Gabriele Hasmann - Charlotte Schwarz: Faszinierende Wege#
Gabriele Hasmann - Charlotte Schwarz: Faszinierende Wege. Brücken, Stege und legendäre Stiegen in Wien. Falter Verlag Wien. 248 S., ill., € 29,90
Keine zwei Jahre sind vergangen, seit Gabriele Hasmann und Charlotte Schwarz ihren Stadtführer "Geheime Pfade" vorgestellt haben. Nach Durchhäusern und Höfen laden die Autorinnen jetzt zum Entdecken von Wiener Brücken, Stegen und Stiegen ein. Sie wählen einen literarischen Einstieg, Doderers Verse "Auf die Strudlhofstiege zu Wien: '… und das Schöne zeigt die kleinste Dauer'." Hier irrt der Dichter nicht, doch ist es dem Autorinnen-Duo gelungen, schöne historische Anlagen aufzuspüren. Wieder hat die Fotografin Charlotte Schwarz sie, ebenso wie moderne Bauwerke, stimmungsvoll ins rechte Licht gesetzt.
Wiental, Donaukanal, Donau und Liesingbach bilden die Ziele der neun Exkursionen. Wien hat rund 800 Brücken - doppelt so viele wie Venedig. 40 führen über den Wienfluss, 32 über den Donaukanal, mehr als zehn über die Donau. Die älteste erhaltene ist der zur Weltausstellung 1873 errichtete Konstantinsteg im Prater, die jüngste (2011) die Seitenhafenbrücke in der Freudenau.
Zahlreich sind die Stiegenanlagen, welche die Niveauunterschiede zwischen den Stadtterrassen überwinden. Die erste, die vorgestellt wird, ist die Markwardstiege in Hietzing. Zwischen Carolaweg und Himmelhofgasse folgt sie der Mauer des Lainzer Tiergartens. Auf ihren 419 gepflasterten Stufen finden häufig Treppenrennen statt. Die bekannteste Brücke im 13. Bezirk ist wohl der Verkehrsknotenpunkt Kennedybrücke. Die 1964 eröffnete Betonkonstruktion wirkt auf dem Foto wie ein gestrandetes UFO. Dies wird zwar im Text nicht behauptet, hingegen sagt er der Ameisbrücke über die Westbahn Böses nach: Bei der Ameisbrücke scheint es sich um einen Ort mit negativen Schwingungen bzw. jenseitigen Energien zu handeln, da hier 'der Tod schon auf viele Menschen gewartet und sie mitgenommen hat.' Neun Beispiele aus 20 Jahren sollen dies belegen. Überhaupt darf einem bei der Lektüre nicht gruseln, denn die Autorin ist eine Ghostwriterin in doppeltem Sinne. Sie schreibt nicht nur, sondern veranstaltet auch Spukführungen. Freundlicher präsentiert sie die größte Freitreppe der Stadt, die zum Dach der Hauptbücherei führt. Ihr berühmtes Vorbild, Villa Malaparte auf Capri, dürfte Filmfreunden aus "Die Verachtung" mit Brigitte Bardot bekannt sein. Der Stadtrundgang in Mariahilf führt unter anderem zur Fillgraderstiege. Sie (und nicht die Strudlhofstiege) wurde im Jahr 2004 von 80 Kunstprofessoren zur schönsten Treppenanlage Wiens und zur viertschönsten in Europa gekürt. Die Wien fließt weiter durch den Bezirk Landstraße, wo sie bei der Radetzkybrücke in den Donaukanal mündet.
Der rund 17 km lange Donaukanal war im Mittelalter der größte Donauarm. Heute erstreckt er sich zwischen Nußdorf und dem Alberner Hafen, Ufer und Umfeld haben sich zu einer Freizeitmeile entwickelt. Brücken entstanden im 21. Jahrhundert beim Winterhafen und in Erdberg. Der Donaukanal durchquert sieben Bezirke (1., 2., 3., 9., 11., 19., 20.), die interessante Ausflugsziele bieten. Der Spaziergang durch die City führt u. a. zum Griechenbeisl, in die Albertina (die mit 65.000 Zeichnungen und einer Million Druckgrafiken weltweit zu den größten grafischen Sammlungen zählt), in die Viertel um Maria am Gestade und Sankt Ruprecht. Auf dem Alsergrund erzählt die Autorin Unglaubliches, nicht nur, weil die Storys so unglaublich klingen, sondern auch, weil sie nicht einmal den profundesten Kennern des 9. Bezirks bekannt sind. Jedenfalls hat der Sagenschatz wieder Zuwachs erhalten. Spooky geht es weiter zum Döblinger Steg, wo für medial veranlagte oder besonders sensible Menschen starke Spannungen und negative Energien spürbar sein sollen und sich angeblich die Seelenreste der Lebensmüden, Verbrechensopfer oder Verunglückten hin und wieder bemerkbar machen. Dagegen wirkt die etwas ältere Schemerl-Brücke mit den monumentalen Bronzelöwen von Otto Wagner direkt sympathisch.
Donau. Donauinsel und alte Donau ist das nächste Kapitel überschrieben. Es führt von Westen nach Osten in den 2. und 20. bis 22. Bezirk. Hier wechseln ausdrucksstarke Fotos futuristisch anmutender Architektur mit Bildern unberührter Natur ab. Die Walulisobrücke erinnert an den Friedens- und Naturschutzapostel Ludwig Anton Weinberger (1914-1996). Er nannte sich Waluliso, engagierte sich unter dem Motto "Wasser-Luft-Licht-Sonne" für die Erhaltung des Erholungsraums Donauinsel und Lobau. In den 1980er Jahren machte er in der Innenstadt auf seine Anliegen aufmerksam - in eine weiße Toga gekleidet, mit Laubkranz, Stab und Apfel.
Schließlich ist noch der 30 km lange Liesingbach ein Thema. Das Foto zeigt eine romantische Abendstimmung samt Graureiher. In Unter-Laa überspannt die Sebastianbrücke den Waldbach. In dieser Gegend befand sich möglicherweise bereits zur Zeit der Templer eine Gaststätte, formuliert die Autorin hier vorsichtig. Wie schon im Vorgängerband schreibt sie einleitend, es handle sich bei dem Buch eher um Unterhaltungslektüre als schwere Fachliteratur.