Ernst Bruckmüller: Geschichte kompakt: Österreich#
Ernst Bruckmüller: Geschichte kompakt: Österreich. Böhlau Verlag Wien - Köln. 323 S. ill., € 26,-
2019 erschien Österreichische Geschichte. Von der Urgeschichte bis zur Gegenwart von Ernst Bruckmüller. Schon damals war es erstaunlich, wie der Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte eine so lange Historie auf knapp 700 Seiten umfassend darstellen konnte. Nun geht es noch kürzer, ohne an Substanz einzubüßen. Geschichte kompakt: Österreich ist ein nur halb so starkes Taschenbuch. Das große Publikumsinteresse veranlasste den Verlag, den Autor um eine überarbeitete Auflage zu bitten. Dieser sagte etwas voreilig zu, merkte aber bald, dass es leichter ist, einen langen Text zu verfassen, als einen solchen zu kürzen. Vor allem verlangte die Kurzfassung nach einer neuen leitenden Fragestellung. Diese lautet, in aller Kürze: Was vom historischen Erbe zählt zu den Grundlegungen des heutigen Österreich?
Diese beginnen schon Vor der Geschichte Österreichs. Aus der Urgeschichte sind Kreisgräben erkennbar geblieben, die im 5. vorchristlichen Jahrtausend entstanden. Zum kulturellen Welterbe zählen u. a. die Venus von Willendorf (um 27.500 v. Chr.) und Funde aus der Hallstatt- und La Tène-Zeit. Von den Römern blieben Namen wie Lentia (Linz) oder Veldidena" (Wilten). Das imposanteste Bauwerk ist das Heidentor bei Petronell-Carnuntum, errichtet um 360 n. Chr. Der Stamm der Bayern entstand gegen Ende der Völkerwanderung. Prägend für Österreich war ihre Sprache, aus der sich hier Dialekte entwickelten. "Bayern" und "Karantanen" wurden von Stammes- zu Landesbezeichnungen, die bis heute existieren.
Im Hochmittelalter, Von der Jahrtausendwende bis um 1300 vollzogen sich entscheidende Veränderungen, wie dichtere Besiedlung, Entstehung von Dörfern und Städten, neue Länder (Steiermark, Niederösterreich, Tirol). Im Gedächtnis bleiben Hemma von Gurk, die Babenberger, insbesondere der heilige Leopold III., die steirischen Otakare, in Tirol auch Meinhard II. von Görz-Tirol (Stams). In das Spätmittelalter - Haus Österreich - Die Etablierung der Habsburger im Ostalpenraum - fällt die Zusammenfassung der österreichischen Länder unter eine Herrschaft. Der Aufstieg der städtischen Kultur und einzelner Bergbaugebiete prägte zahlreiche Städte und ländliche Regionen. Von den Herrschern blieb vor allem Maximilian I. im historischen Gedächtnis.
Die Frühe Neuzeit bis 1740 wurde durch Reformation und Gegenreformation gekennzeichnet. Deren bleibende Folge war das katholische und barocke Österreich. Was blieb noch von der Frühen Neuzeit? Die erste gemeinsame Verwaltung der österreichischen Länder durch die österreichische Hofkanzlei. Die Anfänge einer neuen Wirtschaftspolitik (Merkantilismus), erste Manufakturen und Fabriken, Straßenbau (Triester Straße).
Maria Theresia, Joseph II. und die österreichische Staatsbildung ist der Titel des Kapitels über den "Reformabsolutismus". Außer dem "Mythos Maria Theresia" blieben u. a. die Konskriptionsnummern - die weniger der Orientierung als dem Militär dienten - , das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, Bürokratie, Allgemeine Schulpflicht, Klosteraufhebungen und neue Pfarren sowie das Großstadtwachstum Wiens, um nur einiges aus diesem wichtigen Abschnitt zu nennen.
Zu den prägenden Ereignissen der Zeit Zwischen den Revolutionen: 1790 - 1848 zählten die Napoleonischen Kriege und der Wiener Kongress, der Beginn der Industriellen Revolution und der Bau von Eisenbahnlinien. Dem negativen Mythos - Zensur, Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Ignorieren der sozialen Frage - steht ein positiver Mythos gegenüber. Stichworte dazu sind etwa Erzherzog Johann, Musik der Wiener Klassik und Theater. 1848-1918: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs I. endete mit dem Ersten Weltkrieg, vor dem sich innen- und außenpolitische Konfliktfelder aufgetan hatten. Als Stichworte jener Ära nennt der Historiker u. a. Grundentlastung, Neoabsolutismus, Gymnasial- und Hochschulreform, konfessionelle Gleichberechtigung, Hochindustrialisierung, Sozialpolitik, Ringstraße, Wiener Moderne.
1918 - 1938: Erste Republik und Diktatur Am 12. November 1918 erfolgte die offizielle Ausrufung der Republik. Karl Renner leitete die Kanzlei des Staatsrates. Von der Ersten Republik blieben eigentlich alle wesentlichen Grundlagen auch der Zweiten Republik: Staatsform und Verfassung, Staatsname, Staatsgebiet! In Wien (und anderen Städten) baute man Gemeindewohnungen und Straßen, aber wenige Industrieanlagen. Es folgt das düsterste Kapitel der Zeitgeschichte 1938 - Der "Anschluss und die Folgen. Auch hier die Frage "Was blieb? Einige Antworten: Trotz Kriegszerstörungen neue Industrien … Beginn des Autobahnbaus, Gedenkstätten…, das Gedenken an die zahllosen Opfer von Verfolgung und Krieg. Das Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945.
Am Ende des überaus informativen, kompakten Werkes fühlt man sich an ein Zitat des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel erinnert. Er meinte: "Wir lernen aus der Geschichte, dass wir aus der Geschichte nichts lernen." Das Resümee des Autors fällt nicht gerade optimistisch aus. Außer gesellschaftlichen Trends wie Polarisierung, Wandel der religiösen Zusammensetzung oder Alterung registriert er die Veränderung der Landschaft durch enormen Raumverbrauch zu Lasten von Agrarland. Wie sich diese Tendenz mit der Aufforderung zu sparsamem Ressourcenverbrauch in Wirtschaft und Gesellschaft vereinigen lassen wird, muss die Zukunft zeigen.