Kalvarienberg#
Kalvarienberge als "versteinertes Theater" prägen die sakrale Kunstlandschaft Österreichs entscheidend mit. Meist handelt es sich um 14 Kapellen entlang eines bergauf führenden Weges, dessen Höhepunkt eine Kreuzigungsgruppe oder eine Nachbildung der Grabeskirche bildet. Kalvarienberge ahmen die Via Dolorosa nach. In der Barockzeit wurden Künstler von ihren Auftraggebern ins Heilige Land geschickt, um möglichst maßstabgetreue Kopien der verehrten Stätten anzufertigen. Auch heute versammeln sich in der Fastenzeit Gläubige zu Kreuzwegandachten, um bei den Stationen, die das Passionsgeschehen dramatisch vor Augen führen, zu beten und den Leidensweg zu meditieren.
Die meisten Kalvarienberge stammen aus der Barockzeit, doch sind auch in den vergangenen Jahrzehnten etliche entstanden. Einige Beispiele: Im Burgenland in Donnerskirchen (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) - neu, Eisenstadt-Oberberg - barock, Karl (Bezirk Oberpullendorf) - neu, Lockenhaus (Bezirk Oberpullendorf) - 19. Jh., Markt St. Martin (Bezirk Oberpullendorf) - 1837, 1906, Neusiedl am See - 19. Jh., Pinkafeld (Bezirk Oberwart) - barock, Steinberg-Dörfl (Bezirk Oberpullendorf) - neu, Stoob (Bezirk Oberpullendorf) - 1885, 1979. Von den mehr als 70 steirischen Kalvarienbergen sind nur drei vor 1600 entstanden. Der überwiegende Teil stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jh. Die größte Dichte weisen die Bezirke Liezen (z.B. Bad Aussee) und Murau (z.B. Leonhardiberg) auf. In Niederösterreich befindet sich in Heiligenkreuz (Bezirk Baden), beim ältesten Zisterzienserkloster Österreichs, ein künstlerisch hervorragender Kalvarienberg. Giovanni Giuliani und seine Schüler schufen ab den dreißiger Jahren des 18. Jh. die Figuren, zu denen auch der Auferstandene zählt. Kirchschlag in der Buckligen Welt (Bezirk Wiener Neustadt) besitzt einen barocken Kalvarienberg. In Maria-Lanzendorf (Bezirk Wien-Umgebung) ist - nach seiner 1997 erfolgten Restaurierung - der mehr als 300-jährige Kalvarienberg wieder eine Attraktion. Der Franziskanerbruder Felix Niering schuf zuerst diese Anlage, dann die bekanntere in Eisenstadt.
Der Kalvarienberg im 17. Wiener Gemeindebezirk wurde zur Zeit der Gegenreformation errichtet und mehrfach umgebaut (zuletzt 1894). Ursprünglich führten sieben Stationen vom Stephansdom nach Hernals zu einer Kopie der Heiliggrabkapelle. Nicht nur die religiöse Stätte war das Ziel vieler Wiener, auch der Fastenmarkt - heute der älteste Jahrmarkt Wiens. Sein Wahrzeichen ist der "Baumkraxler", ein Holzmännchen, das sich auf einem Stab auf und ab bewegt. Das Kinderspielzeug erinnert an den biblischen Zachäus, der in Jericho auf einen Baum stieg, um Jesus besser sehen zu können. (Lk. 19, 1-10)
Quelle#
Helga Maria Wolf: Kreuzweg und Kalvarienberg. In: Miteinander, April 2011Siehe auch:
- ABC zur Volkskunde mit den weiterführenden Essays "Passion und Emotion"