Thirring, Walter#
* 29. 4. 1927, Wien
† 19. 8. 2014, Wien
Physiker
Walter Thirring wurde am 29. April 1927 als Sohn von Hans Thirring geboren.
Noch keine 16 Jahre alt, wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und konnte daher das Gymnasium nicht beenden.
Ursprünglich interessierte sich Walter Thirring zwar mehr für Musik, doch nachdem der Bruder, der für die Fortführung der Karriere des Vaters vorgesehen war, im Zweiten Weltkrieg gefallen war, kam Walter Thirring doch zur Physik.
Nach Kriegsende, das er in einem Tiroler Lazarett erlebte, überzeugte er den Dekan der Universität Innsbruck von seinen Physikkenntnissen und durfte ohne Maturazeugnis inskribieren. Das Studium schloss er in der Mindestzeit von drei Jahren ab und erlangte er die Doktorwürde (mittels Sondererlass) auch ohne Hochschulreife. (Stark verspätet bekam er 2009 von seinem Gymnasium, der Neulandschule in Wien-Grinzing, ein Maturazeugnis "honoris causa".)
Nach der Promotion ging Walter Thirring ins Ausland, wo er mit den bedeutendsten Physikern seiner Zeit zusammenarbeitete: er war bei Erwin Schrödinger am Dublin Institute for Advanced Studies und Bruno Touschek in Glasgow; er arbeitete bei Werner Heisenberg am Max-Planck-Institut in Göttingen und bei Wolfgang Pauli an der ETH-Zürich. Er heiratete 1952 und nahm eine Stelle an der Universität Bern an.
Es folgt eine Einladung an das Institute of Advanced Studies in Princeton (USA), wo er Einstein traf; weitere Stationen in seinen "Lehr- und Wanderjahren" waren das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und eine Gastprofessur an der University of Washington in Seattle.
1959 kehrte Walter Thirring nach Österreich zurück und wurde Professor für Theoretische Physik an der Universität Wien. Hier gelang ihm 1975 gemeinsam mit dem US-Physiker Elliott Lieb sein wohl bekanntester mathematischer Beweis: mittels der sogenannten "Lieb-Thirring-Ungleichungen" konnten sie zeigen, dass Materie stabil ist und Elektronen und Atomkerne nicht aufgrund der anziehenden elektrischen Kräfte in sich zusammenfallen.
Walter Thirring leitete von 1968 bis 1971 als Direktor die Abteilung für theoretische Physik am CERN (Europäische Organisation für Kernforschung). Wieder zurück in Wien, war er 1993 gemeinsam mit Peter Michor und Heide Narnhofer maßgeblich an der Gründung des Internationalen Erwin Schrödinger Instituts für Mathematische Physik (ESI) beteiligt.
In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Walter Thirring dem Schreiben von Büchern. In "Kosmische Impressionen - Gottes Spuren in den Naturgesetzen" sowie "Baupläne der Schöpfung" versuchte er, Wissenschaft und Religion auszusöhnen, indem er darlegte, dass die beiden einander nicht ausschließen und näher seien, als die Protagonisten glauben.
Die Verpflichtungen, die er mit der theoretischen Physik eingegangen war, haben ihn von seiner großen Leidenschaft nicht abgehalten: dem Musizieren. Er komponierte und spielte Orgel.
Am 19. August 2014 starb Walter Thirring in Wien.
Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#
- Erwin Schrödinger Preis, 1969
- Max Planck Medaille, 1977
- Preis der Stadt Wien, 1978
- Großes Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1993
- Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold, 1993
- Ehrendoktorat der Comenius Universität Bratislava, 1994
- Henri Poincaré Prize of IAMP (Int. Association of Mathematical Physics), 2000
- Paul Watzlawick-Ehrenring, 2013
Werke (Auswahl):
- Einführung in die Quantenelektrodynamik, 1955
- Lehrbuch der mathematischen Physik, 4 Bände, 1977-80
- Lust am Forschen: Lebensweg und Begegnungen (Autobiographie), 2009
Weiterführendes#
- Wiener Zeitung/APA: Wiener Physiker Walter Thirring verstorben (Essay)
- Markl, P.: Ein lustvoller Forscher (Essay)
Quellen#
- AEIOU
- Wiener Zeitung
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Paul Watzlawick Ehrenring
- Biographie W. Thirring
- APA /OTS Presseaussendungen
Redaktion: I. Schinnerl