Der Vertrag von Lissabon#
Der Vertrag von Lissabon (2010) besteht aus zwei Teilen. In der Fassung von 2012 bilden diese die rechtliche Grundlage der Union:
- Vertrag über die Europäische Union
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Die wichtigsten Bestimmungen aus dem ersten Teil:
Artikel 1
Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden. Grundlage der Union sind dieser Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „Verträge“). Beide Verträge sind rechtlich gleichrangig. Die Union tritt an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft, deren Rechtsnachfolgerin sie ist.
Artikel 2
Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.
Artikel 3
(1) Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.
(2) Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem — in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf
die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung
der Kriminalität — der freie Personenverkehr gewährleistet ist.
(3) Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf
der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem
Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt
abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert
den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.
Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und
sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen
und den Schutz der Rechte des Kindes.
Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen
den Mitgliedstaaten.
Sie wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den Schutz und die
Entwicklung des kulturellen Erbes Europas.
(4) Die Union errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist.
(5) In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und Interessen
und trägt zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger bei. Sie leistet einen Beitrag zu Frieden,
Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern,
zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte,
insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des
Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.
(6) Die Union verfolgt ihre Ziele mit geeigneten Mitteln entsprechend den Zuständigkeiten, die ihr
in den Verträgen übertragen sind.
Artikel 4
(1) Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben gemäß
Artikel 5 bei den Mitgliedstaaten.
(2) Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige
nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich
der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden
Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere
die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.
(3) Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit achten und unterstützen sich die Union
und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen
ergeben.
Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung
der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union
ergeben.
Die Mitgliedstaaten unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle
Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.
Artikel 5
(1) Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union gilt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung.
Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der Subsidiarität
und der Verhältnismäßigkeit.
(2) Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union nur innerhalb der
Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung
der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen
Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten.
(3) Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließ
liche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maß
nahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend
verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen
auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.
Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die Anwendung
der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an. Die nationalen Parlamente achten
auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach dem in jenem Protokoll vorgesehenen Verfahren.
(4) Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie
formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus.
Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die
Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an.