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Wogrolly, Monika #

* 11. 8. 1967, Graz


Schriftstellerin, Kulturmanagerin, Philosophin


Monika Wogrolly. Foto
Monika Wogrolly. Foto

Monika Wogrolly wurde 1967 in Graz geboren.

Nach der Matura am akademischen Gymnasium in Graz war sie Autorin und Mitarbeiterin im Lektorat des Verlages Leykam in Graz.

Sie studierte Philosophie und Deutsche Philologie in Graz und promovierte 2003. Außerdem machte sie eine Ausbildung zur Psychotherapeutin, arbeitete an einem bioethischen Forschungsprojekt zur Hirntod-Problematik mit und war als Werbetexterin tätig.


2001 eröffnete sie in Graz eine Philosophische Praxis, neben Einzelgesprächen bietet sie seit 2006 als eingetragener Coach Unternehmensberatung an und ist an der Univ.-Kinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie in Graz als Klinikphilosophin beschäftigt.


Sie publizierte zahlreiche Beiträge für Literaturzeitschriften (lichtungen, wespennest), Rundfunkbeiträge und Texte in Anthologien. Zudem hat sie inzwischen bereits fünf Romane veröffentlicht und gibt eine zweisprachige Kulturzeitung LIVING CULTURE heraus.


Monika Wogrolly ist Mitglied der Grazer Autorenversammlung und der Literar-Mechana.


Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn Lukas in Graz.

Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#

  • 1986 Literaturförderungspreis der Stadt Graz
  • 1989 Literaturstipendium des Landes Steiermark
  • 1993 Förderungspreis des Landes Steiermark für Literatur
  • Österr. Staatsstipendium für Literatur
  • Förderungspreis der Stadt Wien
  • 2004 frauen.kunst.preis


Werke (Auswahl):

  • Sturzflug ins Schwebende. Prosa. Hrsg.: Emil Breisach. Graz: Leykam, 1987.
  • Suche meinen Lehrer. Graz: Leykam, 1993.
  • Suche meinen Mörder. Roman. München, Wien: Deuticke, 1994.
  • Ins Feuer. Roman. München, Wien: Deuticke, 1995.
  • Die Menschenfresserin. Roman. München, Wien: Deuticke, 2000.
  • Herzlos. Roman. Wien, Frankfurt/M.: Deuticke, 2002.
  • Rabenbraten. Roman. Wien, München: Deuticke, 2004.
  • Abbilder Gottes. Demente, Komatöse, Hirntote.


Leseprobe#

aus Monika Wogrolly - "Die Menschenfresserin"

Der Pakt mit dem Teufel

Unvermittelt bricht der Himmel auf. Wasser strömt heraus, zieht alles mit sich und schwemmt es bis ans Ende der Geschichte. Die Luft nimmt den Geruch des Regens an. Das Wasser peitscht mich und andere unter die Kolonnaden der Oper zurück. Während sich zwei heftig zu küssen beginnen, werden Straßen und Plätze überflutet. Der Mann hat seinen Oberkörper entblößt; das nasse Hemd schmiegt sich wie ein schlafendes Kind mit lang ausgestreckten Ärmeln an seine Schultern, während sie ihn mit den Unterarmen reibt. Wann ich entstanden bin, hat man mir eingeschärft, doch halte ich alles für den Zufall eines Kaiserschnitts, irgendwann Anfang der siebziger Jahre, als die Mode geschmacklos war. Der junge Mann nimmt sie an der Hand. Er bietet ihr an, mit ihm durch den Regen zu laufen. Sein Kopf geht vor und zurück, ihre Nasenspitzen stoßen zusammen, sein Mund sucht ihren Mund, und vor und zurück geht ihr etwas tiefer sitzender Kopf. In wenigen Minuten wird er sie einladen, bei ihm Tee zu trinken. Und ich werde das

Ergebnis dieser Teestunde sein. (S. 7) © 2000, Deuticke, Wien, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
LITERATURHAUS


Rezensionen (Auswahl):#

Rezension.
Vatersuche.

"Herzlos" ist Wogrollys vierter Roman. Nach "Suche meinen Mörder" (1994) und "Ins Feuer" (1995) widmete sich die Autorin verstärkt ihrem Studienabschluss. Ihre persönlichen Erfahrungen im Bereich eines bioethischen Forschungsprojekts - Schwerpunkt: Hirntod und Organtransplantation - schlugen sich im dritten Roman "Die Menschenfresserin" (2000) nieder. Im Vergleich zu den Texten aus der Mitte der Neunzigerjahre war dieser Text mit einer Überfülle von reflexiven Passagen ausgestattet. Nicht mehr die Wut angesichts der individuell erfahrenen Lebensumstände schien den Erzählfluss in Gang zu halten. Zu Recht wurde nach dem Erscheinen der "Menschenfresserin" von der Kritik eine zu geringe Distanz zwischen dem Erzählten und der persönlichen Erfahrungswelt der Autorin festgehalten. "Herzlos" ist dagegen ein ungleich besser gelungener Text.
Es ist die Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung, in der für die erzählende Tochter zu vieles unbeantwortet geblieben ist. Zugleich verunmöglichen diese Erfahrungen tiefere Beziehungen, so sehr sie auch an der Oberfläche gesucht werden. Wogrollys Stärke liegt in ihrer sprachlichen Fokussierungskraft, mit der sie oft auf engstem Raum Stimmungen und Haltungen offen legt: "Ich warf mich gegen den größten Widerstand an ihn. Wir verschmolzen. Doch nur um das Gift in mir mit einem noch stärkeren Gift zu bekämpfen." Und wenig später heißt es: "Ein jeder, der sich für mich interessiert, erweckt bei mir einen Verdacht." Sexualität ist ein zentrales Thema des Textes. Immer wieder ist die Erzählerin erstaunt darüber, wie leicht Männer auszurechen und zu "bekommen" sind, und doch ist es immer nur sie selbst, die sich ein zumindest vorübergehendes Glücksgefühl ermöglicht oder verweigert. "Herzlos" ist nicht nur eine Metapher über das Elend menschlichen Miteinanders, der Roman ist auch eine oft mit großen Sarkasmus vorgetragene Abrechnung mit den gesellschaftlichen Moden unserer Zeit, nicht zuletzt dann, wenn er -augenzwinkernd (?) - Wogrollys Lust am Psychologisieren, das auch hier wieder stark zum Vorschein kommt, selbstkritisch in Frage stellt: "Manchmal ertrage ich die Psychologin in mir nicht."
Hans Putzer
4/2002 *Sz*


Rezension: Der Titel sollte potentielle Leser schon warnen: Dieses Buch ist keine Lektüre für schwache Gemüter. Sprachlich nicht und inhaltlich schon gar nicht. Über Sprünge und Abbrüche hinweg können Leser in intensiven und keineswegs harmlosen Bildern die Selbst- und Fremdvernichtung einer Frau namens Rosa verfolgen. Eine Geschichte, die - wie es heißt - keinen Anfang und kein Ende hat. Und doch sitzen am Ende, das in den Roman in Andeutungen hineinblitzt, Menschen vor dem Fernseher um sich über eine in Texas zum Tod verurteilte Mörderin zu informieren. Ein blutiges Ende eines psychoanalytischen Falls, den der Leser, die Leserin mit zunehmender Beklemmung liest, immer wieder hineingezogen und abgestoßen vom Wiederholungszwang der Hauptperson, die bis zu ihrer letzten Tat scheinbar nichts unternimmt, um nicht mehr unterdrückt, gequält, misshandelt zu werden. Warum sich Rosa gerade die Männer aussucht, die sie sich aussucht: einen transsexuellen Arzt, einen sie misshandelnden und quälenden Psychiater und diesen ominösen Yogalehrer, wird vielleicht plausibel, indem Kindheit und Jugend als Folie dazugeblendet werden. Aber irgendwie scheint das Szenario doch ein wenig zu konstruiert. Wird hier bewusste Distanz erschrieben, um Parallelen zur Realität von vornherein zu verweigern, auszuschließen? Wenn das so ist, was soll dann aber die Abbildung der Autorin auf dem Cover des Romans? Ist das Unachtsamkeit, Irreführung oder bewusste Anspielung? Ohne der Frage nach autobiographischen Bezügen hier näher nachzugehen, kann aber zumindest noch festgehalten werden, dass die Autorin psychotherapeutisch geschult und auch im Bereich der Hirntod-Forschung tätig ist, also über die Themen Bescheid weiß, die in diesem Roman wichtige Rollen spielen. Brigitte Schwens-Harrant
*Sz* Jänner 2001

Rezension: Unter Menschenfressern / Monika Wogrollys dritter Roman
Als 1994 Monika Wogrollys erster Roman .Suche meinen Mörder. erschien . vorangegangen war 1987 der kleine Prosaband .Sturzflug ins Schwebende. ., waren die Reaktionen der Kritik ziemlich einhellig. Gelobt wurde die .erstaunliche Begabung. der jungen Autorin, die mit ihrer eigenwilligen, expressiven Sprache aufhorchen ließ und, da sie mit hohem Einsatz spielte, auch viele Abstürze und Entgleisungen riskierte. Bereits der 1995 folgende Roman .ins feuer. hatte sprachlich gewonnen. Es ist die Geschichte von der schicksalhaften Lebensuntüchtigkeit und Todesverfallenheit von vier Schwestern, deren Lebensenergie an einer dominant-herrischen Mutter irreversibel zerbrochen ist. Deutlich weniger häufig verlieren sich hier die Sätze in endlosen, nicht ganz geglückten Verschachtelungen. Am häufigsten noch in jenen Passagen, die stilistisch bei Thomas Bernhard Anleihen nehmen, was Blick und Gefühl für die Meisterschaft schärft, mit der Bernhard den Leser aus seinen Periodenlabyrinthen stets mühelos wieder herausführt. In ihrem dritten Roman, .Die Menschenfresserin., scheint die Autorin eine Form gefunden zu haben, die ein reibungsloseres Ineinander der erzählerischen Verschlingungen und vor allem der Verknüpfung der verschiedenen Zeitebenen ermöglicht. Die erzählerische Zauberformel des Romans lautet: .später, viel später wird sie dann.. Auf diese Art wird der Lebensbericht einer jungen Frau erzählbar aus der Startposition des Kindes, das sie einmal war. Das ermöglicht ein . mitunter vielleicht etwas zu . direktes Verknüpfen der Kindheitsprägungen mit den Obsessionen, die das Leben der Ich-Erzählerin Rosa prägen und zerstören werden. Zum Unterschied der vorangegangenen Romane ist diesmal scheinbar eine exit-Strategie vorgesehen: Rosa wird ihrem Schicksal so lange ausgeliefert bleiben, bis sie .aus der Geschichte., die sie hier erzählt, ausgestiegen sein wird, heißt es immer wieder. Daß dieser Ausstieg kein ganz glücklicher sein kann, war zu ahnen, die Pointe des Schlusses bleibt dennoch überraschend. Rosa ermordet einen der sie quälenden Männer ziemlich grausam. Doch entpuppt sich die traditionelle .Befreiungstat. unterjochter (Frauen-)Figuren als versteckter Selbstmord, denn Rosa mordet in Texas, in der nicht unberechtigten Hoffnung auf die besondere Exekutionsfreudigkeit dieses Bundesstaates.
Das Handlungsgerüst mag auf den ersten Blick etwas kompliziert und zugleich auch etwas platt-psychologisierend wirken. .Alles wird gelüftet, um dahinterzusehen. Aber man kommt nie dahinter, Vorhang für Vorhang wird umsonst gehoben., läßt die Autorin (als ausgebildete Psychotherapeutin) Rosa über die Psychologensprache ihres Psychiater-Freundes Pascha sagen. Man wird diesen Verdacht auch den ganzen Roman hindurch nicht los.
Der Plot erzeugt ein leises Unbehagen oder doch zumindest Ratlosigkeit. Rosas Lebensdilemma erwächst aus ihrer Erziehung und ihrem familiären Umfeld, in Stichworten zusammengefaßt: bigottes Elternhaus, übermächtig-dominante Mutter-Großmutter-Phalanx, schwache, für Rosa als Mädchen völlig unerreichbare Vaterfigur, systematische Benachteiligung dem älteren Bruder gegenüber, der die kleine Schwester arg tyrannisiert. Daraus ergeben sich für die Autorin Rosas Ich-Schwäche, ihr psychischer wie physischer Masochismus und in der Folge die wahllose Suche nach männlicher Anerkennung in einer langen autodestruktiven Kette sexueller Abenteuer und aussichtsloser Liebesbeziehungen, entweder zu völlig desinteressierten (der Lateinlehrer als Spiegelung der Vaterfigur) oder brutalen (der Psychiater Pascha als Spiegelung der Bruderfigur) Männern.
Da Rosas Erzählung bis in unsere Tage reicht . was wir spätestens bei Erwähnung des Big-Brother-Containers zweifelsfrei erkennen . und Rosa eine noch junge Frau ist, wird man, was ihr Alter betrifft, mit dem Geburtsjahr der Autorin, 1967, nicht ganz falsch liegen. Und da drängt sich die Frage nach der historischen Verankerung der hier geschilderten Eltern/Mutter-Tochter-Problematik auf. Sicherlich, die geschilderte Kleinstadt .Miesen. ist tiefste Provinz, und die Eltern mit ihrer engen familiären Bindung an kirchliche Würdenträger wie den Pfarrer Schwob (bis zu seiner Zwangsversetzung der Geliebte der Mutter) und den Schwestern der Klosterschule, die Rosa besucht, gehören nicht dem aufgeschlossensten sozialen Milieu der siebziger Jahre an. Trotzdem beschleicht einen irgendwie der Verdacht, hier wird nicht gegen eine Wirklichkeit angeschrieben, sondern gegen eine literarische Tradition. Hier relativiert eine Autorin der jüngeren Generation jene positiven literarischen Generationsentwürfe, die den traditionell kinder- und vor allem mädchenfeindlichen Aufzuchtsmodellen patriarchaler Prägung matriarchal dominierte Geschlechterfolgen entgegensetzten . als Geste der Hoffnung und des Aufbruchs. Amy Sternwieser (aus Barbara Frischmuths Trilogie) zurück an den Start, gewissermaßen. Rosas Beziehung zum Psychiater Pascha . Ein sadomasochistisches Versklavungsprojekt . Ist als Neufassung der Bachmannschen Konstellation Dr. Jordan/Franza lesbar, wobei die Szenerie nicht nur um Paschas physische Gewalttätigkeit modifiziert ist, sondern ganz wesentlich durch die Akzentuierung von Rosas Mittäterschaft. (Als Germanistin versäumt es die Autorin auch nicht, eine Bachmann-Reminiszenz direkt in den Roman zu verpacken: sie läßt Rosa nicht nur Thomas Bernhard-Kultstätten in Salzburg und Ohlsdorf, sondern auch das Ungargassenland visitieren.)
Die Grundkonstellation von übermächtiger Mutter/lebensunfähiger Tochter ließ schon bei der Lektüre von .ins feuer. etwas Unbefriedigendes zurück. Denn weder wurde die erdrückende Dimension der Mutterfigur ganz plausibel, noch die manischen Fluchten der Töchter in selbstzerstörerische sexuelle Abenteuer. Sie führen in beiden Romanen zu frühen Schwangerschaften (es werden ihnen Söhne geboren werden, keine Töchter), die für den Reifungsprozeß der jungen Frauen ohne jede Auswirkung bleiben. Überhaupt sind die beiden Romane thematisch eng verwandt, und in einzelnen Momenten wirkt der neue Roman wie eine präziser ausgearbeitete und sprachlich verfeinerte Überarbeitung seines Vorgängers, wo Rosas Charakterstruktur und ihre Erlebnisse auf die vier Schwestern verteilt sind. Eine Reihe von Kindheitserinnerungen (die sechs Stoffelefanten, mit denen der Bruder Rosa bzw. die vier Schwestern tyrannisiert, oder der Kaninchenkäfig, den er in den Garten zu werfen befiehlt), sind ebenso gleich geblieben wie Details der Familiengeschichte (das Drama der geschiedenen Großmutter, der schwache, an den Kindern völlig desinteressierte Vater) oder Ort, Umstände und Folgen der Entjungferung, die Rosa und Lotte, die jüngste der vier Schwestern, völlig ident erleben. Und noch eine große Parallele gibt es zwischen den beiden Romanen: die Verschränkung der erzählten Geschichten mit den von den Figuren der Handlung niedergeschriebenen Notizen und Geschichten, und auch das gelingt im jüngsten Roman besser und hintersinniger.
.ins feuer. war nur ein Jahr nach dem recht positiv aufgenommenen Romanerstling der Autorin erschienen, und es ist eine bloße . vielleicht unlautere . Vermutung, Verkaufs- und Verlagskalküle könnten die junge Autorin nach dem Achtungserfolg bewogen haben, rasch das Folgewerk nachzuliefern, obgleich der Stoff, die Themen und Figuren für sie noch nicht .fertig. waren, noch nicht ihre endgültige Form gefunden hatten.
Zu bestreiten ist jedenfalls nicht, daß sich die Weiterarbeit gelohnt hat.
Zu den stärksten und gelungensten Passagen des Romans zählen jene, die sich aus dem unmittelbaren Erleben der Autorin herschreiben dürften. Etwa die ausführlich geschilderte erste kindliche Leseerfahrung (Hatschi Bratschis Luftballon, auch das vielleicht kein ganz generationsspezifischer Lesestoff) oder die beklemmenden Innenansichten des Alltagshorrors in der geschlossenen Psychiatrie und in der Station für Hirntote, in der Rosas transsexueller Geliebter Karl(a) arbeitet. Beide Handlungsorte kennt die Autorin laut Verlagsinformation aus eigener Berufserfahrung. Die Verknüpfung dieser beiden makabren Orte, die Rosa über ihre dort arbeitenden Liebhaber betritt, mit der als Verrat der Mutter erlebten Krankenhauserfahrung im Kleinkindalter mit dem Gestus .Rückkehr zum Ort der Schändung., ist allerdings wieder weniger einleuchtend und wäre auch entbehrlich gewesen. Aber wer vermag über den Teufelskreis sehr kleiner Alltagserlebnisse in der Kindheit und sehr, sehr großer Folgen für die Psyche des Erwachsenen schon endgültig zu rechten und zu richten.
Monika Wogrollys dritter Roman ist in jedem Fall lesenswert, und gleichgeblieben ist auch die Spannung und Erwartung, mit der man ihren nächsten Arbeiten entgegensehen darf.

*LuK* Evelyne Polt-Heinzl, Quelle: Literatur und Kritik

Rezension:
Es ist ein verwirrendes Buch über eine Frau, die nach dem Leben sucht und doch keine Vorstellung davon hat, wie das, was sie sucht, auszusehen hat.
"Ein neues Leben, meinst du, das fliegt einfach so zum Fenster herein? Meinst du wirklich, man kann es sich bei einem Psychoanalytiker kaufen und umhängen?" Weder Mann noch Liebhaber können ihr etwas anbieten, in dem sie sich wiedererkennt und findet. Die Geschichte ist unglaublich. Bilder entstehen, auf die man sich nicht einlassen will, die Angst machen und befremdlich wirken. Dennoch kann man dem Buch eine gewisse, fast schon unheimliche Faszination nicht absprechen. Die alles entscheidende Frage zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Hat sie gemordet oder nicht? Wenig an der Geschichte ist nachvollziehbar, vieles bleibt undurchsichtig. Fest steht nur, dass die Frau auf der Suche ist. Munter mixt Wogrolly Zitate von Wittgenstein bis Heidegger, gewichtet diese gleichermaßen mit dem Vogelfund und erzählt locker vom triebhaften, nicht auf hedonistische, sondern überaus neurotische Weise nymphomanen Leben der Hauptfigur, einer Wiener Journalistin Mitte dreißig, deren Ehe am Ende zu sein scheint, deren Töchter mit dem Vater seit einiger Zeit bereits in Rom leben, wo sich die Familie gemeinsam niederlassen wollte, und deren seelische Zerrissenheit sich als roter Faden durch die Erzählung windet.
In ihrem Leben scheint es keine Grenzen zu geben. Ständig spricht sie in Rätseln. Ihre Worte wirken verworren. Wirklichkeit und Traumwelt verschwimmen miteinander. Ihr Bewusstsein ist verzerrt. Ist sie wirklich krank oder nutzt sie ihre Begabung als Journalistin, die Wahrheit hinter Geschichten zu verstecken? Verbirgt sich etwas hinter ihren Wahnvorstellungen? Spielt sie ein Spiel? Steht sie auf der Bühne und rechtfertigt einen Mord? Hat sie ihm Schlafmittel gegeben und den Gashahn aufgedreht oder nicht. Versucht sie den Kopf aus der Schlinge zu ziehen oder existiert am Ende auch der Mord nur in ihrer Fantasie?

*Bücherschau* Renate Bernardyn-Gabler, Quelle: Bücherschau (Büchereiservice des ÖGB)


Rezension: Die Autorin befiehlt Glück .
Monika Wogrolly legt einen zwiespältigen neuen Roman vor: "Rabenbraten"
Literarisch empfinde ich das Ende des Romans als empörend. Wogrolly klebt ihrer Ich-Protagonistin, buchlang eine glaubhafte, in sich schlüssige Figur, auf den letzten zwei Seiten ein Happyend an die Biographie, mit dem sie alles, was 362 Seiten lang zu Erlebnis und Erkenntnis gestaltet war, desavouiert. Wo war der Lektor?, wo die Autorin?
Die Heldin war längst und plausibel festgeschrieben als Neurotikerin mit erheblichen Defekten im Sozial- und Geschlechtsverhalten, bindungs-, realitäts- und identitätsschwach. Sie hat sich zur Trennung von ihrer Familie entschlossen. Wir begleiten sie abwechselnd in die Analyse und in die Einsamkeit ihrer zur Weitervermietung entleerten Wohnung. Ein junges Leben lang ist sie mit ihrem Körper auf der vergeblichen Suche nach ihrer "verlorenen Seele". Über ihre Sexualität liefert sich die Heldin der Glücksverheißung des anderen Geschlechts aus, das die Glückserfüllung prinzipiell nicht leisten kann. Das ist ja ein Generalthema von Wogrollys Romanen.
Dazu wird im neuen Roman besonders viel und lange erzählt. Man akzeptiert das schließlich: Auch die Autorin ist viel und lang und braucht dafür Zeit. Außerdem überzeugt der Roman durch Zugewinne an Leichtigkeit, Stilsicherheit und transrealistischer Souveränität. Ich halte Wogrolly sowieso für eine unterschätzte Autorin.
Die Heldin aber beendet den Roman, indem sie, aktuell enttäuscht von zwei Männern, zu einem dritten geht. Der berührt ihren Körper "an den entsprechenden Stellen". Und schon kommt es "zur Wiedervereinigung von Körper-Ich und Seelen-Ich". Mit einem Federstrich werden der Heldin Liebe, Glück, Heilung, Erlösung beschert, ohne dass wir von der Änderung ihrer (aller) Prämissen verständigt wurden. Das Buch ist zunächst zwingend durch seine (tiefen-)psychologische Kompetenz und Konsequenz (die Heldin ist in Analyse, ihr Mann ist Psychiater, und Wogrolly selbst ist psychiatrisch geschult) - und dann wird der Fall geheilt durch Romantik: Das Geschlecht bekommt seine Seele, die Liebe ihr Absolutes. Die Körper "erzeugten etwas darüber Hinausragendes, das zeitlos und das endlos war und wonach alle vor ihnen gesucht hatten und alle nach ihnen suchen werden". Der konkrete Fall einer neurotischen Glückssuche wird vergeben an eine allgemeine Glücksphilosophie in Phrasenqualität.
Die Heldin hat einen Vogel, metaphorisch, aber auch buchstäblich. Den metaphorischen schafft sie sich träumend so, dass er teilweise Gestalt und Funktion ihres Psychiaters annimmt. Der Psychiatervogel verabschiedet sich von ihr auf der letzten Seite des Buches wie ein pathetischer Religionslehrer bei der Maturafeier: "Sie haben das Fliegen schon erlernt. (.) Bitte denken Sie an mich und antworten Sie mir mit ihren Taten. Ihr Leben, das nun erst beginnt, sei Ihre Antwort." Der Analytiker hat völlig unprofessionell mit seiner Klientin in der Südsee Urlaub gemacht, ist aber vorzeitig entflogen (zurück nach Wien). Er sah die Heilung voraus, die für den Leser unvorhersehbar war und unglaubhaft bleibt. Das ist der Unterschied zwischen psychiatrischer und poetischer Kompetenz, im besten Fall. Schon in Wogrollys letztem Roman ("Herzlos") regte sich am Schluss erstmals etwas wie Hoffnung für die Protagonistin. Die aber war dramaturgisch vorbereitet und psychologisch dezent. Diesmal ist es ein Willkürakt.
Vielleicht sollte man eine Rezension nicht im ersten Zorn schreiben. Oder sich wenigstens anschließend um Ausgewogenheit kümmern: Das Buch lässt sich nämlich literarisch höchst erfreulich an; direkte Sätze ohne kommunikative Gefälligkeiten, Subalterndienste oder kommunikativen Ordnungsfimmel, eine Schreibweise, die in ihrer Autonomie gleichermaßen mitteilt, was Sache ist und wie Literatur funktionieren kann. Eine junge Frau, psychisch traumatisiert, posiert mit ihren Geschichten vor dem Analytiker, und in den Nächten beschwört sie eine märchenhafte und vielgestaltige Hilfswirklichkeit. Weder in der Analyse noch in der Nacht ist ihren Mitteilungen unmittelbar zu trauen. Sie sind Formen und Strategien ihrer Glückssuche. "Ich blicke Ihnen tief in die Augen und lüge! Aber es ist wahr (.)." Gerade die Lüge enthält die Wahrheit über den Lügner. Das ist nicht nur eine psychologisch brauchbare Behauptung, sondern auch eine poetisch brauchbare (und damit eine Qualität des Buches): Gerade die Erfindung enthält die Wahrheit des Dichters; nur der Versuch, die Wirklichkeit zu imitieren, erreicht das Imitierte prinzipiell nicht. Wogrollys Heldin macht Autobiographie und Analyse, indem sie vor allem posiert, erfindet, irreführt, flirtet. Mehr an Wahrheit ist nicht zu kriegen; mehr nicht als die auserzählte Unerreichbarkeit von Wahrheit. Eine Poseurin ist nur in ihren Posen authentisch. Immerhin markieren ihre Posen den Abstand zum Glück (der Glückliche braucht keine Posen) und enthalten auf ihre Weise das Ziehen der Glückssuche.
Manchmal kann man Wogrolly wie einem Kind beim Plaudern zuhören, ihrer unbesorgten Missachtung definierter Realitäten, dem Aufgreifen banaler Märchenmotive, der Geringschätzung von Botschaften, der Parade nächtlicher Einbildungen. Das "Kindliche" mag man bisweilen als kindisch empfinden (wohl auch als uferlos - Lesepausen tun gut), aber ebenso darf es als literarisches Prinzip gelten und birgt literarische Qualität. Die Bilder brauchen und kriegen keine andere Rechtfertigung als ihr Auftauchen. Das ergibt natürlich nicht Beliebigkeit, taucht doch nur das auf, was zur Person gehört und hochwill. Was Wogrolly anzubieten hat, ist vertrauenswürdiges, klares Chaos.
Kann sein, dass der Roman aus der Redewendung "einen Vogel haben" entstanden ist. Im Alltag wird sie leichthin gebraucht und abschätzig gemeint. Wogrolly nimmt sie ernst: Ihre Heldin hat als Neurotikerin landläufig "einen Vogel". Ein Vogel hat aber auch metaphorischen Freiheitsappeal: er kann fliegen. Wogrollys Heldin kann nicht fliegen (= lieben), nicht einmal den verheißungsvollen Brief aus dem Schnabel des Volkslied-Vogels abholen. Sie meint, einen Mord an einem Mann begangen zu haben, verlässt dessen Wohnung, birgt auf der Straße einen aus dem Nest gefallenen Vogel und eilt zum Psychiater. Der heißt Rabe, das vermeintliche Mordopfer heißt Burt (Bird!) Wings (Flügel!). Der Vogel (seine Flugfähigkeit) dominiert dann auch die Träume und Einbildungen der jungen Frau, wird von vornherein zur Rezeption empfohlen: "Man könnte sagen, einen Vogel zu haben, sei zum Verständnis meiner Geschichte erforderlich. Wenn sich durchaus kein Vogel auftreiben lässt, rate ich Ihnen, sich vorzustellen, dass einer zu Ihnen unterwegs ist."
Gegen Schluss ändert die Erzählerin ihre Erzählhaltung, indem sie vom Südseeurlaub mit Doktor Rabe vergleichsweise linear und sachlich erzählt (für einen Absatz lang sogar in der auktorialen 3. Person). Diese Abkehr von der notorisch wie poetisch eingebrachten Unwahrheit beschert der Erzählung eine Einbuße an Wahrheit. Sie gipfelt in der Unwahrheit des Happyends.
Zurück also zum Zorn: Die Erzählerin kann jetzt fliegen. Im Flug ist nicht mehr erwähnenswert, was sie auf der Erde zurücklässt (einen Gatten, zwei Töchter, ein paar Liebhaber), dass sie weiterhin der Schwerkraft gehört und vor allem, dass Fliegen nicht deswegen möglich ist, weil eine Autorin es aufs Papier schreibt.

*LuK* Helmut Gollner, Quelle: Literatur und Kritik


Information zu DACHSTEIN: CULT#


Europas höchst gelegener Kulturstützpunkt am Gletscher im alten Restaurant der Bergstation


Der Stein kommt ins Rollen:
Am 14. November 2004 öffnete in den Räumen des alten Restaurants der Hunerkogel-Bergstation das europaweit höchste Kulturzentrum seine Pforten. Den Stein ins Rollen brachte nach intensiver Vorbereitung die Grazer Kulturinitiative Art:Network (Monika Wogrolly) in Partnerschaft mit der Planai-Hochwurzen-Gesmbh (Albert Baier) und regionalen Kunstschaffenden.


Der Dachstein - Kulturbaustein Europas:
Der Dachstein als Kulturbaustein im neuen Europa steht für die Verbindung natürlicher und kultureller Werte, den Rückgriff auf kreative Ressourcen dieses Landes und die konstruktive Verbindung von künstlerischem Potenzial auf hochwertigem internationalen Niveau.


International Networking – von höchster Qualität:
Die Philosophie des Dachsteins ist eine Philosophie der Netzwerke. Eine Philosophie der Partnerschaft zwischen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Der Kulturbegriff ist ein offener, dynamischer. Er ist bewusst weit gesetzt und umfasst neben traditionellen Kunstformen wie Literatur, Komposition und Bildender Kunst auch unkonventionelle Disziplinen, neue Medien, Lifestyle und Kulinarik. Kultur braucht Raum, um überhaupt zur Wirkung zu kommen. Ein solcher kultureller Freiraum des Denkens und der Begegnung existiert am Dachstein.


„Es geht himmelwärts“ – Kreative Geister beleben den Dachstein:
Im April 2005 starteten unter dem Titel „DACHSTEIN:ART“ die auf 2700 Höhenmetern weltweit höchsten Gastateliers für KünstlerInnen. Periodisch bewohnen Kunstschaffende von internationalem Format aus überwiegend urbanem Milieu das Kulturzentrum in der Bergstation. Sie setzen sich und ihre Arbeit den ungewohnten Bedingungen der Höhe aus, wobei die sauerstoffärmere Luft, das veränderte Licht, die speziellen Farben des Gletschers die Wahrnehmung und das künstlerische Schaffen beeinflussen. Die weltweit höchste Künstlerwohngemeinschaft auf dem Gipfel der Kreativität und Sinnlichkeit steht für Kommunikation und Vernetzung von Natur und Kultur, urbanem Lifestyle und alpiner Ästhetik, traditionellen Sparten und neuen Medien am Puls der Zeit. KünstlerInnen aus Metropolen der Welt haben am Dachstein Gelegenheit, sich natürlicher Werte zu besinnen, kreative Energie und Inspiration zu tanken. Die jeweils entstandenen künstlerischen Coproduktionen werden in jährlich stattfindenden Präsentationen am Dachstein als Kulturbaustein Europas der Öffentlichkeit vorgestellt.

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl