Salinisten#
Salinisten nannte man die Verfasser einer eigenständigen Fachliteratur, die sich in Anbetracht der Bedeutung der Salzgewinnung seit dem späten 16. Jahrhundert etablierte. Es waren meist wissenschaftlich vorgebildete Technologen, die sich praktisch und theoretisch mit der Solegewinnung und Versiedung befassten. Die erste Monographie über das Kochsalz und das deutsche Salinenwesen stammt von dem Pfänner und Ratsherrn im thüringischen Frankenhausen Johann Thölde und erschien 1603 unter dem Titel Haligraphia, Das ist Gründliche vnd eigentliche Beschreibung aller Saltz Mineralien. Von den unzähligen Salinisten des 18. Jahr- hunderts seien hier nur zwei erwähnt, die zur Weiterentwicklung der Salinenkunde wichtige Beiträge geleistet haben: Johann Wilhelm Langsdorf, Kammerrat und Reorganisator der Saline Salzhausen und sein Bruder Karl Christian Langsdorf, Professor in Heidelberg.
Seit Urzeiten waren das Salz, seine Gewinnung und der Salzhandel von höchster Wichtigkeit. Salz diente vielfach als wichtiges Tauschmittel, und die Salzquellen genossen besondere Verehrung. Im Salz glaubte man eine göttliche Wesenskraft verkörpert, die Kraft des Lebens (Blut schmeckt salzig!), der Treue, der Gastlichkeit. Gemeinsamer Salzgenuss verband unauflöslich oder für eine gewisse Zeit. Das Salzverschütten oder Vergeuden galt und gilt zum Teil noch als Vorbedeutung von Streit oder Blutvergießen. Im ehrfürchtig behüteten und verehrten Salzfass erblickten zum Beispiel die Römer ein Symbol für den geheimnisvollen Bund zwischen den toten, den lebenden und den künftigen Gliedern der Familie. Abgaben und Staatsgehälter (salarium) wurden in Salzrationen gezahlt, und der Begriff »Salär« war noch vor nicht allzu langer Zeit – vor allem in Österreich und der Schweiz – eine gängige Bezeichnung für Honorar, Gehalt oder Lohn.
Vom Bergbau auf Steinsalz und von der Gewinnung des Salzes aus natürlichen Solequellen sprachen schon im 1. Jahrhundert nach Christus der griechische Historiker und Geograph Strabon aus Amasia in Pontos und der Römer Plinius der Ältere. Er beschrieb zusätzlich die Einrichtung von »Salzgärten« an Meeresküsten. Die Verfahren zur Salzgewinnung blieben lange Zeit weitgehend unverändert. Das galt vor allem für die Meersalzgewinnung an den Küsten im südlichen Europa, aber auch für den bergmännischen Abbau von Steinsalz (Bergarbeiterschaft). Bei der Gewinnung von Salzsole aus einer salzhaltigen Quelle durch Auslaugen mit Süßwasser, das in Steinsalzvorkommen geleitet wurde (Sinkwerke), sowie bei der Soleförderung wurden nach und nach verschiedene Methoden angewandt.
Gefördert wurde mit Schöpfgalgen ähnlich den Ziehbrunnen der ungarischen Pußta, mit Haspelwerken, an deren Seilen Kübel oder Ledersäcke (Bulgen) hingen, mit »Heinzenkünste« genannten Schöpfvorrichtungen und zunehmend mit Saugpumpen, die von Hand oder durch Wasserräder angetrieben wurden. Die von Hasplern, Schöpfern, Störtzern und Zäpfern – so die einzelnen Berufsbezeichnungen – ans Tageslicht geschöpfte oder gepumpte Sole wurde entweder in Zubern von Soleträgern zu den Pfannhäusern getragen oder in hölzernen und bleiernen Röhren vom Salzberg zum Sudhaus geleitet. Gewiss ein Meisterwerk der damaligen Technik war die Soleleitung von Reichenhall in das zweiunddreißig Kilometer entfernte Traunstein. Die Sole aus Reichenhall konnte dort wegen der bereits herrschenden Holzknappheit nicht versotten werden. Auf Vorschlag seiner Berater verfügte Herzog Maximilian I. den Bau einer neuen Sudhütte in Traunstein, die durch eine Soleleitung aus Reichenhall gespeist werden sollte. Das besondere Problem war die Überwindung von insgesamt zweihundertsechzig Höhenmetern. Mit den Arbeiten beauftragt wurde der Hofbaumeister Hans Reiffenstuel, der die Rohrleitung und den Bau der Pumpwerke in den Jahren 1617 bis 1619 bewerkstelligen konnte. Sie versahen dann fast zweihundert Jahre lang erfolgreich ihren Dienst. Für den Bau waren allein siebentausend gebohrte Holzröhren und zahlreiche gegossene Bleileitungen erforderlich.
Für das Salzsieden bediente man sich der Siedepfannen, die im Laufe der Jahrhunderte durch immer größere ersetzt wurden und deren Befeuerung enorme Mengen an Nadelholz verschlang. Schon 1367 waren auf der Tiroler Saline Hall vier Pfannen aus Eisenblech in Verwendung, die jeweils fünfzehn Meter lang und fünf Meter breit waren und eine Tiefe von einem halben Meter aufwiesen. Die gegen die sogenannte Pehrstatt hin leicht geneigten Siedepfannen waren aus verschieden großen geschmiedeten Eisenblechen zusammengesetzt, die mit Nägeln oder Nieten schuppen- oder dachziegelförmig übereinander befestigt waren. Sie ruhten auf einem Ofen aus Bruchsteinen oder Ziegeln in einem überdachten Sud- oder Pfannhaus und wurden zusätzlich durch Haken am Gebälk des Dachstuhls gehalten. Nach dem Verdampfen des Wassers blieb das kristalline Salz als Rückstand in der Pfanne. Es wurde in feuchtem Zustand in hölzerne Formen (Kufen) gepresst und mit Stösseln festgestampft. Die konischen Salzstöcke (Fuder) brachte man danach in Dörrhäuser, wo sie durch Heißluft bis zum klingenden Zustand austrockneten. Alle diese Tätigkeiten konnten nur gelernte Arbeiter, die sogenannten Pfannhauser, verrichten, an deren Spitze der Pfannmeister stand. Es gab Schürer, Pehrer, Zu- und Überzieher und Poßler (die das feuchte Salz in die Kufen pressten); dazu kamen als weniger oder nicht qualifizierte Arbeitskräfte die Fuderträger, Wochner, Samstaghüter zur Wache im Pfannhaus während des Kaltstehens der Pfannen, Kottrager, Zustürzer, Wasserhüter, Widttrager, Salzdörrer und Pfieselschreiber. Ihre Entlohnung erfolgte meist am Schluss einer jeden Siedewoche je nach Anzahl der Salzfuder, die gepresst worden waren.
Schon die Kelten waren als Salzsieder bekannt, und vom keltischen Begriff für Salz stammen wohl die vielen Bezeichnungen von Salzorten auf »hall« wie Halle an der Saale, Hallstatt, Hall in Tirol, Hallein, Schwäbisch-Hall oder Reichenhall. Ebenso weisen Namen wie Salzburg, Salzgitter, Salzkotten, Salzwedel oder Salzkammergut, die Bäder Salzhausen, Salzdetfurth, Salzuflen, Salzig, Salzschlirf oder Salzungen auf Orte oder Regionen hin, deren Bevölkerung in ihrer Lebensform maßgeblich vom Salz bestimmt war.
Quellen#
- Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010