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Natonek, Hans#

Pseudonyme: Immanuel, Hans Eff, Hans Egg, Jean und E. Menet, N. O. Kent, Norbert


* 28. 10. 1892, Prag-Königliche Weinberge (damals Kralovske Vinohrady, Böhmen; heute Tschechien)

† 23. 10. 1963, Tucson (Arizona, USA)


Feuilletonist, Literatur- und Theaterkritiker,
Journalist, Schriftsteller, Autor


Hans Natonek wurde am 28. Oktober 1892 in Prag als Sohn eines Versicherungsdirektors in einer jüdischen Familie geboren.

Nach dem Abschluss des Deutschen Gymnasiums in Prag besuchte er die Prager Handelsakademie. 1912 begann er ein Studium der Pilosophie in Wien, das er nach dem ersten Semester beendete, und ging anschließend nach Berlin.

Nach ersten Veröffentlichungen in (literarischen und satirischen) Zeitschriften erschienen von ihm regelmäßig Texten u.a. in der "Weltbühne" und im "Neuen Wiener Journal". (Hatte er anfangs noch den Ersten Weltkrieg in patriotischen Texten begrüßt, äußerte er sich später sehr kritisch darüber und bekannte sich zum Pazifismus.)

1913 ging er nach Halle an der Saale, um ein Volontariat bei der "Saale-Zeitung" anzutreten – als Redakteur berichtete er hier vor allem über lokale Ereignisse.

1917 übersiedelte er nach Leipzig und konvertierte zum Protestantismus. Von 1917 bis 1919 war er bei der "Leipziger Abendzeitung", dann beim "Leipziger Tageblatt", ab 1921 bei der "Prager Presse" und ab 1923 als Feuilletonredakteur und Theaterkritiker bei der "Neuen Leipziger Zeitung" tätig.

1926 wurde Hans Natonek zum Feuilletonchef und stellvertretenden Chefredakteur der NLZ (Neue Leipziger Zeitung) ernannt und wurde zu einem der wichtigsten Feuilletonisten der Weimarer Republik. Er schrieb über alles, was kulturell und gesellschaftlich von Bedeutung war und besprach als Theaterkritiker sowohl Inszenierungen der großen Theater in Wien, Berlin und Prag, als auch lokale Stücke. Seiner Arbeit verdankte er die Freundschaft mit Joseph Roth, dessen "Radetzkymarsch" er für einen der wichtigsten Romane seiner Zeit hielt.

Ab 1929 veröffentlichte Hans Natonek seine ersten Romane im Zsolnay Verlag; 1932 erschien der im Journalistenmilieu spielende Zeitroman "Kinder einer Stadt", der als sein Hauptwerk gilt.
Bis 1933 publizierte Hans Natonek, der sich in seiner journalistischen Arbeit bei der NLZ für die Weimarer Republik und gegen die radikalen Rechte engagierte, Aufsätze, Kritiken, Glossen, politische Feuilletons; seine Artikel erschienen auch in anderen Zeitungen und Zeitschriften des linken, demokratisch-liberalen Spektrums ("Die Weltbühne", "Die Aktion" oder "Das Forum").

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde er auf Grund seiner jüdischen Herkunft bei der "Neuen Leipziger Zeitung" entlassen; 1935 folgte ein Schreibverbot und die deutsche Staatsbürgerschaft, die er 1928 erhalten hatte, wurde ihm aberkannt.

Er emigrierte zunächst mit seiner zweiten Frau nach Prag. (Zu dieser Zeit gab es in Prag bedeutende deutsche Zeitungen, u.a. das "Prager Tagblatt" (die größte liberal-demokratische Tageszeitung), die "Prager Presse", die "Neue Weltbühne" und die "Pariser Tageszeitung", in denen er mit so berühmten Autoren wie Max Brod, Egon Kisch oder Joseph Roth publizierte. )

1938 flüchtete er nach Paris, wo er Joseph Roth wieder begegnete und Anschluss an dessen Kreis deutschsprachiger Autorinnen und Autoren fand.
Hatte er sich während seines Prager Exils aus Angst um seine in Deutschland zurückgebliebenen Kinderaus erster Ehe auf zeitlose und unpolitische Beiträge beschränkt, wandte er sich in Paris in der "Neuen Weltbühne", dem "Neuen Tage-Buch", und der "Pariser Tageszeitung" erneut entschieden gegen das NS-Regime.

Auf Fürsprache Thomas Manns und mit Hilfe des Emergency Rescue Committee gelang Hans Natonek Anfang 1941 die Ausreise in die USA.

In New York lebte er von Gelegenheitsarbeiten, 1943 erschien hier seine (ins Englische übersetzte) Autobiographie "In Search of Myself". 1944 ließ er sich mit seiner dritten Ehefrau in Tucson (Arizona) nieder, erwarb 1946 die amerikanische Staatsbürgerschaft und veröffentlichte als freier Autor unregelmäßig Beiträge (zuletzt Gedichte) in verschiedenen US-amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften.

Hans Natonek starb am 23.Oktober 1963 in Tucson.


In mehr als 2000 Zeitungsartikeln hatte Hans Natonek ein vielschichtiges Bild des politischen und kulturellen Lebens der Weimarer Republik gezeichnet. Seine scharfen Glossen und Kommentare, die zahllosen Theater-, Buch- und Filmkritiken und Reisefeuilletons, seine großen Reportagen und die engagierten politischen Leitartikel erreichten Leser im gesamten deutschen Sprachraum.

In den ersten Nachkriegsjahren geriet Hans Natonek auf dem deutschen Buchmarkt völlig in Vergessenheit. Erst in den 1980er Jahren entdeckte man ihn langsam wieder: 1987/88 wurde sein Romans "Kinder einer Stadt" vom Zsolnay Verlag erneut bzw. der Roman "Blaubarts letzte Liebe" erstmals aufgelegt; 2006 erschien eine Auswahl seiner publizistischen Arbeiten im Lehmstedt Verlag Leipzig.

Werke (Auswahl) #

Bücher

  • Heilige? Kranke? Schwindlerin? Kritik des Mirakels von Konnersreuth, 1927
  • Schminke und Alltag. Bunte Prosa, 1927
  • Der Mann, der nie genug hat, 1929
  • Geld regiert die Welt oder die Abenteuer des Gewissens, 1930
  • Kinder einer Stadt, 1931
  • Der Schlemihl. Ein Roman vom Leben Adelberts von Chamisso 1936
  • In search of myself (Autobiographie), 1943
  • Die Straße des Verrats, 1982 (posthum)

Theater-, Buch- und Filmkritiken
Glossen und Kommentare
Reisefeuilleton und Reportagen

Literatur#

  • M. G. Hall, Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil, 1994
  • S. Kaiser, Lexikon der Österreichischen Exilliteratur, 1999
  • S. Böttger (Hg.), Im Geräusch der Zeit. Hans Natonek. Gesammelte Publizistik 1914-1933, 2006
  • Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart, 2012
  • S. Böttger (Hg.), Letzter Tag in Europa. Hnas Natonek. Gesammelte Publizistik 1914-1933, 2013
  • S. Böttger: Für immer fremd. Das Leben des jüdischen Schriftstellers Hans Natonek, 2013

Quellen#

Redaktion: I. Schinnerl