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Michaela Pfundner: Der Fotograf des Kaiserhauses#

Bild 'Angerer'

Michaela Pfundner: Der Fotograf des Kaiserhauses. Ludwig Angerer (1827-1879) Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 160 S., ill., € 38,90

Vom "Hof-Photographen" Ludwig Angerer (1827–1879) stammen die erste bekannte Aufnahme Kaiser Franz Josephs und die einzig überlieferte, die ihn gemeinsam mit Kaiserin Elisabeth zeigt. Von ihr schuf Angerer zahlreiche ikonische Bilder, wie die letzte Atelieraufnahme von 1868, die 30 Jahre später als Vorlage zum Sterbebild diente. Angerers Firmenarchiv stellt eine umfangreiche fotografische Dokumentation des österreichischen Adels und der Wiener Gesellschaft aus den 1860er-Jahren dar. Michaela Pfundner hat daraus, ergänzt mit Beständen aus anderen Sammlungen, die erste Publikation über Angerers Werk zusammengestellt. Die stellvertretende Direktorin des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek hat, gemeinsam mit Matthias Marschik, bisher zwei Bild-Textbände in der Edition Winkler-Hermaden herausgegeben: Wiener Bilder. Fotografien von Lothar Rübelt (2020) und Die Rotunde. Ein verschwundenes Wiener Wahrzeichen (2022).

Den Umschlag ihres jüngsten Buches ziert ein bekanntes Foto aus dem Jahr 1862. Es zeigt Kaiser Franz Joseph mit seinen Brüdern Karl Ludwig, Ferdinand Maximilian und Ludwig Viktor. Damals galt das Atelier von Ludwig Angerer in der Theresianumgasse als das vornehmste in Wien. Der Hof-Photograph stammte aus der Gegend von Bratislava - und aus einer fotografischen Familie. Sein ursprünglicher Beruf war Apotheker. Später führte er mit seinem Bruder August, der auch eine Kunsthandlung betrieb, eine Firma für Fotografenbedarf. Der jüngste, Viktor, arbeitete zunächst im Atelier seines prominenten Bruders Ludwig. Sein eigenes eröffnete er in Wien 9, Boltzmanngasse 16, wo er ein repräsentatives Wohnhaus errichten ließ. Sowohl Viktor Angerers Schwester, Amalia, wie auch seine Tochter, Luise, heirateten Fotografen. Sein Schwiegersohn führte nach Viktors Tod dessen renommiertes Atelier weiter.

Der Starfotograf Ludwig Angerer war als Feldapotheker auf dem Balkan stationiert. Er nahm die Bevölkerung und militärische Szenen auf und fertigte 1856 die ersten Fotos von Bukarest an. Diese Bilder gefielen Erzherzog Ferdinand Max, der ihn dafür auszeichnete. Ein Jahr später beendete Angerer den Militärdienst und eröffnete ein Atelier in Wien 4, Theresianumgasse 4. Damals kam aus Frankreich die Mode der 6 mal 9 cm großen Visitkartenportraits auf. Die Bilder wurden auf Karton kaschiert, dessen Rückseite die Fotografen für Werbezwecke verwendeten. Angerer profitierte davon. Rasch stieg er zum gefragtesten Wiener Atelierfotografen auf, wobei die Nähe zum Herrscherhaus seiner Karriere förderlich war. Ab 1860 besuchte Kaiserin Elisabeth das Atelier. Die dabei entstandenen Aufnahmen wurden zu beliebten Sammelfotos und trugen zum Mythos ihrer Schönheit bei. Der nun als Hof-Photograph Ausgezeichnete ließ sich in der Nähe seines zu klein gewordenen Ateliers eine Villa bauen. Sie enthielt Wohnräume und ein repräsentatives Glasatelier, auch der Park mit Gartenhaus diente als Kulisse.

Zu einem besonderen Markenzeichen seiner Kunst wurden Gruppenbilder, für die er auf zahlreichen fotografischen Ausstellungen großen Beifall erhielt. … Derartige Aufnahmen, oft mit mehr als zehn Personen, in extravaganter Möblierung konnte er problemlos in seinem neu errichteten großen Atelier bewerkstelligen. Aufgrund dessen Weitläufigkeit und der Vielzahl an Einrichtungsgegenständen und Requisiten entstanden eindrucksvolle Aufnahmen vor allem adeliger Familien. Franz Joseph und seine Brüder posierten hier in entspannter Atmosphäre. Der Kaiser ließ sich, anders als seine Gemahlin, gerne mit seinen Kindern fotografieren. Diese waren, entsprechend inszeniert, auch allein attraktive Motive. Merkwürdig wirkt ein Bild aus dem Jahr 1871, auf dem Marie Valerie, die jüngste Tochter des Kaiserpaares, neben einem Bernhardiner steht, der sitzend ihre Körperhöhe erreicht. Auch als Erwachsene schätzten die Erzherzoge die Kunst des Lichtbildners. Dass man ihn beauftragte, die Kaiserinmutter auf dem Totenbett zu fotografieren, beweist das Vertrauensverhältnis.

Angehörigen des Adels bot die Fotografie eine neue Möglichkeit der Selbstdarstellung. Sie ließen sich mit der Familie oder dem Lieblingshaustier darstellen, wobei sich der Fotograf bei der Inszenierung sehr kreativ zeigte. Er platzierte seine Kunden manchmal auf dem Teppich und nutzte die Effekte, die ein Spiegel bot. Aufgestellte Nadelbäume simulierten Aufnahmen im Freien. Nicht nur die Hocharistokratie wusste die unkonventionellen Portraits zu schätzen, die Ringstraßengesellschaft fand sich ebenso in Angerers Atelier ein. So sieht man im Buch den Bankier Albert Frh. Rothschild und den Industriellen Nikolaus Dumba.

Oft kamen ausländische Herrscher, Diplomaten, geistliche Würdenträger aus dem Vatikan und andere prominente Personen nach Wien. Sie suchten Ludwig Angerer auf, um sich portraitieren zu lassen. 1873 verband der Schah von Persien seine Visite der Weltausstellung mit dem Atelierbesuch. Mit dem Kaiserhaus familiär verbundene Potentaten ließen sich ebenfalls fotografieren, wie der Schwiegervater von Kronprinz Rudolf, König Leopold II. von Belgien, oder Kaiser Pedro II. von Brasilien, dessen Mutter die österreichische Erzherzogin Maria Leopoldine war.

Schon am Anfang seiner Laufbahn machte Ludwig Angerer Erfahrungen mit der Fotografie im Freien. Nach seiner Rückkehr aus Bukarest dokumentierte er das Kärntnertor kurz vor dem Abbruch, neue Gebäude an der Ringstraße oder die Enthüllung des Reiterstandbilds von Erzherzog Karl auf dem Heldenplatz. In Reichenau schuf er private Bilder der Kaiserkinder und bildete hochrangige Besucher in der Weilburg bei Baden ab. Mit einem Kollegen erstellte er ein "Album von Ischl und seinen Umgebungen".

Die 1860er Jahre waren geprägt von einem Aufschwung in Wirtschaft und Wissenschaft. Emanzipierte Frauen wie Johanna Meynert, Jeanette Lott und Therese Lewinger legten ebenfalls Wert auf repräsentative Portraits. Hermann Krupp, technischer Leiter der Berndorfer Metallwerke, präsentierte sich im pelzbesetzten Mantel mit Zylinder, wie auch der Schauspieler Johann Nestroy. Angerer bot ihm und anderen Künstlern eine fotografische Bühne für Kunst und Kultur. Zu den Berühmtheiten auf diesem Gebiet zählten der Schriftsteller und Maler Adalbert Stifter, die 38 Mitglieder des Treumann-Theaters auf einem Gruppenbild, der junge Johannes Brahms, die Architekten der Hofoper, Eduard van der Nüll und August von Sicardsburg. Internationalen Vorbildern folgend, stellte Angerer ein "Album der Zeitgenossen" zusammen. Unter den 22 sorgfältig komponierten Portraits finden sich u. a. Franz Grillparzer, Heinrich von Ferstel und die Burgschauspielerin Julie Rettich.

1868 eröffnete der k. k. Hof-Photograph Ludwig Angerer in der Johannesgasse ein zweites Atelier. 1874 trat sein Bruder Viktor als Kompagnon ein und übernahm bald die beiden Firmen. Fünf Jahre später starb Ludwig Angerer. Er verfügte, dass sein Bruder "alles, was zum fotografischen Geschäfte gehört" übernehmen sollte. Dazu zählte der gesamte Negativbestand. Daher finden sich immer wieder spätere Abzüge in den Archiven, die ursprünglich aus dem Atelier von Ludwig stammten, aber nun mit dem Firmenstempel von Viktor Angerer versehen sind.

hmw