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Uhrmacher#

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Uhrmacher
»Der Uhrmacher«. Kupferstich von Christoph Weigel. Aus: Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände …«. Regensburg 1698
© Brandstätter Verlag

Uhrmacher; an der Wende zum 14. Jahrhundert wurden die räderlosen Sonnen-, Stern-, Wasser-, Öl- und Sanduhren von gewichtgetriebenen, mechanisch regulierten Uhrwerken (Hemmungsuhren) verdrängt, die rasch und in wachsender Zahl in die Städte Einzug hielten. Vor allem als Kirchturmoder Rathausuhren trugen sie wahrscheinlich tiefgreifender zur »Rationalisierung des gesellschaftlichen Lebens« bei als jedes früher oder später erfundene Meßinstrument. Fortan mußte die Zeit nicht mehr »subjektiv« empfunden werden, sondern unterlag dem Diktat eines stetig vorrückenden Uhrzeigers und eines in vierundzwanzig gleich lange Stunden eingeteilten Tages. Die Hersteller der Uhrmechanismen waren vorwiegend Schmiede, Schlosser, Glockengießer und Orgelbauer, die sich nach und nach spezialisierten und als horologiarius oder artifex horologiorum auftraten. Daraus entstanden im deutschen Sprachraum die Bezeichnungen »ormeister«, »urleimacher«, »orglockener«, »zitgloggener« oder »seigerschmied« (für Großuhrmacher, die zuerst 1341 im ältesten Stralsunder Bürgerbuch erwähnt werden).

»Die Uhr war aber nicht nur Symbol«, schrieb Ulrich Troitzsch im Kapitel »Technik und Naturwissenschaft « (Propyläen Technikgeschichte, 3. Band), »sondern auch Inkarnation der Technik schlechthin, und in keinem anderen Bereich finden sich bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts so viele Verbesserungsinnovationen wie gerade bei den Uhren. Doch es gab auch einen entscheidenden qualitativen Sprung, der diese Entwicklung beschleunigte. Kurz nach 1500 war neben den Gewichtsantrieb der Antrieb durch eine Stahlfeder getreten, was zur Entwicklung von kleinen Tisch- und vor allem von Taschenuhren geführt hatte. Anders als bei der Großtechnik, wo Reibung und unzureichende Materialfestigkeit mancher guten technischen Idee von vornherein einen Riegel vorschoben, konnten die Uhrmacher ihre Phantasien in konkrete Technik umsetzen. Und immer wieder, nicht nur von Karl Marx, ist darauf verwiesen worden, daß man den Formenschatz des industriellen Maschinenbaus en miniature im Uhrenbau grundgelegt hat. Besonders der Zeitraum zwischen 1550 und 1650 gilt als erste große Blütezeit der Uhrmacherkunst, wobei man sich fragt, was mehr zu bewundern ist: die technische Raffinesse mancher Erzeugnisse oder ihre künstlerische Gestaltung. In jener Epoche wurde die Uhr zum Statussymbol besitzender Schichten, die bereit waren, für besonders komplizierte Gebilde, die neben der Zeitangabe noch allerlei andere Funktionen ausführten, viel Geld zu bezahlen, was wiederum zu technischen Neuerungen anregte.«

Uhrmacher
Schwarzwälder Uhrmacher. No. 951. Stahlstich. Aus: Clichés Catalog. Georg Wigand’s Verlag: Leipzig o.J.
© Brandstätter Verlag

Der Aufschwung der Uhrmacherei in England und der Schweiz wäre ohne die in Frankreich bis ins 17. Jahrhundert religiös verfolgten und emigrierten Hugenotten undenkbar. Friedrich II. ließ zum Beispiel nach Genf geflüchtete Hugenotten 1765 als Unternehmer und Facharbeiter nach Preußen anwerben, um die Herstellung von Taschenuhren fabrikmäßig zu organisieren.

Jost Bürgi, dem Hofuhrmacher des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen, gelang es zwar, die Ganggenauigkeit von Räderuhren entscheidend zu verbessern, doch erst die 1657 vom niederländischen Physiker Christiaan Huygens konstruierte Pendeluhr erreichte eine Gangabweichung von nur zehn bis fünfzehn Sekunden pro Tag. Mit der Pendeluhr war nun eines der wichtigsten Meßinstrumente für wissenschaftliche Zwecke geschaffen, allerdings mit einem großen Nachteil: Sie war auf schwankendem Schiffs -boden nicht brauchbar. Fast zwanzig Jahre später gelang Huygens neuerlich eine grandiose Verbesserung in Form der schwingenden Spiralfeder- Unruh, die bald die Spindelhemmung in Kleinuhren ersetzte. Doch bis zur Entwicklung des ersten – von den seefahrenden Nationen für eine exaktere Längenbestimmung herbeigesehnten – Chronometers sollten noch einige Jahrzehnte vergehen. Das englische Parlament ernannte 1714 ein »Board of Longitude« und setzte die enorme Summe von 20 000 Pfund Sterling für eine Navigationsuhr aus, die eine Abweichung von höchstens 0,5 Grad Länge, das heißt dreißig Seemeilen, auf der Reise von England nach Westindien gewährleistete. Nach fast vierzigjähriger hartnäckiger Arbeit gelang dem englischen Mechaniker John Harrison schließlich der Bau eines solchen Chronometers, einer etwas größeren Taschenuhr mit einem Durchmesser von etwa dreizehn Zentimetern, der diese Kriterien nicht nur erfüllte, sondern sogar übertraf. Trotzdem mußte er bis 1773, kurz vor seinem Tod, gegen Intrigen und Verleumdungen seiner Rivalen kämpfen, um endlich das ihm zustehende volle Preisgeld zu erhalten.

Uhrmacher
Der Uhrmacher. 1789. Kupferstich. Aus: »Sechzig eröfnete Werkstätte der gemeinnüzigsten Künste und Handwerke für junge Leute zur Auswahl ihres künftigen Nahrungsstandes. Mit sechzig jede Kunst, jedes Handwerk deutlich erklärenden Kupferstichen«. Verlag Joseph von Kurzbeck: Wien 1789
© Brandstätter Verlag

Allmählich breitete sich der einfach gestaltete Zeitmesser, dessen Herz – die Unruhwelle – immerhin 691 200mal am Tag hin und her pulsierte, im Bürgertum aus und begann Alltag und Arbeitswelt zu bestimmen. Die große Nachfrage nach Uhren förderte natürlich die Arbeitsteilung, so daß nun die Gehäuse vom Uhrgehäusemacher, die Federn vom Uhrfedermacher, die Zahnräder vom Uhrrädermacher und die Zifferblätter vom Zifferblattstecher gefertigt wurden. Lediglich das Zusammensetzen erfolgte in einem zentralen Uhrmacherbetrieb oder einer Manufaktur.

Von zwei Uhren dieses Jahrhunderts soll hier noch die Rede sein, die unbestritten zur Legende wurden. 1930 klagten einige britische Kolonialoffiziere dem vom Handel mit Goldzähnen auf den Verkauf von Uhren umgestiegenen César de Trey ihr Leid, ihre Armbanduhren seien den harten Attacken beim Polo-Spiel oft nicht gewachsen. Der Handelsmann de Trey reiste zum »Nabel der Uhrenwelt« ins Vallée de Joux im Schweizer Jura und schilderte einem Meister der exquisiten Uhrenmanufaktur Jaeger-LeCoultre dieses Problem. Resultat dieser Verhandlung war 1931 die »Reverso«, jene hochkarätige Armbanduhr »mit den zwei Gesichtern« im Stil des Art déco, deren Gehäuse erstmals aus Edelstahl in Verbindung mit Saphirglas und drehbar war. Auf eine mit dem Armband aus Straußenleder verbundene massive Grundplatte wurde das Uhrgehäuse so angebracht, daß man es um 180 Grad wenden und damit Glas und Zifferblatt schützen konnte. Und die komplizierteste und teuerste Armbanduhr der Welt, die »Grande Complication« aus Platin mit schwarzem Alligatorlederarmband der International Watch Company aus Schaffhausen, bei der auf kleinstem Raum 659 einzeln angefertigte mechanische Teile zusammenarbeiten, wird nur in einer limitierten Auflage von jährlich fünfzig Stück hergestellt, was die Uhr zu einem begehrten Sammlerobjekt macht.

Quellen#

  • Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010

... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.