Walter Mooslechner: Gebirgswasser, Schnee und Eis#
Walter Mooslechner: Gebirgswasser, Schnee und Eis. Verlag Anton Pustet Salzburg 2019. 192 S., ill., € 25,-
Österreich ist eines der wasserreichsten Länder Europas. Allein im Nationalpark Hohe Tauern gibt es 551 Seen, 279 Bäche und 26 bedeutende Wasserfälle. Für den Autor ist die Alpengegend eine besondere: "Immer wieder zieht es mich in die Natur, um den wunderschönen Klangfarben eines rauschenden Gebirgsbaches zu lauschen … In Gedanken versunken fühle ich mich hier dem Urquell allen Lebens am nächsten und eng verbunden." Walter Mooslechner war Förster und Museumskustos im Land Salzburg, und hat in der Pension mehrere Regionalia verfasst, wie "Naturnah" (2015) oder "Holz Hand Werk" (2017). Der Autor vermittelt sein Wissen lehrreich, aber nicht belehrend, mit Begeisterung und großem Respekt vor der Natur.
Das neue Buch, mit vielen stimmungsvollen Fotos ist eine kompetente Liebeserklärung an das Gebirgswasser. Wenn man etwas liebt, sorgt man sich auch darum. So mahnt Walter Mooslechner, "den kostbaren Naturschatz zu hüten und für die nächsten Generationen zu erhalten." Die glasklaren Gewässer bieten Lebensraum für unzählige Tiere, Insekten, Fische, Amphibien und Vögel. Wasseramseln beispielweise sind Meister im Tauchen. Sie können 15 Sekunden lang mit geschlossenen Nasen und Ohren auf dem Gewässerboden nach Nahrung suchen. Wagt sich der Bergsteiger durch Eis und Schnee in höhere Lagen, kann er - mit Glück - Birkhähne beim eindrucksvollen Balzkampf beobachten, Schneehasen und Hermeline in ihrer weißen Tarnung entdecken oder Murmeltieren beim Sammeln des Wintervorrats zusehen. Als Charaktertiere der Alpenwelt gelten Gämsen und Steinböcke.
Wasserfälle sorgen für imposante Landschaftsbilder, der Aufenthalt im Sprühnebel soll der Gesundheit förderlich sein. Einige dieser Naturwunder werden genauer beschrieben, wie die 340 m hohen Wasserfälle mitten in Bad Gastein. Kräftige Blau- und Grüntöne charakterisieren die Bergseen, in denen sich die umgebenden Gipfel spiegeln. Der Schiederweiher im Stodertal war der Vorjahressieger in der populären ORF-Sendung "9 Plätze - 9 Schätze". Der Hallstätter See zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe, seine Ufer zu den ältesten Siedlungsgebieten des Landes. Seit 7000 Jahren baut man hier Salz ab. Wasser und Wirtschaft waren stets eng verbunden. Die Kraft des Wassers brachte Güter, besonders Holz, talabwärts, sie trieb Mühlen und Schmieden an, überraschender Weise auch Geräte zum Butterrühren. Auf den Almen, wo diese Erfindung entstand, erfolgte die Trinkwasserversorgung durch Brunnen, die von Gebirgsquellen gespeist wurden. Vom Regen bis zu deren Entspringen vergingen Jahre.
Heilige und heilende Quellen schätzte man bereits in der Antike. Bei der Gasteiner Elisabethquelle - benannt nach der Kaiserin, die wie viele Prominente hier kurte - entdeckte man römische Funde. Menschen können ohne Wasser ebenso wenig leben wie Tiere und Pflanzen. Der Körper besteht zu 65 Prozent aus Wasser, bei Tieren sind es 90 Prozent. Pflanzenwurzeln entziehen dem Boden Feuchtigkeit und geben sie über die Blätter an die Atmosphäre ab. Sie können an einem Tag das Mehrfache ihres Wassergehalts umsetzen. So verdunstet eine Sonnenblume täglich einen Liter.
Gebirgswasser ist nicht nur flüssig, sondern hat auch die Form von Gletschern, Eis und Schnee. Das Schwinden der Gletscher wird viel beklagt, doch gab es immer wieder Klimaveränderungen. Die letzte Eiszeit, "Würm", erreichte ihren Höhepunkt vor 22.000 bis 24.000 Jahren. Damals bedeckte eine bis zu 2000 m dicke Eisschicht 150.000 m2, sie reichte von den Zentralalpen bis ins Alpenvorland. Während der "Kleinen Eiszeit" um 1850 erreichten die Gletscher in Österreich ihren letzten Höchststand. Seither reduzierte sich die Eisfläche um mehr als 50 %. Seit dem Jahr 2000 verlieren die Alpengletscher jährlich zwei bis drei Prozent ihres Volumens.
Trotz der herrschenden Klimaerwärmung und des Rückgangs der Gletscher ist das Höhleneis der Salzburger Eisriesenwelt - der größte Eishöhle der Welt - seit 1920 um ein Drittel gewachsen. Alljährlich besuchen 200.000 Gäste die ein Kilometer lange, funkelnde Eiswelt. Im Winter 2018/19 war der Eingang von Schneemassen völlig verlegt, man musste einen Tunnel graben, um dorthin zu gelangen. Zudem verschütteten Lawinen die Zufahrtsstraße. Der "weißen Pracht" ist ein eigenes Kapitel gewidmet, das sich auch mit dem Skilauf beschäftigt. So liest man von einem kuriosen Wettrennen in den Rauriser Bergen, das Ende des 19. Jahrhunderts stattand. Damals wurde hier fast das gesamte österreichische Gold gewonnen (rund 15 kg). Zur winterlichen Fortbewegung bei Arbeit und Freizeit setzten sich die Bergleute auf ein "Knappenross". Es war 1,50 m lang, 20 cm breit und wurde mit einem Bergstock gelenkt. Auf einem solchen hölzernen Gefährt trat der Bergwerksbetreiber Ignaz Rojacher gegen Wilhelm Ritter von Arlt auf Skiern an - und gewann. Doch der Skipionier holte rasch auf, er fuhr als erster von einem Dreitausender ab und veranstaltete den weltweit ersten Skikurs für Bergführer. Außerdem machte er sich um die Errichtung des Sonnblick-Observatoriums und Telefonleitungen im Hochgebirge verdient.
"Je nach Alter und Feuchtigkeit finden sich in der Winterlandschaft unterschiedliche Schneearten, die von feinstem Pulverschnee bis hin zum Firnschnee reichen" , schreibt der Autor. Er erwähnt auch den amerikanischen Schneeforscher und Fotografen Wilson Bentley (1865-1931). In jahrzehntelanger Arbeit fertigte dieser 5000 Fotos von Schneeflocken an, um zu beweisen, dass keine der anderen gleicht. Bentley stellte fest: "Die Schneeflocken kommen zu uns, nicht um die unbegreifliche Schönheit des Moments zu eröffnen, sondern um uns zu lehren, dass die Anmut unserer Erde ein Augenblick ist und wegdämmert wie das Abendlicht."