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Wolfgang Galler: Aufkochen#

Bild 'Galler'

Aufkochen. Alte Rezepte und Geschichten über das Leben im östlichen Weinviertel. Herausgegeben von der LEADER Region Weinviertel Ost, mit Texten von Wolfgang Galler und Fotos von Florentina Klampferer. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 176 S., ill., € 24,90

"Damit es nicht verloren geht" ist zum geflügelten Wort geworden, seit der Wirtschaftshistoriker Michael Mitterauer 1983 seine Oral-History-Buchreihe gründete. Seither sind fast 70 Titel erschienen zuletzt Wegwerfen ist eine Sünde. Es ist naheliegend, Themen der Alltagskultur unter das Motto "Damit es nicht verloren geht" zu stellen. So auch im jüngsten Buch der Edition Winkler-Hermaden.

Aufkochen ist ein gelungener Mix aus traditionellen Rezepten, Texten über Leben und Bräuche im nördlichen Niederösterreich. Das Team der LEADER Region Weinviertel Ost hat Pflegeheime in Mistelbach, Poysdorf, Wolkersdorf und Zistersdorf besucht und sich vom alten Leben erzählen lassen. Dabei war viel vom Essen die Rede, das, wie man sagt, Leib und Seele zusammenhält. Weinviertler Seminarbäuerinnen begleiteten die Gesprächsrunden und haben 80 Rezepte nachgekocht. Die ganzseitigen, perfekt komponierten Fotos von Florentina Klampferer machen richtig Appetit. Das sympathische Layout erinnert an moderne Magazine, hat aber mit nostalgischer Landlust-Idylle nichts zu tun. Denn viele Speisen sind sehr einfach.

Der Historiker Wolfgang Galler hat die Fülle derTexte in eine übersichtliche Ordnung gebracht: Essen im Jahresverlauf, Essen im Lebenskreis und Essen im Alltag. Dazu liefert er vor den Rezepten jeweils informative Einleitungen. Er schreibt: Die Erzählungen ermöglichen es, in eine eigene, großteils dörfliche Welt einzutauchen, die heute … so nicht mehr existiert… (Es) sei daran erinnert, dass es sich auch um eine Zeit der materiellen Not handelte. Einst prägten bäuerliche Arbeitswelt und Kirchenjahr den Zeitablauf, Lebenskreis und Alltag. Das spiegelte sich auch im Speiseplan. Aufgrund der eigenen, zur Verfügung stehenden Lebensmittel war die regionale Küche im Alltag relativ eintönig. Außergewöhnliches gab es zu Feiertagen und Festzeiten, wobei im Weinviertel der Kirtag eine besondere Rolle spielte.

Ein typisches Festtagsgebäck war der süße Striezel. Kinder, die "Neujahr wünschen" gingen, erhielten ihn von ihren Paten. Auf dem Ostertisch durfte er auch nicht fehlen. Zu Allerheiligen kommt erneut der Striezel ins Spiel, und das wortwörtlich, denn am Vorabend des Feiertags wurde und wird um Striezel gespielt. Beim "Striezelpaschen" entschied das Glück beim Würfeln, beim "Ausschnapsen" zählte der Gewinn beim Kartenspiel. Burschen schenkten den Preis oft ihren Mädchen. Kinder erhielten einen Allerheiligenstriezel von Göd oder Godl und revanchierten sich mancherorts am Palmsonntag, indem sie ihren Paten Palmbuschen brachten. Zu Weihnachten aß man im Weinviertel Germstrudel, gefüllt mit Äpfeln, Nüssen oder Mohn - anders als in den westlichen Bundesländern, die Kletzenbrot oder Schmalzgebäck bevorzugten. Da der Advent bis 1917 als Fastenzeit galt, kam das Festessen erst nach dem Mettenbesuch oder am Christtag auf den Tisch. Dazu zählten Würstel, Geselchtes, Geflügel, Rindfleisch und Lungenbraten. Zum Nachtisch gab es köstliche Kekse und Krapferl, wie zum Kirtag oder zum Hochzeitsmahl.

Gerade zur Hochzeit kamen viele aufwendige Festtagsgebäcke auf die Tafel, darunter Klassiker der Mehlspeisküche. Es war Brauch, dass die Braut spezielle Kranzgebäcke aus Germteig, Hochzeitsbeugel oder Bah genannt, in die Menge warf. Die Kinder rauften darum, weshalb man vom "Bahraufen" sprach. Viel Geschick erforderte die Herstellung der Prügelkrapfen, die erfahrene Hochzeitsbäckerinnen schon lange vor dem Fest herstellten. Die Torten, die von den Gästen bei der Hochzeitstafel bewundert wurden, waren förmlich ein Statussymbol. Die allgegenwärtigen Kleingebäcke, die Krapferl, gehörten ebenfalls zur Hochzeit dazu. … Meist wurde daheim gekocht und gegessen. Bekannte und gute Köchinnen halfen der Hausfrau bei der Zubereitung umfangreicher Menüs. Diese bestanden aus Suppe, Schweinsbraten, Schnitzel, Kalbsbraten, Backhühnern und Lungenbraten. Was nach dem Fest an Mehlspeisen übrig war, gab man den Gästen als "Bschoadpinkerl" mit heim.

Das Essen im Alltag war bis Mitte des 20. Jahrhunderts bescheiden, überwiegend aus selbst erzeugten Zutaten: Getreide, Hülsenfrüchte, Erdäpfel, Kraut, Obst und Gemüse. Wenn es Fleisch gab, dann in Verbindung mit besonders mühevoller Feldarbeit oder an Sonn- und Feiertagen. Geschlachtet wurde, schon wegen der schwierigen Konservierung, nur im Winter, bei reichen Bauern auch zur Weinlese oder zum Kirtag. Ein erster Schlachttermin war um Allerheiligen bzw. Leopoldi (15. November), der nächste dann vor Weihnachten, normalerweise am Tag des hl. Thomas, dem 21. Dezember. Das dritte Mal im Fasching vor Beginn der großen Fastenzeit. Alle Teile des Schweines fanden Verwendung.Weitere Nutztiere waren Rinder für die Milchgewinnung, Ziegen, Schafe, Hennen, Gänse Enten, Tauben und Kaninchen. Jagd und Fischerei blieben lange Zeit Herrenrechte, doch die Wilderei war in der Region stärker verbreitet, als man annehmen würde.

Die Getreideernte stellt eines der wichtigsten Ereignisse des bäuerlichen Jahres dar und war bzw. ist mit den verschiedensten Traditionen verbunden. Am bekanntesten ist das Erntedankfest zum Arbeitsabschluss. Sein Wegbereiter war der geistliche Volksbildner Leopold Teufelsbauer, zuletzt Pfarrer in Herrnbaumgarten. Im Weinviertel baute man Roggen, Weizen, Kukuruz und Hafer. Brot wurde daheim oder beim Bäcker gebacken. Es galt als Gottesgabe, wurde mit Ehrfurcht behandelt und nicht weggeworfen. Das wichtigste Getränk war der Wein, der sich als "Brünnerstraßler" nicht des besten Rufes erfreute. Unter der Woche musste der "Haustrunk" reichen, während der "Guide" (Gute) am Sonntag auf den Tisch kam, verkauft und in der Kellergasse verkostet wurde. In Kollnbrunn wusste man: An Wein im Keller / An Schinken am Teller / A Geld im Haus / das haltet ma aus.

hmw