Made in Austria#
Als 590-seitiges Großformat mit einem Gewicht von über 3 kg liegt der Band „Österreich – Geschichte, Gegenwart, Zukunft“ dem Leser nicht eben leicht in der Hand. Im Zeitalter des E-Books könnte man das Werk als Gutenberg-Dinosaurier bezeichnen – wahrscheinlich ist das mit 718 Abbildungen ausgestattete Opus Magnum von Hannes Androschs wirklich so etwas wie das letzte Aufbäumen einer auf Papier verwirklichten Publizistik.
Wie kam es zu diesem Monsterwerk? Als Kommissar Österreichs für die Weltausstellung „EXPO 2010“ in Shanghai suchte Androsch ein passendes Geschenk für seine Ehrengäste. Der bei Coffee-Table-Books konkurrenzlose Verlag Christian Brandstätter griff ins Volle und versammelte zwei Dutzend bekannter Autoren zu einem Dutzend Themen über Österreich. Zum anlass passend gab es auch eine chinesische Ausgabe.
Während die eindrucksvollen Farbbilder weitgehend im Klischee bleiben, sind die Texte zum Teil erfrischend kritisch, jedenfalls durchwegs interessant und lehrreich. Ob Adam Wandruszka die gesamte Geschichte Österreichs bis 1918 auf 20 Seiten abhandelt oder Günther Steinbach daran anschließend die Erste Republik wieder erstehen lässt, man ist besonders durch die Text-Bild-Kombination beeindruckt.
Hermann Fillitz und Martina Pippal begleiten Leser und Leserinnen auf der „Suche nach Schönheit“ durch die Kunstgeschichte Österreichs – von der Venus von Willendorf bis zu Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Faschismus. Das „Reich der Töne“ kommt ebenso wenig zu kurz wie die Literatur Österreichs – ein Beitrag noch aus der Feder des bereits verewigten Wendelin Schmidt-Dengler. Erfreulich auch ein unaufgeregter Artikel von Trautl Brandstaller über die politische Rolle der Frauen in Österreich seit 1848. Gut ausgewählt und instruktiv dargestellt von Peter Kampits finden sich 50 Denker, Wissenschaftler und Erfinder, darunter die Damen Bertha von Suttner und Rosa Mayreder. Kapitel über Küche, Mode und Sport runden das umfassende Österreich-Bild ab. Man muss sich einfach die Zeit nehmen, je nach Interesse in dieem monumentalen werk zu schmökern.
In seinen Schlussbetrachtungen “Quo vadis, Austria?“ spricht Androsch ein großes Wort gelassen aus, wenn er fordert, den „Terror des Status quo angeblich wohlerworbener Rechte“ zu überwinden, um erstarrte Strukturen aufzubrechen, neue Perspektiven zu entwickeln und neue Ziele mit Entschlossenheit umzusetzen. Wird dieser Ruf wohl gehört werden?
Hannes Androsch (Hrsg.)
Österreich - Geschichte, Gegenwart, Zukunft
Verlag Christian Brandstätter
Wien, 2010
ISBN 978-3-85033-300-9