von Neuburg-Falkenstein 1158 die Verwaltung der Propstei Chiemsee mit den erzbischöflichen Ländereien dieser Region - und somit wohl auch der Mensalpfarre Zell im Pinzgau - übertragen. Eindeutig dagegen spricht allerdings, dass in der Vita der Falkensteiner und in derer umfassenden Urbar- und Lehenssammlung Codex Falkensteinensis keinerlei Besitzungen im Pinzgau erwähnt werden. Zur Geschichte der Grafen von Weyarn-Neuburg-Falkenstein-Hernstein siehe Historische und topographische Darstellung der Pfarr, Stifte, Klöster, milden Stiftungen und Denkmähler im Herzogthume Oesterreich, Band 5, Wien 1826, S. 38 bzw. 179 bzw. Heinz Dopsch (2013) S. 116f
  6. Informationsblatt Vogtturm; Museum. Spuren des Brandes sind noch heute an Giebelhölzern im Dachgeschoß zu sehen. Rainer Hochhold (2013), S. 74 (Abbildung)
  7. Nach dem Franziszäischen Kataster von 1830 war das Thurnhaus ein dreistöckiges Wohnhaus.
  8. Informationsblatt Vogtturm; Museum (Rainer Hochhold (2013) S. 81)
  9. Vogtturm: Zeller Wahrzeichen vor Sanierung, abgerufen am 22. April 2019
  10. Zell: Sanierung des Vogtturmes beginnt, abgerufen am 22. April 2019