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Simone und Claudia Paganini: Die Biester der Bibel#

Bild 'Paganini'

Simone und Claudia Paganini: Die Biester der Bibel. Warum es in der Heiligen Schrift keine Katzen, aber eine Killer-Kuh gibt. Gütersloher Verlagshaus. 174 S., ill., € 16,50

Univ. Prof. Simone Paganini lehrt - nach Stationen in Rom, Innsbruck und Wien - Biblische Theologie in Aachen. Claudia Paganini studierte Theologie und Philosophie, machte sich als Schriftstellerin einen Namen und ist in München als Professorin für Medienethik tätig. Das Autorenehepaar hat auf Science Slams sein Publikum begeistert und erfolgreiche Sachbücher veröffentlicht. 2020 erschien Von wegen Heilige Nacht. Jetzt laden die beiden zur literarischen Safari in die bunte Tierwelt der Bibel ein. Im Neuen Testament sind Tiere allgegenwärtig. In den Gleichnissen kommen häufig Ziegen und Schafe vor, aber auch ihre Feinde, die Wölfe. Außerdem ist in den Texten von Kamelen, Hennen, Hühnern und natürlich Eseln die Rede. … In der Offenbarung des Johannes treten dann eine Unmenge an sonderbaren Tiergestalten in Erscheinung … ein Meeresmonster mit dem Körper eines Panthers, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern, den Tatzen eines Bären und Löwenmäulern.

Mit der ihnen eigenen, gleichermaßen seriösen wie humorvollen Art meinen die Autoren über solche Tiere, die in der Bibel nicht vorkommen sollten, es aber dennoch tun, diese würden heute als Fabelwesen vorgestellt, die mit dem Wort Gottes nichts zu tun hätten. Denn immerhin ist die Bibel kein Märchenbuch, und mystische Wesen haben bei einer so ernsten Angelegenheit wie dem wahren Glauben nichts verloren. Oder etwa doch ? Als erstes Beispiel solcher (Un-)tiere nennen sie Drachen (griechisch drákon) die im Alten Testament 14-mal vorkommen. Ihre Beschreibung passt zu drei Arten von Dinosauriern, die damals seit 115 Millionen Jahren nicht mehr existierten. Allerdings fand man in Israel und Palästina deren Fossilien, die auch den Menschen zu biblischer Zeit bekannt gewesen sein könnten. Sie beschrieben sie in ihren Texten und bauten sie phantasievoll in eine bunte, faszinierende, mythische Welt ein … , meinen die Autoren.

Sie haben beobachtet, dass Einhörner nicht nur derzeit die Marketing-Alleskönner par excellence sind und bezeichnen das Einhorn als ein durch und durch biblisches Wesen. Das älteste Zeugnis findet sich im 4. Buch Mose (Numeri), wo das Einhorn die Stärke des Volkes Israel verkörpert. Martin Luther verhalf dem Fabeltier zu seiner Popularität in der kirchlichen Tradition, doch wurde es 1984 aus der Übersetzung eliminiert. Mittelalterliche Theologen wie Albertus Magnus sprachen ihm die Eigenschaften stark und wild, zugleich sanft und gut zu. Seine Predigten inspirierten christliche Künstler. Auf Madonnenbildern symbolisiert ein weißes Einhorn Jesus. Hingegen wurden Drachen und Basilisken nur negativ bewertet. Luther verglich in seiner Polemik gegen den Papst die Lehre der katholischen Kirche mit dem giftigen und bösartigen Basilisken.

Von der Antike bis in die Gegenwart wurden Tiere nicht nur als Götter, Geister und Dämonen gesehen, sondern auch als Gefährten des Menschen. Als solche hatten sie menschliche Eigenschaften und konnten … sprechen. Das erste und bekannteste sprechende Tier der Bibel ist die Schlange, das Sinnbild des Bösen und des Teufels. Bekannt ist auch die Episode vom Seher Bileam und seiner sprechenden Eselin (Numeri 22). Sie bewahrte ihn drei Mal vor dem Todesengel, doch ihr Herr verstand das störrische Verhalten nicht und schlug sie - worauf sie sich bei ihm beschwerte. Schließlich lobte der Engel die Eselin und tadelte Bileam.

Das zweite Kapitel nennt sich Tiere, die in der Bibel vorkommen sollten, es aber nicht tun. Hier erfährt man, warum es in der Heiligen Schrift keine Katzen gibt, die im benachbarten Ägypten als Mäusejäger in den Getreidespeichern hoch geschätzt und verehrt, sogar einbalsamiert wurden. Von mehreren Theorien scheint am plausibelsten, dass die Israeliten, anders als die Ägypter, in einem halbnomadischen Verbund von Familienclans lebten. Für die ortsgebundene Katze aber wäre die ständige Wanderschaft gewiss keine ideale Lebensweise gewesen. Es gab nicht einmal einen hebräischen Begriff für das Tier. Das Neue Testament erwähnt es nicht und noch im 15. Jahrhundert stand die Katze im Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Hingegen malte Leonardo da Vinci um 1480 die Madonna mit einer Katze, die vom Jesuskind umarmt wird.

Zu den bekanntesten Geschichten in der Bibel zählt jene vom Propheten Jona, den ein Wal verschlungen haben soll. Simone und Claudia Paganini nennen sie offen ein Märchen. Es sind gerade die märchenhaften Züge, die die Jona-Erzählung kurzweilig und bunt machen. Dabei ist die Jona-Erzählung aber keine Kindergeschichte, sondern vermittelt - auf unterhaltsame Weise - wichtige religiöse und moralische Überzeugungen. … Dabei ist auch der große Fisch - ob Wal oder nicht - ein Werkzeug dieses klugen, den Menschen liebevoll zugewandten Gottes. Mindestens ebenso populär und legendär wie der "Walfisch" sind Ochs und Esel an der Krippe. Sie erscheinen zwar schon im 4. Jahrhundert auf Wandmalereien und Sarkophagen in den Katakomben, gehen aber in erster Linie auf Franz von Assisi zurück, von dem berichtet wird, dass er anno 1223 eine Krippe mit lebenden Tieren nachbauen ließ.

Der dritte Teil des gleichermaßen theologisch fundierten wie amüsanten Buches handelt von Tieren, die in der Bibel in besonderen Rollen vorkommen. Da wäre zunächst das "Goldene Kalb" (Exodus 34) zu nennen. Als Mose nach dem Auszug aus Ägypten auf dem Gipfel des Gottesberges weilt, um die Tafel mit den Zehn Geboten zu empfangen, bitten die Israeliten den Priester Aaron, ein Gottesbild anzufertigen. Dieser gießt aus Gold ein Kalb, das die Israeliten enthusiastisch anbeten. Entgegen der verbreiteten Meinung dürfte es sich bei diesem Abguss eines Kalbs nicht um einen Gott der Ägypter, sondern um das Abbild des einen, einzigen Gottes Israels gehandelt haben, schreiben die Autoren. Für diese Theorie spricht, dass Archäologen zahlreiche Stierstatuetten fanden, die aus einer Zeit stammen dürften, in der JHWH bereits als einzige Gottheit verehrt wurde.

Für Christen waren Mischwesen wie Dämonen und Engel Teil ihrer Glaubensvorstellungen. Sie gehörten der Sphäre des Göttlichen an, verkörperten göttliche Eigenschaften und besaßen ganz offensichtlich Merkmale von Tieren. Insofern sind sie durchaus mit den Göttern der Ägypter vergleichbar. Bis heute gebetete Psalmen beschreiben Gott als geflügeltes Wesen, unter dessen Fittichen Menschen Schutz finden. Die Vorstellung von einem Gott mit Flügeln findet sich auch im Neuen Testament, eine Taube, die zum Sinnbild per excellence für den Geist Gottes avanciert. … Die Taube ist aber nicht das einzige Tier, das im Neuen Testament als Gottesbild in Erscheinung tritt … Es ist das Lamm, das keinen Geringeren als Jesus selbst symbolisiert.

Nach Überlegungen zu Opferfleisch, Insekten und "animalischer Leidenschaft" formulieren die Autoren ein engagiertes Schlusswort: Auch wenn es sich bei der Bibel also sicher nicht um ein Werk handelt, das Tierethik vermitteln will, enthält sie doch Erzählungen und Motive - das hoffen wir, mit diesem Buch gezeigt zu haben - die Anlass dafür sein sollten, die selbstverständliche Machtausübung des Menschen über die Tiere fundamental in Frage zu stellen. Je früher auch die Kirche damit beginnt, desto besser.

hmw