Beppo Beyerl: Es wird a Wein sein#
Beppo Beyerl: Es wird a Wein sein. Streifzüge durch die Wiener Weindörfer. Edition Winkler-Hermaden, Scheinbach 2017. 120 Seiten, ill., € 19,90
Der Reisejournalist Beppo Beyerl hat schon viele Gegenden erkundet. In der Edition Winkler-Hermaden erschien zuletzt "Die Triester Straße" Seine Erfahrungen verpackt er in Bücher mit origineller "Handschrift", das aktuelle dürfte ein Lieblingsthema behandeln: "Es wird a Wein sein". Illustriert mit Fotos, die den Autor mit den Winzern zeigen, und schönen Nostalgie-Ansichten, bietet der Band viel Geschichte, Geschichten und Interessantes aus Interviews. Nostalgie scheint auch im Hinblick auf die Zahl der Buschenschenken angebracht. Aber immerhin ist Wien die einzige Großstadt der Welt, die innerhalb der Stadtgrenzen Weinbau betreibt. Rund 700 Hektar Anbaufläche sind es im Ganzen.
Dabei wird, besonders in letzter Zeit, großer Wert auf Qualität gelegt. So erlebte der Gemischte Satz im vergangenen Jahrzehnt seine Renaissance: Auf einer definierten Fläche werden mindestens drei Weinsorten angebaut, ihr Anteil liegt jeweils zwischen 10% und 50%. Alkoholgehalt (höchstens 12,5 %) und Geschmacksrichtung ("trocken") sind vorgeschrieben. Das kann man aus einem Bundesgesetzblatt erfahren, aber in diesem Buch ist es unterhaltsamer. Da wird auch das Prädikat "DAC" erklärt: Districtus Austriae Controllatus. Diese Weine repräsentieren geschmacklich ein bestimmtes Gebiet und müssen gewissen Qualitätskriterien entsprechen. Die Wiener Leitmarke ist der Gemischte Satz.
Die Streifzüge durch die Weindörfer beginnen - eher untypisch - jenseits der Donau in Stammersdorf, Großjedlersdorf und Strebersdorf. In Stammersdorf gab es 80 Heurige, jetzt sind es 17. Dort ist der Autor bei Fritz Wieninger eingekehrt, der für seinen Gemischten Satz DAC elf Traubensorten keltert. Neun sind es bei Rainer Christ, dessen bäuerliche Vorfahren schon vor 400 Jahren in Großjedlersdorf ansässig waren. Die Spezialisierung auf Wein ist wesentlich jünger, sie erfolgte vor einem halben Jahrhundert. Heute schenkt der Winzer rund ein Viertel der Produktion im eigenen Haus aus und exportiert in 21 Länder der Welt. Auch Familie Strauch in Strebersdorf stellte sich in den 1970er Jahren ganz auf den Weinbau um. Zusätzlich ist der Chef Kellermeister in einer Sektkellerei in Döbling.
An den 19. Wiener Gemeindebezirk denken die meisten zuerst, wenn sie an Heurige denken. Bei Martin Kierlinger in Nussdorf erfuhr der Autor Interessantes über die Weinhüter und verkostete den "Wiener Riesling". In Heiligenstadt ist der Pfarrplatz untrennbar mit der Erinnerung an Ludwig van Beethoven verbunden. Der Komponist wohnte im Haus des "Mayer am Pfarrplatz" ebenso wie in der nahen Eroicagasse, wo sich das neu gestaltete Museum befindet. Das traditionelle Weinhauerdorf Grinzing ist zur Touristenattraktion geworden. "Fluch oder Segen?" übertitelt Beyerl das entsprechende Kapitel, in dem er auch Geschichte und Gegenwart des Weingutes Cobenzl würdigt. In Sievering sorgt die Gans Lilli für Kurioses: Als noch die Straßenbahn und nicht der Bus in den Ort fuhr, pflegte das Federvieh auf den Gleisen der Endstation zu rasten. Die Fahrer waren gewohnt, die Gans vorsichtig von dort zu entfernen. 1987, Jahre nach Einstellung des 39ers, setzte man Lilli ein Denkmal aus Bronze. Der letzte der beschriebenen Wienerwald-Weinorte ist Neustift am Walde, bekannt durch seinen Kirtag, den Weinwanderweg und die Winzerdynastie Huber. Das Lokal des Fuhrgassel-Huber entwarf der prominente Bühnenbildner Walter Hoesslin, dessen Grab sich auf dem Neustifter Friedhof befindet.
Als Freund der Familie gab er auch dem ältesten Wiener Heurigen, der "10er Marie" in Ottakring, ein stimmungsvolles Aussehen. Das Lokal besteht seit 1740 und wird von Gerti Huber, Tochter des "Fuhrgassl-Huber", geführt.
In Mauer ist seit vier Jahrzehnten die Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit auf dem Georgenberg Sehenswürdigkeit und spirituelles Zentrum. Sie wurde - nach Plänen des Bildhauers Fritz Wotruba - aus 152 Betonquadern und 118 Glasfeldern konstruiert. Von der Wotrubakirche sind es nur wenige Schritte zum Heurigen Edlmoser, den der Vorbesitzer als "höchsten Heurigen" bezeichnete. Die letzte Station des Weinwanderers bildet Oberlaa. Hier pflegt die Familie Wieselthaler die Tradition - und profitiert wohl in der Zukunft von einer der neuesten Errungenschaften Wiens: Seit September 2017 fährt die U-Bahn bis Oberlaa. So schließt sich der Kreis über die Zeiten: "Es wird a Wein sein"…