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Hans Petschar (Hg.): Der ewige Kaiser#

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Hans Petschar (Hg.): Der ewige Kaiser. Franz Joseph I. 1830-1916. Österreichische Nationalbibliothek Amalthea Verlag Wien 2016. 256 S. ill., € 29,90

2016 ist ein "Franz Josephs-Jahr". Der Todestag des Monarchen jährt sich zum hundertsten Mal. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen widmen sich dem Jubiläum. Seit März zeigt die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) im Prunksaal ihre Sonderschau "Der ewige Kaiser". Das gleichnamige Buch erlebte schon im Mai seine zweite Auflage.

Der "goldene Faden" der Ausstellung ist die visuelle Biografie Franz Josephs I. Aus jedem Jahr von 1830 bis 1916 zeigt ein Porträt, wie ein pausbäckiges Baby mit Spitzenhäubchen zum "lieben, guten Kaiser" mit dem charakteristischen weißen Backenbart wurde. Auch das Buch beginnt mit dieser Chronologie künstlerischer und fotografischer Darstellungen. Sie zählen zu den mehr als 10.000 von der ÖNB verwahrten Lebensdokumenten des Kaisers, von denen viele erst jetzt in den Blick der Öffentlichkeit gelangen. Erstaunlich und faszinierend, dass tatsächlich für jedes der 86 Lebensjahre nicht nur ein Porträt, sondern auch je ein datiertes Bild aus dem privaten und dem politischen Leben vorhanden sind. Viele stammen aus dem reichen Bestand der Habsburgischen Familien-Fideikommissbibliothek und aus der Privatbibliothek des Kaisers, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist.

Hans Petschar leitet das Bildarchiv und die Grafiksammlung der ÖNB. Als Ausstellungskurator und Buch-Herausgeber schrieb er über "Das Bild vom Kaiser" und geht auf die jahrzehntelange Omnipräsenz der Kaiserbilder ein. Das 50-jährige und 60-jährige Regierungsjubiläum (1898 und 1908) sowie der 80. Geburtstag des Kaisers (1910) bewirkten eine "Explosion der Bilderwelt, medial verbreitet durch die illustrierte Presse, durch Fotografien und über Bildpostkarten, die privat gesammelt wurden."

Das großformatige Buch umfasst 20 Essays von 16 wissenschaftlichen ÖNB-MitarbeiterInnen. Sie widmen sich u. a dem "Kaiser im Porträt", in der Literatur und Fotografie. Sie beleuchten sein (kaum vorhandenes) Verhältnis zur Musik und seine Ausbildung. Die dreistufig aufgebaute Prinzenerziehung begann im Kleinkindalter und endete erst mit der Thronbesteigung des 18-jährigen Franz Joseph. Bis dahin hatte er wöchentlich bis zu 50 Unterrichtsstunden zu absolvieren. Für den Sechsjährigen standen Deutsch, Schönschrift, Geographie, Mathematik, Religion, Französisch, Ungarisch, Exerzieren, Voltigieren und Tanz auf dem Stundenplan, weitere Gegenstände kamen später dazu. Allein sechs Fremdsprachen sollte der Erzherzog beherrschen (Latein, Altgriechisch, Französisch, Italienisch, Tschechisch und Ungarisch). Auch akademischer Zeichenunterricht begann schon früh, doch meinte der Neunjährige, er zeichne lieber, was ihm gerade einfalle. Proben davon bewahrt und zeigt die ÖNB. Mit wenigen Strichen skizzierte Karikaturen, die sich teils in Schulheften finden, aber auch ausgefeilte Kopien historischer Kunstwerke.

Zum Empfänger von Kunst und Kunsthandwerk wurde der Monarch vor allem bei Huldigungsadressen, die er in großer Zahl zu den Regierungsjubiläen und zur Silberhochzeit erhielt. Aus diesem Anlass wurden anno 1879 der Burghauptmannschaft rund 800 solcher Geschenke überbracht und im Kunstverein ausgestellt. Spender waren "die angesehensten und reichsten Corporationen" ebenso wie kleine Orte und Vereine. Namhafte Künstler und spezialisierte Buchbinder schufen anspruchsvolle Kassetten und Widmungsblätter. Beispiele werden in dem Bild- und Textband in der hervorragenden Qualität reproduziert, die das ganze Werk auszeichnet.

Kaiserjubiläen boten auch Anlass für Auftritte des konservativen Herrschers als "Medienstar". 1898 erschien, gefördert durch das Protektorat seiner Tochter Erzherzogin Maria Valerie, der Prachtband "Viribus unitis". Alexandra Smetana stellte dazu fest, er zeichne "ein idealisiertes Bild des Herrschers als gleichsam Bestem aller Menschen" und trug wesentlich zur Bildung des Mythos des Kaisers bei. Zu diesem Zweck wurde auch das relativ neue Bildmedium der Fotografie gezielt und manipulativ eingesetzt. Damit beschäftigen sich die Beiträge von Uwe Schögl und von Michaela Pfundner. Man lernt hier Bilder der "Allerhöchsten Kaiserfamilie" kennen, die auf Retusche und Fotomontage beruhen, wie das berühmte Familienbild anno 1863. So existiert nur ein Foto in zwei Variationen, das Franz Joseph mit seiner Gemahlin, Kindern, Eltern und Brüdern zeigt. Von Kaiserin Elisabeth weiß man, dass sie zwar Fotos sammelte, sich selbst aber nach ihrem 30. Geburtstag nicht mehr fotografieren ließ. "Alle später erschienenen Fotos sind Umarbeitungen und Retuschen … Franz Joseph hingegen ließ sich sehr wohl mit seinen Kindern und später auch mit seinen Enkelkindern fotografieren." Ebenso fügte er sich in die - von der Stadt Wien und privaten Komitees inszenierten - Ehrungen bei Festzügen, wie 1879, 1898 und 1908. Er "stand den mit Pomp und Getöse inszenierten Massenveranstaltungen äußerst ablehnend gegenüber und (er)duldete sie mehr, als dass er sie förderte", schreibt Rainer Valenta.

Ein ganz anderes Kapitel schlägt Thomas Huber-Frischeis in seinem Beitrag "Der lange Weg zur Demokratie" auf. Der Historiker beschäftigt sich ausführlich mit "Verfassung und Parlament im Zeitalter Kaiser Franz Josephs I." Im Vorwort stellte die ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger fest: "Ziel ist die kritische Neubewertung einer der Zentralfiguren der jüngeren österreichischen Geschichte aus der Distanz eines Jahrhunderts, die auch bisher wenig bekannte Facetten seiner Persönlichkeit anhand authentischer Quellen sichtbar werden lässt." Schau und Buch präsentieren ausgewogen das Politische und das Private. War der Kaiser auf Reisen, so gingen offizielle Anlasse und seltene Urlaube ineinander über, wobei seine bekannte Jagdleidenschaft nicht unbefriedigt blieb. Vollends privat sind die letzten drei Kapitel über die Freundschaft mit Katharina Schratt, Briefe von Erzherzogin Sophie an ihren Sohn aus den Jahren 1838 bis 1872 und schließlich der Sensationsfund der erst 2015 entdeckten Abschiedsbriefe von Mary Vetsera aus Mayerling. Da sich der letzte Brief Kronprinz Rudolfs in der ÖNB befindet, schließt das Buch mit diesen beiden Faksimiles.

Der Anhang stellt die Autorinnen und Autoren vor, bringt einen genauen Nachweis der in der Chronologie und in den Essays verwendeten Bilder sowie einen Katalog der Objekte der Ausstellung. Wenn sie im November 2016 ihre Pforten schließen wird, bleibt der umfassende Bild- und Textband als "ewiges" Standardwerk.