Kiesler, Friedrich#
* 22. 9. 1890, Czernowitz (Ukraine)
† 27. 12. 1965, New York (USA)
Architekt, Designer, Maler, Bühnenbildner, Bildhauer, Visionär
Friedrich Kiesler wurde am 22. September 1890 im damaligen österreich-ungarischen Czernowitz (heute Ukraine) geboren. Von 1908 bis 1913 studierte er an der Akademie der bildenden Künste und der Technischen Hochschule in Wien.
Sein frühes Schaffen war von Arbeiten für das Theater geprägt - sein "elektro-mechanisches" Bühnenbild für Karel Čapeks Stück "W.U.R." erregte 1923 in Berlin großes Aufsehen.
Er organisierte die "Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik" im Konzerthaus im Rahmen des Musik- und Theaterfestes der Stadt Wien, für die er die "Raumbühne" und deren Leger- und Trägersystem (eine flexible, frei stehende Konstruktion zur Präsentation von Objekten und Bildern) konzipierte und entwarf darüber hinaus noch das Plakat, den Katalog, die Eintrittskarte und das Briefpapier der Ausstellung nach einem einheitlichen Konzept (heute würde man wohl sagen im "Corporate Design").
Dank des großen Erfolgs dieser Ausstellung wurde Friedrich Kiesler von Josef Hoffmann 1924 damit betraut, den österreichischen Pavillon auf der "Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes" in Paris zu gestalten. Friedrich Kiesler entwarf dafür die "Raumstadt" als "Vision einer schwebenden Stadt der Zukunft" - dieser Auftrag war der Beginn einer internationaler Karriere als Künstler, Designer, Architekt und Bühnenbildner.
In Folge seiner international erfolgreichen Theater- und Ausstellungsprojekte in Berlin, Wien und des starken Interesses an der monumentalen, schwebenden Struktur "Raumstadt" ("City in Space") wurde er 1926 eingeladen, die "International Theater Exposition" im New Yorker Steinway Building mitzugestalten. Er stellte avantgardistische Bühnenbilder des Konstruktivismus, des Futurismus und des Bauhauses vor und zeigte zudem sein Konzept des Endless Theatre, eine weitere Entwicklungsphase der Raumbühne.
1927 begann Friedrich Kiesler an der Auslagengestaltung für das Kaufhaus Saks (in der Fifth Avenue in New York) zu arbeiten, 1929 wurde das von ihm entworfene "Film Guild Cinema" eröffnet, das so genannte "100% cinema".
Er übersiedelte mit seiner Frau Stefanie nach New York, wo er 1930 eine Architekturlizenz des Staates New York erhielt und das Planungsbüro 'Planners Institute Inc.' gründete.
Friedrich – nunmehr Frederick - Kiesler etablierte sich bald als bildender Künstler und Bühnenbildner, als Architekt und Designer. Von 1934 bis 1956 lehrte er an der Juilliard School of Music - zahlreiche seiner innovativen und revolutionären Ideen für Bühnengestaltungen konnten in den folgenden Jahren verwirklicht werden.
Friedrich Kiesler entwarf kompletter Einrichtungen und schuf bedeutende Objekte an der Grenze zwischen Gebrauchsmöbel und Kunstobjekt, wie die "Nesting Tables" (ca. 1935). Der Leitgedanke seiner Konzepte, die er innerhalb der verschiedenen künstlerischen Genres – Design, Bühnenbild, Architektur - entwickelte, war der "Correalismus": Kieslers Theorie der endlosen, multi-dimensionalen Wechselbeziehung zwischen Mensch, Kunst und Raum.
1937 übernahm er eine Lehrtätigkeit an der Columbia University und gründete an der dortigen "School of Architecture" das "Laboratory for Design Correlation", das er bis zur Auflösung 1941 auch leitete.
(Ziel dieeses Instituts war es, eine wissenschaftlich begründete, ganzheitliche Designkonzeption zu entwickeln; die genaue Beobachtung menschlicher Verhaltensweisen, Bewegungsabläufe und physiologischer Bedingungen sollte dazu führen, die Gestaltung von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen und damit die Lebensverhältnisse des Menschen grundlegend zu verbessern.)
1950 entstand das erste dreidimensionale Modell des "Endlosen Hauses" ("Endless House") – dessen eiförmige Gestalt das "Endless Theatre" von 1926 wieder aufgriff. (Dieses Modell ist erweitert und verändert seit 1960 im Museum of Modern Art in New York ausgestellt). Ab dieser Zeit formulierte er sein Konzept des "Endless House" in zahlreichen Texten, Modellen, Zeichnungen und Plänen, die vor allem die Innenräume und deren Funktionen, aber auch die Lichtführung behandelten.
Er entwickelte u.a. auf Einladung der Sammlerin Peggy Guggenheim für die Ausstattung der "Art of This Century"- Gallery radikale neue Präsentationsformen für Kunstwerke und ihre Betrachter, gestaltete Ausstellungen und beschäftigte schließlich sich mehr und mehr mit Malerei und skulpturaler Gestaltung. 1957 begann er gemeinsam mit seinem Partner Armand Bartos die Planungsarbeiten für den "Shrine of The Book" in Jerusalem.
1965 wurde dieser "Schrein des Buches" - Kieslers einzig realisiertes Bauwerk in Jerusalem – eröffnet: hier werden seither die Schriftrollen vom Toten Meer ("Qumranschriften") aufbewahrt und ausgestellt.
Nach dem Tod seiner Frau 1963, hatte Friedrich Kiesler 1964 – knapp nach einem überstandenen Herzinfarkt - Lillian Olinsey geheiratet. Am 27. Dezember 1965 starb Friederich Kiesler in New York.
Sein künstlerisches und theoretisches Werk zählt heute zu den wichtigsten Beiträgen der europäischen und amerikanischen Avantgarde.
Die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung wurde 1997 mit dem Erwerb des Nachlasses von Friedrich Kiesler durch die Republik Österreich und die Stadt Wien sowie mit Hilfe zahlreicher privater Stifter gegründet. Ihre Aufgabe ist es, das Erbe des Architekten, Künstlers und Theoretikers Friedrich Kiesler zu bewahren und zu erforschen.
Seit 1998 wird alle zwei Jahre der (mit 55.000 Euro hoch dotierte) Friedrich-Kiesler-Preis für Architektur und Kunst vergeben.
Werke (Auswahl)#
Frühe Jahre (1923 bis 1925)- Bühnenbild für W.U.R., Berlin, 1923
- Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik, Wien, 1924
- Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes, Paris, 1925
- International Theatre Exposition, New York, 1926
- Saks, Fifth Avenue, New York, 1928
- Film Guild Cinema, New York, 1929
- Möbelausstellung der A.U.D.A.C., New York, 1930
- Projekt Space Theater für Woodstock (nicht realisiert), 1931
- Neugestaltung "Space house", Geschäftslokal, New York, 1933
- Art of This Century, Peggy Guggenheim Gallery, New York, 1942
- Ausstellung des National Council of American-Soviet Friendship, Inc., Moskau, 1944
- Blood Flames, Hugo Gallery, New York, 1947
- Ausstellung Le Surréalisme en 1947 in der Galerie Maeght, Paris, 1947
- Endless House, Kootz Gallery, New York, 1950
- Galaxies, um 1950)
- World House Gallery, New York, 1957
- Caramoor Theater, Kantonah, New York, 1959
- Endless House, Museum of Modern Art, New York, 1959
- Projekt "Universaltheater" (nicht realisiert) , 1961
- Skulpturen, 1962
- Grotto for Meditation, 1964
- Shrine of the Book, Jerusalem, 1965
Publikationen#
- Debacle of the Modern Theater, 1926
- Contemporary Art Applied to the Store and its Display, 1930
- Inside the Endless House, Art, People, and Architecture, 1966
Literatur#
- F. Kiesler, Ausstellungskatalog, Bochum/Wien 1975
- D. Bogner, F. Kiesler 1890-1965, 1988
- B. Lesák, Die Kulisse explodiert. F. Kiesler 1922-25, 1989
- L. Philipps, F. Kiesler, 1989; D. Bogner, F. Kiesler - Inside the Endless House, Ausstellungskatalog, Historisches Museum der Stadt Wien, 1998
Weiterführendes#
- Borchhardt-Birbaumer, B.: Magier in der Raumhöhle (Essay)
- Borchhardt-Birbaumer, B.: Pragmatische Utopien (Essay)
- Friedrich Kiesler Sonderpostmarke 2015 (Briefmarken)
- Historische Bilder zu Friedrich Kiesler (IMAGNO)
Quellen#
- AEIOU
- Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung
- Israel Museum
- Medienkunstnetz
- Österreichisches Museum für angewandte Kunst
- Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
- Der STANDARD
- archINFORM
- Wiener Zeitung
Redaktion: I. Schinnerl