Trautl Brandstaller: Die neue Macht der Frauen#
Trautl Brandstaller: Die neue Macht der Frauen. Sieg der Emanzipation oder Krise der männlichen Eliten? Styria Verlag Graz 2007. 208 Seiten, ISBN-13: 978-3222132230
Bekenntnis zum Feminismus (Essay)#
„Ich wollte keine Lady werden“
In ihrem neuen Buch „Die neue Macht der Frauen“ skizziert Trautl Brandstaller eine „Krise der männlichen Eliten“ und porträtiert starke Frauen an der Spitze der Macht. Ein Interview über Demokratie, Medien und eine neue Generation von Feministinnen. Von Gabi Horak
Sie war über zwanzig Jahre lang ORF-Journalistin, leitete das allererste Frauenmagazin im deutschsprachigen Fernsehen, interviewte 1979 Simone de Beauvoir und bekam dafür dreißig Minuten Sendezeit. Trautl Brandstaller war auch in den Anfängen des „Profil“ dabei, drehte Dokumentationen, schreibt Bücher – und bezeichnet sich als ein „altes Möbel“ der Frauenbewegung in Österreich. Der ORF hat die heute 69-Jährige pünktlich zu ihrem Sechzigsten gekündigt. Auch am Küniglberg haben es alte Männer leichter.
an.schläge: Sie waren zwei Jahrzehnte lang ORF-Journalistin. Wie schaut es mit der Präsenz von Frauen im ORF heute aus?
Trautl Brandstaller: Der ORF war in den 1970er Jahren ein Vorreiter. Ich habe damals das erste Frauenmagazin „Prisma“ gemacht, das gab es im gesamten deutschen Fernsehen nicht. Es war sehr schwierig, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Ich war auch die erste Frau, die ein Magazin geleitet hat. Das waren diese lustigen 1970er Jahre. Es hat seither durchaus Fortschritte gegeben. Der Sündenfall des ORF in Richtung Selbstkommerzialisierung beginnt für mich 1994 mit dem Generaldirektor Zeiler, der aus dem ORF eine Kopie von RTL gemacht hat – und so war dann auch das Frauenbild. Es gab durchaus viele Frauen auf dem Schirm – in der Entertainmentsphäre. Aber das durften sie schon immer: die neckischen Nummernpuppen. Es gab sehr viele Moderatorinnen und in den Chefpositionen wieder weniger Frauen. Die Situation der Frauen in den Medien hängt immer damit zusammen, wie das Demokratiebewusstsein allgemein entwickelt ist. Wenn der öffentlich-rechtliche Charakter des ORF betont wird – etwa seine Rolle für die Demokratie –, dann wird man auch die Gleichberechtigung der Frauen betonen. Wenn aber Entertainment und Unterhaltung betont werden, dann wird das Thema Gleichberechtigung keine Rolle spielen.
an.schläge: Was ist von einer Demokratie zu halten, in der im Regelfall sämtliche Schlüsselpositionen von Männern besetzt sind?
Trautl Brandstaller: Es ist eine halbe Demokratie. Frauen in Schlüsselpositionen – das hat auch direkte Konsequenzen: Themen, die, wenn sie von Männern abgehandelt werden, Randthemen der Gesellschaft sind, rücken ins Zentrum. Zum Beispiel die Frage des flächendeckenden Angebots an Kinderbetreuungsplätzen. Seit in Deutschland eine Frau Bundeskanzlerin ist, wird das Thema ernst genommen. Insofern ändert sich die Thematik, wenn Frauen an der Macht sind.
an.schläge: Worin zeigt sich die von Ihnen diagnostizierte „Krise der männlichen Eliten“?
Trautl Brandstaller: Die Krise der männlichen Eliten besteht für mich darin, dass sie keine Antworten finden auf die offene Krise des Sozialstaats und die latente Krise der Demokratie. Wir alle spüren, dass die westlichen Demokratien an einem schwierigen Punkt sind. Das zeigt sich u.a. am Rückgang der Wahlbeteiligung, am steigenden Desinteresse an Politik. Der tiefere Grund ist natürlich – da komme ich zu einer sehr linken Position, die ich im Buch gar nicht so artikuliert habe: Der entfesselte Kapitalismus unterminiert die Basis unserer Demokratie. Langsam sickert es ins Bewusstsein ein, dass, wenn die Einkommensschere so weit auseinander klafft, es in der Demokratie zu bröseln beginnt. Ich glaube, dass ein Großteil unserer männlichen „Eliten“ einfach kein Bewusstsein für diese Fragen entwickeln, weil sie selber Gewinner des Systems sind. Sie sind oft auch weniger betroffen.
an.schläge: Frauen wären besser in der Lage, diese Krise zu bewältigen?
Trautl Brandstaller: Frauen per se natürlich nicht. Aber Frauen erkennen dort mehr Lücken, wo sie selbst betroffen sind. Ich glaube, jede Krise betrifft zuerst Frauen. Frauen sind betroffener und deswegen besteht meine Hoffnung darin, dass sie auch ein anderes Sensorium für gefährliche Entwicklungen haben.
an.schläge: Sie schreiben: „So heftig gegen das Patriarchat in den Mann-Frau-Beziehungen gekämpft wurde, so unangefochten blieben die patriarchalischen Strukturen von Gesellschaft und Politik.“ Haben die Frauenbewegungen versagt?
Trautl Brandstaller: Ich komme aus der ersten Generation frauenbewegter Frauen aus den 1970er Jahren. Wir waren wahnsinnig beschäftigt mit Beziehungsproblemen. Der Patriarch im Bett wurde bekämpft, aber in der Firma und in der Politik blieb das Patriarchat aufrecht. Für diese Generation von Frauen war es sehr wichtig, sich aus ihren Beziehungen zu lösen. Ich bin in einem Mädchengymnasium in Wien erzogen worden. Dort hat man uns mit 14 Jahren mitgeteilt, wir sollen uns darauf einstellen, dass wir alle mal Ladys werden. Da hab ich lachen müssen: Was soll das? Ich wollte keine Lady werden! Heute ist eine neue Generation von Frauen herangewachsen – die Töchter der ersten Generation frauenbewegter Frauen – die mit viel weniger Krampf und viel mehr Selbstverständnis ihre Positionen einfordern.
an.schläge: Die „Bildungsexplosion“ – eine neue Generation von gut ausgebildeten Frauen – war Ihrer Meinung nach die Voraussetzung für die Machtergreifung der Frauen.
Trautl Brandstaller: Frauen haben in punkto Bildung de facto mit den Männern gleichgezogen. Das ist eine zentrale Voraussetzung für eine Neuverteilung der Macht – wenn auch keine Garantie. Das ist auch gesellschaftlicher Konsens und kann selbst durch einen konservativen Backlash nicht mehr zurück gedreht werden
an.schläge: Sie fordern formale Gleichheit als Voraussetzung für inhaltliche Veränderung von Politik. Ein Plädoyer für Frauenquoten?
Trautl Brandstaller: Ich war lange Zeit nicht so begeistert von einer Quote. Ich glaube aber, dass sie ein wichtiger Schritt ist für eine Übergangssituation, bis die Gleichheit erreicht ist. Ich selbst war die erste Hauptabteilungsleiterin im ORF, es gab vor mir noch eine zweite Leiterin einer kleineren Abteilung. So lange nur eine Frau bei den Sitzungen war, hat Intendant Ernst Wolfram Marboe ständig sexistische Bemerkungen gemacht. Als wir dann zwei Frauen waren, hat sich das Klima geändert. Konkrete berufliche Erfahrungen sind der Beweis: Die Quantität macht etwas aus in so einer Situation. Insofern bin ich für Quotenregelungen in den zentralen Bereichen, auch bei der Wirtschaftsförderung. Natürlich garantiert die Quote noch keine Qualität – ich möchte mich gar nicht über die derzeitigen weiblichen Regierungsmitglieder äußern. Aber es macht zumindest das andere Geschlecht sichtbar.
an.schläge: Sie schreiben in Ihrem Buch: „Schonender, fürsorglicher Umgang mit Kindern gehört zur genetischen Ausstattung der Frauen.“ Ist das nicht der gleiche Biologismus, mit dem Frauen von Machtpositionen wegargumentiert werden?
Trautl Brandstaller: Das ist wahrscheinlich ein gewisser Biologismus, den ich da niedergeschrieben habe. Ich glaube schon, dass es eine angeborene Neigung gibt, mit Natur anders umzugehen. Es ist kein Zufall, dass das ganze ökologische Thema stark von Frauen besetzt ist. Sie haben wohl eine andere Einstellung zu Natur, zu Kreisläufen, zu Leben. Männer waren tausende Jahre auf Krieg fixiert und Frauen auf Ackerbau, Leben. Insofern würde ich meine Aussage aus dem Buch modifizieren: Es gibt eine starke kulturelle Prägung! Ob sich das auch in den Genen niederschlägt, überlasse ich den Genforschern.
an.schläge: Im Buch zeichnen Sie den Werdegang von drei Politikerinnen exemplarisch nach: die deutsche Kanzlerin Merkel, die französische Präsidentschaftskandidatin Royal und die US-amerikanische Präsidentschaftskandidatin Clinton. Royal ist gescheitert, Clinton steht kurz davor. Sind Sie zu optimistisch, was die „neue Macht der Frauen“ betrifft?
Trautl Brandstaller: Ich glaube schon, dass es ein wichtiges Zeichen war, dass Frauen in zwei wichtigen Staaten sich überhaupt in ein Rennen begeben. Dazu muss man auch sagen, dass der Gegenwind für diese Frauen wahnsinnig stark ist. Bei der Berichterstattung zu Ségolène Royal war eine große Portion Anti-Feminismus im Spiel, und das ist auch bei Hillary Clinton der Fall.
an.schläge: Was wird eine aufstrebende Politikerin mehr beeindrucken: Das Vorbild einer Frau, die es vor ihr versucht hat, oder die Abschreckung, wie mit dieser umgegangen wurde?
Trautl Brandstaller: Man muss sich sowieso eine harte Schale zulegen, wenn man sich in diese Arena begibt. Männer kämpfen um ihre Macht. Frauen müssen sich einen Panzer zulegen und schauen, dass er nicht alle menschlichen Gefühle abtötet. Es gibt einen latenten Geschlechterkampf, das ist überhaupt nicht zu leugnen. Angela Merkel hat auch mit wenig zimperlichen Mitteln ihre männlichen Konkurrenten abserviert. Das war kein Kaffeekränzchen.
Die neue Macht der Frauen. Sieg der Emanzipation oder Krise der männlichen Eliten. Styria Verlag, 2007, Euro 24,90 (D)
Aus: An.Schläge, das feministische Magazin
Paris Hilton ist ein schwerer Rückschlag für die Frauenbewegung (Essay)#
Trautl Brandstaller im derStandard.at- Interview über Alibi-Frauen in der Politik, Hosenanzüge, fehlende Frauensolidarität und dressierte Äffchen - Mit Gewinnspiel Trautl Brandstaller glaubt nicht an "die Erlösung der Welt durch die Frauen". Sie ist aber für eine gleichwertige Beteiligung der Frauen an der Politik, weil sie "andere Aspekte mit einbringen". Die langjährige ORF-Journalistin und Buchautorin schreibt in ihrem Buch "Die neue Macht der Frauen" über drei Frauen, Angela Merkel, Ségolène Royal und Hillary Clinton, die Führungsansprüche an die Politik stellen.
Im Gespräch mit Rosa Winkler-Hermaden nennt Brandstaller Gründe, warum Frauen es heute leichter haben an die Spitze zu kommen, als in den 70er Jahren, sie spricht über das Männerbild, das sich noch ändern muss, und erklärt, warum sie weder für das Patriarchat, noch für das Matriarchat ist.
DerStandard.at: In Ihrem Buch geht es um Politikerinnen. Was hat sie dazu veranlasst, ein Buch über Frauen in der Politik zu schreiben?
Brandstaller: Es ist kein Buch über Frauen in der Politik, sondern über das Phänomen, dass erstmals Frauen aus ihren Nischen heraustreten und die Spitze der Macht erreichen. Es gab zwar schon Frauen an der Spitze, bei den Skandinaviern und in Irland, aber vor einigen Jahren war es noch undenkbar, dass eine Frau in einem großen, mächtigen Staat wie Deutschland die Regierung übernimmt, wie es bei Angela Merkel der Fall war.
Bevor Frau Merkel an die Macht gekommen ist haben die Zeitungen geschrieben: "Kann die das?", "Wie schaut die aus?", "Kann so ein Merkel Kanzler werden?" Sie wurde in einer Art und Weise niedergemacht, die unfassbar war. Als sie dann aber an der Spitze der CDU und später auch an der Spitze der Regierung war, ist das sofort gekippt. Die Medien schrieben von "Miss World" oder "Königin der Welt für drei Tage" beim Gipfeltreffen in Heiligendamm. Auf einmal wurde sie von einer Frau, der man nichts zugetraut hat, zu einer Frau, der man alles zugetraut hat.
derStandard.at: Auf dem Cover Ihres Buches sind neben Merkel auch Ségolène Royal und Hillary Clinton abgebildet.
Brandstaller: Angela Merkel war das auffälligste Beispiel. Derzeit läuft das Rennen um die Präsidentschaft in den USA. Ich bin nicht sehr optimistisch, dass Hillary Clinton gewinnt. Aber immerhin, dass eine Frau ernsthaft um die Spitze des mächtigsten Staates kämpft, finde ich interessant.
In Frankreich war es spannend, dass sich erstmals eine Frau um die Präsidentschaft beworben hat. Ségolène Royal ist aber in den Medien nicht sehr fein behandelt worden, auch nicht von ihren männlichen Parteikollegen. Die erste Frage an sie war immer: "Und wer wird auf die Kinder aufpassen?" Ich denke aber, dass die Niederlage von Ségolène Royal eine Niederlage der französischen Sozialisten war. Diese Partei befindet sich in einem ideologischen und personellen Chaos. Auch ein Mann hätte nicht besser abgeschnitten.
derStandard.at: Was für Strategien von Frauen gibt es, um an die Macht zu kommen?
Brandstaller: Die Frauen haben es ziemlich schwer. Sind sie nicht weiblich genug, werden sie als Mannweiber niedergemacht. Das Gegenstück dazu ist das "Weibchen". Bei Hillary Clinton war es am Anfang so, dass sie immer besonders hart sein musste. Mindestens so hart wie Bill, wenn sie schon diesen lockeren Vogel zuhause hat. Jetzt beginnt Hillary Clinton aber langsam damit zu spielen, dass sie eine Frau ist.
Der Durchbruch wird erst dann erreicht sein, wenn eine Frau sich zu ihrer Weiblichkeit bekennen kann und gleichzeitig Führungsstärke hat. Wir müssen soweit kommen, dass eine Frau nicht danach beurteilt wird, ob sie einen Hosenanzug oder einen Rock trägt, sondern danach, was sie im Kopf, und welche Qualitäten, Kompetenzen und Fähigkeiten sie hat.
derStandard.at: Wie sehr hat die Frauenbewegung in den 70er Jahren dazu beigetragen, dass heute Frauen als Politikerinnen erfolgreich sind?
Brandstaller: Politisch aktive Frauen wurden früher von Männern benutzt und vorgeschoben, es gab entweder Alibi-Frauen oder Ausnahmeerscheinungen. Die Frauen, die sich in der Frauenbewegung Anfang der 70er Jahre engagiert haben, wollten die Hälfte der Macht. Ihr Ansatz war: Eigentlich kann eine wirkliche Demokratie nur dann funktionieren, wenn die Frauen eine volle Teilhabe auf allen Ebenen der Macht haben.
derStandard.at: Was hat sich seit den 70ern geändert? Was ist besser geworden?
Brandstaller: Es gibt zwei wesentliche, positive Veränderungen. Das eine ist der rasante Aufholprozess, den die Frauen in der Bildung vollzogen haben. Das ist phänomenal, man kann schon fast von einer Bildungsrevolution sprechen - die Frauen haben es geschafft, völlig gleichzuziehen. Frauen wurden früher abqualifiziert unter dem Motto: "Du kennst dich da nicht genug aus. Bleib bei deinen Leisten - zuhause bei deinen Kindern." Und heute gibt es schon gleich viele weibliche wie männliche Maturanten und bald mehr Akademikerinnen als Akademiker.
Das andere ist eine subtilere Entwicklung, die man nicht so leicht in Ziffern oder empirischen Untersuchungen festhalten kann: es gibt ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Frauen. Meine Generation war zu Beginn der 70er Jahre noch von sehr vielen Minderwertigkeitskomplexen und Schuldgefühlen gegenüber Kindern und Mann, wenn man Karriere machen wollte, geprägt. Diese Minderwertigkeitskomplexe wurden einem sehr subtil vermittelt. In einem frühen Klub 2 hat ein bekannter Theologe es für wunderbar gehalten hat, dass "die Frauen jetzt auch reden können". Im Buch bezeichne ich das als das Phänomen vom sprechenden Hund: eine Frau, die in der Öffentlichkeit geredet hat, wurde behandelt wie ein abnormales Kuriosium.
An den Wirtshaustischen und im Parlament gibt es zwar noch manchmal Sprüche in diese Richtung, aber im Großen und Ganzen sind diese Abwertungsprozesse von Frauen nicht mehr üblich.
derStandard.at: Ich finde es interessant, dass sie Wirtshaustische in einem Atemzug mit dem Parlament nennen.
Brandstaller: Es ist noch gar nicht solange her, als die jetzige Volksanwältin Terezija Stoisits, das Mikro in der Hand hatte und ein ÖVP Abgeordneter ihr eine eindeutige obszöne Bemerkung im Plenum zugerufen hat.
derStandard.at: Wie sieht es mit negativen Entwicklungen seit den 70er Jahren aus?
Brandstaller: Es gibt heute Frauenzeitschriften, wo wir in den 70ern gedacht haben, das ist vorbei. Und es gibt wieder verstärkt das Phänomen der Tussi. Die Frauen werden in die alten Klischees hineingezwängt, sie werden als das Püppchen oder das dressierte Äffchen, das sich nur für Mode interessiert, hingestellt. Paris Hilton ist ein schwerer Rückschlag für die Frauenbewegung. Die Gründe liegen sicher in der wirtschaftlichen Entwicklung. So heftig wie derzeit der Arbeitskampf tobt, ist es natürlich, dass es Versuche gibt, die Frauen aus dem Arbeitsmarkt hinauszudrängen und ihnen einzureden, dass nur der Luxus das Leben lebenswert macht.
derStandard.at: Wie steht es um die Rolle der Männer bei der Förderung der Frauen?
Brandstaller: Ich finde es positiv, wenn man heute junge Väter sieht, wie sie den Kinderwagen schieben oder in Lokalen die Kleinkinder füttern oder in den Schlaf wiegen. Vor dreißig Jahren hätte man einen solchen Mann noch als Waschlappen bezeichnet.
Obwohl noch nicht alle jungen Männer soweit sind, scheint ein Großteil bereit zu sein, neue Aufgaben in einer Partnerschaft zu übernehmen.
derStandard.at: Oft wird die mangelnde Solidarität unter Frauen kritisiert bzw. dass Frauennetzwerke nicht existieren oder dass sie nicht so gut funktionieren. Warum ist das so?
Brandstaller: Männer haben einen historischen Vorteil: sie waren immer in Männerbünden organisiert - ob beim Militär, in der Kirche, in Parteien oder Gewerkschaften. Jetzt, wo es mehr Frauen in den einzelnen Bereichen gibt, müssen Frauen die Solidarität auch erst lernen. Und sie beginnen Netzwerke zu bilden, zum Beispiel Mediennetzwerke.
Trotzdem ist die Frauensolidarität nicht genug entwickelt. Es gibt immer wieder Frauen, die an die Spitze kommen, und Frauen nicht fördern. Die erste Generaldirektorin vom ORF, Monika Lindner, hat nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf die Frage, ob sie jetzt Frauen fördern wolle, geantwortet, sie sieht keine wirklich qualifizierten Frauen hinter sich.
derStandard.at: In Pakistan steht momentan auch eine Frau, Benazir Bhutto, im Mittelpunkt des Medieninteresses. Wie kann man ihre Rolle beschreiben?
Brandstaller: Es gibt in Asien mehrere Beispiele, wo Frauen durch Verwandtschaftsverhältnisse - Töchter, Ehefrauen oder Mütter - an die Macht gekommen sind. Das ist ein anderes Modell als etwa in Europa: Frauen kommen durch ein reines Clan-Denken auch an die Macht. Das hat aber nichts mit einem Fortschritt in der Demokratie zu tun.
Frau sein alleine ist noch kein tolles Programm für die Politik. Benazir Bhutto ist auch nicht ganz unschuldig aus der Politik gegangen und versucht jetzt wieder einen neuen Schritt.
derStandard.at: Frauen sind also nicht die besseren Männer?
Brandstaller: Ich glaube nicht an die Erlösung der Welt durch die Frauen. Ich glaube auch nicht, dass das Matriarchat ein Segen wäre. Mein Plädoyer geht dahin, dass Frauen, wenn sie voll beteiligt sind, auch einen anderen Blick und andere Aspekte in die Politik miteinbringen.
derStandard.at: Wann wird es in Österreich die erste Bundeskanzlerin geben?
Brandstaller: Nach dem Rücktritt von Viktor Klima in der SPÖ war kurz die Rede davon, dass Brigitte Ederer die SPÖ-Führung übernehmen könnte. Sie hat den bemerkenswerten Satz gesagt: "Die SPÖ ist noch nicht reif für eine Frau."
Die Grünen sind relativ fortschrittlich auf diesem Gebiet, haben derzeit aber auch einen Mann an der Spitze. Ich schließe nicht aus, dass die ÖVP, motiviert durch das Beispiel Merkel, nach einer Frau als Spitzenkandidatin sucht. Hinter den Kulissen wird gemunkelt, dass Ex-Kanzler Schüssel seine langjährige Kabinettschefin, die derzeitige Außenministerin Ursula Plassnik als Überraschungskandidatin hervorzieht. Ich würde das nicht ausschließen und ich glaube, dass das Land absolut reif dafür wäre. Es treibt sich soviel Mittelmaß in der derzeitigen Politik herum, dass derzeit der Tenor in der Bevölkerung vorherrscht: "Warum nicht auch einmal eine Frau an der Spitze?"
derStandard.at: Was würden Sie Frauen raten, wie sie sich in Zukunft verhalten sollen, damit sich die Situation für sie noch verbessert?
Brandstaller: Die Frauen haben ihre Lektion gelernt. Sie wissen, dass sie eine ordentliche Ausbildung brauchen, dass sie ihre sozialen Kompetenzen, die sie besser entwickelt haben als Männer, einsetzen müssen. Was uns fehlt, ist eine Veränderung der Gesellschaft insgesamt. Ich bin weder für das Patriarchat, noch für das Matriarchat, sondern für Partnerschaft. Doch die Partnerschaft funktioniert nicht wirklich. Es muss sich innerhalb der Gesellschaft noch sehr viel ändern. Warum können nicht Männer und Frauen, solange die Kinder klein sind, einfach mehr Urlaub haben? Eine Umorganisation der Arbeitswelt würde sehr viel helfen.
Es muss einen neuen Vertrag zwischen den Geschlechtern geben. Also nicht immer nur die Frauen in der Rolle der Bettler: "Passt auch auf unsere Kinder auf" oder "Vielleicht könntet Ihr am Samstag auch einmal das Frühstück machen?" Aus dieser Position müssen die Frauen raus, aber Männer müssen ihr Mitwirken auch selber anbieten.
(Rosa Winkler-Hermaden, der Standard.at, 10.11.2007)
Frauen als bessere Politiker? (Essay)#
Von Katharina Schmidt
Trautl Brandstaller analysiert die Macht der Weiblichkeit.
Hillary Clinton hat sich von der öffentlich betrogenen Ehefrau des Präsidenten zur Präsidentschaftskandidatin gemausert. Und Angela Merkel ist von Helmut Kohls grauem Ost-Mädchen zur europäischen "Gipfelmutter" avanciert.
Frauen gelangen immer öfter in politische Machtpositionen – eine logische Folge der Emanzipation der 1970er Jahre oder der Krise der männlichen Eliten geschuldet? Für die österreichische Journalistin und Feministin Trautl Brandstaller ist es letzteres: Die Emanzipation habe nie richtig abgehoben, immer noch seien Frauen im öffentlichen Leben unterrepräsentiert und unterbezahlt, erklärt sie in ihrem neuen Buch.
Also muss es die Krise der Männer an der Macht sein, die den Frauen zu ungeahnten Höhenflügen verhilft. Brandstaller argumentiert, dass nach den, von Männern herbeigeführten, Skandalen der vergangenen Jahre (Kohl, ÖGB . . .) eine neue Problemlösungskompetenz gefragt sei. Und die könne nur weiblich sein: Frauen gingen unbefangener an Probleme heran und hätten einen besseren Bezug zum Alltag als Männer.
Diese Sicht der Mars-Venus-Debatte ist genauso modern wie widersprüchlich. Ohne es zu merken, vertritt Brandstaller damit jene biologistische Auffassung, die sie selbst so scharf kritisiert. Warum sollen Frauen etwas besser können als Männer, nur weil sie eben Frauen sind? Da könnte man auch den alten Witz ausgraben und sagen, dass Frauen wegen ihrer genetischen Veranlagung (kleinere Füße!) besser an den Herd passen als Männer.
Das ist einer modernen Auffassung von Gleichberechtigung ebenso abträglich wie der ewige Ruf nach Frauenquoten. Die große politische Sachkenntnis Brandstallers kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Schwer verdaulich.
Siehe auch: Trautl Brandstaller