Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Wolfgang Galler: Straße und Handel – Siedlung und Herrschaft#

Bild 'Galler Straße'

Wolfgang Galler: Straße und Handel – Siedlung und Herrschaft. Der Grenzraum zwischen Niederösterreich, Mähren und der Slowakei von der Mitte des 2. Jh. n. Chr. bis zur Mitte des 11. Jh. n. Chr. am Beispiel der Handels- und Verkehrswege. Driesch Verlag Drösing/ Buchhandlung Sterzinger . 280 S., ill., € 44,-

Straßen verbinden Orte und Menschen, ermöglichen den Handel und sind auch kriegswichtig. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich im heutigen Weinviertel und in den angrenzenden Regionen ein dichtes Wegenetz. Manche dieser Lebensadern, die in die römische Epoche zurückreichen, sind bis in die Gegenwart bedeutsam. So war und ist die Brünner Straße (bzw. ihre Vorläuferin, die Nikolsburger Straße und die jetzige A 5) eine der wesentlichsten Verbindungen im Osten Österreichs. Parallel verliefen im Altstraßensystem in Nord-Süd-Richtung die Klippenzugstraße - im nordöstlichen Niederösterreich zwischen Korneuburg und Laa an der Thaya - sowie ein Teil der berühmten Bernsteinstraße (Carnuntum - Breclav/Lundenburg). Sie orientieren sich an der March, während fünf Querverbindungen der Richtung der Donau folgen: Der nördliche Donauweg (von Stockerau Richtung Bratislava/Pressburg), die Ungarnstraße (von Korneuburg Richtung March), die südliche Hochstraße mit den archäologischen Fundstätten Pellendorf/Kollnbrunn und Stillfried), die nördliche Hochstraße (nach Drösing, von der in Mistelbach die Lundenburger Straße abzweigt) und der Staatzer Weg (über Poysdorf und Großkrut Richtung March).

Wolfgang Galler ist als Autor zahlreicher Bücher über das Weinviertel bekannt. Erst heuer erschien "Aufkochen" Dem vorliegenden Werk liegt seine Dissertation am Institut für Österreichische Geschichtsforschung zu Grunde. Darin behandelt der Historiker 900 Jahre Geschichte des östlichen Weinviertels von der Römer- bis zur Babenbergerzeit anhand der Straßen und ihrer Funktionen. Dabei verfolgt der ortskundige Autor einen interdisziplinären Zugang, erschließt archäologische Funde und schriftliche Quellen ebenso wie die Ortsnamenkunde. Dabei begegnet man Langobarden, Awaren, Slawen, Bewohnern des Großmährischen Reichs, Franken, Baiern, Ungarn und deutschen Kaisern. Zahlreiche brillante Bildtafeln illustrieren den wissenschaftlichen Text.

Der bekannteste Weg zwischen Ostsee und Adria ist die "Bernsteinstraße". Der Name Bernsteinstraße lässt schon im ersten Moment an ein Luxusgut denken, mit dem viele Vorstellungen verknüpft sind. Namen die für Bernstein gebraucht wurden, wie "Tränen der Götter", wecken die Phantasie, schreibt Wolfgang Galler. Er zeigt, dass das Baumharz bereits im Neolithikum und in der Bronzezeit entlang der frühen, noch nicht gezielt angelegten - Handelswege Verbreitung fand. Der älteste Fund im Weinviertel ist mehr als 4.300 Jahre alt. In der Römerzeit war Carnuntum ein wichtiges Handelszentrum, vor allem Schmuck aus Bernstein erfreute sich großer Beliebtheit. Doch war dieser nur eine von vielen Handelswaren. Ein bedeutender Fundplatz ist Stillried an der March, wo sich ein römisches Lager befand. Von Norden kamen Fibeln in das Gebiet, von Süden Terra sigillata wie auch andere Keramik aus Italien. Ebenso fanden sich Glasgefäße, Lampen, Öl- und Weinamphoren, sowie Schmuck, aber auch Waagen, die für die Händler zum Abschließen von Geschäften wichtig waren. Der Begriff Bernsteinstraße wurde erst im 19. Jahrhundert geprägt.

Ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammt die Sage vom "Kronberger Kreuz", das der im Ort ansässige Künstler Hermann Bauch (1929-2006) im Gemeindewappen verewigte. Wolfgang Galler widmet dem Kreuz einen abschließenden Exkurs unter dem Titel Vom völkerwanderungszeitlichen Fund zum "Templerartefakt" oder: Wie Sagen entstehen und eine ganze Region prägen können. Franz Xaver Joseph Schweickhardt (1794-1858) war einer der bedeutendsten Topographen Niederösterreichs. 1830 bis 1846 veröffentlichte er 63 Perspektivkarten des Erzherzogtums Österreich, die er teilweise selbst zeichnete. 1831 bis 1841 erschien seine 34-bändige "Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns". Im dritten Band beschreibt er 1834 einen archäologischen Fund in Kronberg, zu dem "ein größeres Kreuz" gehörte. Er erzählt auch von einer "Residenz der Templer" auf dem dortigen Kreuzberg. Dort hätten Ortsbewohner 1821 verschiedene Artefakte entdeckt, darunter Kreuze, Zaumzeuge und Pfeilspitzen. Schweickhardt verknüpfte die beiden Geschichten, die noch viel später bereitwillig übernommen wurden. Erst ein Jahrhundert später erwies sich, dass das "Kronberger Kreuz" ursprünglich weder ein Kreuz war, noch aus dem Mittelalter stammte. In den 1920er Jahren erkannte der Archäologe Leonhard Franz, dass es aus Spolien aus der Völkerwanderungszeit zusammengesetzt wurde. Die Art der Montierung mit Nieten und Lederbändern verweist auf das 19. Jahrhundert. Das Objekt kam durch eine Schenkung an das Rollettmuseum in Baden bei Wien, wo es sich bis zum Zweiten Weltkrieg befand. Die Story vom "Templerkreuz" wird längst von ernsthaften Forschern abgelehnt. Sogar der phantasiebegabte Topograph Franz Xaver Joseph Schweickhardt relativierte bald die von ihm behauptete Überlieferung: Diese Angabe darf ohne Bedenken verworfen werden. Keinesfalls tat dies aber Hermann Bauch. Der Maler habe in künstlerischer Art und Weise … in seinem Museum jegliche Geschichten um das Kreuz und die Tempelritter leidlich ausgeschlachtet … und auch bis in das 21. Jahrhundert zementiert. … Wären diese Geschichten aber nie von Prof. Hermann Bauch befördert worden, so hätte sich niemand mehr an sie erinnert und jegliche Auseinandersetzung mit ihnen hätte nie stattgefunden - so gesehen ist er der Retter des Andenkens an einen bedeutenden völkerwanderungszeitlichen Fund und dessen Geschichte beziehungsweise die Geschichten, die damit in Verbindung stehen - das "Kronberger Kreuz" wurde für ihn und damit für eine Region zu einem Wahrzeichen und Identifikationsmerkmal.

hmw