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Michael Schottenberg: Wien für Entdecker#

Bild 'Schottenberg'

Michael Schottenberg: Wien für Entdecker. Schotti to go. Amalthea Verlag Wien. 224 S., ill., € 25,-

Michael Schottenberg, der langjährige Volkstheaterdirektor und "Dancing Stars"-Publikumsliebling hat sich seit einiger Zeit als Reiseschriftsteller etabliert. Er war in Vietnam, Burma, Indien, an Bord eines Frachtschiffes auf der Nord- und Ostsee, quer durch Österreich und im Burgenland unterwegs. Schotti to go ist zum Markennamen geworden, unter dem der geistreiche Autor seine Entdeckungen, Begegnungen und subjektiven Eindrücke mit dem Publikum teilt. Als Profi tut er das humorvoll, philosophisch und sehr persönlich, amüsant und nachdenklich stimmend (Stichworte: Lueger-Denkmal, Steine der Erinnerung, Trauerredner). Im jüngsten Band geht es mit 30 Geschichten durch Wien, gewürzt mit Extra-Tipps und vielen eigenen Fotos. Ein echter "Schotti" eben. Der Weltenbummler widmet das Buch seiner Heimatstadt oder, besser gesagt, ihren Menschen und deren Geschichten. Dazu zählen so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der "Mistkistlgott", der Liesinger Alpaka-Beauftragte, ein vietnamesischer Meisterkoch, eine Tätowiererin, der "Rapid-Charly", die Chefin der Loos-Bar, der letzte Hornkammmacher, ein Promifriseur, ein Würstelstandbetreiber, ein Oblaten-Erzeuger, ein Reparaturspezialist und ein Verzuckerungspralineur.

Zu Magic Christian, dem "größten Zauberer der Welt" hat der Schauspieler eine besondere Beziehung. Der dreifache Weltmeister der Manipulation ist sein "lebenslanges Vorbild". Kaum zu glauben, dass Schottenberg, in jungen Jahren ein "schüchterner Knabe", seinen Lieblingsaufenthalt in einem Geschäft namens "Zauberklingl" hatte, dessen Chef ihn in die Zauberkunst einführte. Später präsentierte er seine Tricks öffentlich und soll dadurch sogar seine Matura gerettet haben. Während Christian Stelzel als Star seiner Generation "von Tokio bis Los Angeles, von Kairo bis New York" das Publikum bezauberte, wandte sich Michael Schottenberg einer anderen Art der Illusion zu. Er wurde "staatlich geprüfter Schauspieler".

Als solchen hatte ihn die Direktion des Leopold-Museums - Hier ausgestellt zu werden, gleicht einem Ritterschlag - eingeladen, eine Laudatio auf Peter Sengl zu halten. Im Buch nennt der Regisseur den Wiener Künstler ein Gesamtkunstwerk in der an Außergewöhnlichem nicht armen Stadt. Dementsprechend waren seine Impressionen beim Besuch des Ateliers, einem Pandämonium prachtvoller Absonderlichkeiten … Verquert, verschroben, verschrullt. …. Abgründige Fantasie verknüpft mit Lust am Absurden. … Er bannt den Tod, indem er ihn festschraubt. Dem Bild gibt er dann den Titel "Der Tod ist schwarz, gelb, blau, rot, dennoch ist der Tod nicht tot." Das hat Trotzig-Anarchisches, zugleich aber auch Konservativ-Religiöses an sich, urteilt der Besucher, der sich bald auf dem St. Marxer Friedhof wieder findet.

In unmittelbarer Nachbarschaft zur größten Staumeile Österreichs, der Südosttangente, befindet sich die wohl eigenartigste Grünanlage Wiens: der Fliederfriedhof von St. Marx. Auf einer Fläche von rund sechzigtausend Quadratmetern reihen sich inmitten eines im Frühjahr betörend duftenden Blütenmeers Erinnerungen an eine längst versunkene Welt. Eine solche kann man auch im Josephinum entdecken, wo sich 1200 anatomische Wachsmodelle befinden. Kaiser Joseph II., der das Institut zur Ausbildung von Militärärzten gegründet hatte, ließ die Präparate von höchster künstlerischer und wissenschaftlicher Qualität in Florenz anfertigen. Eine Maultierkarawane und Schiffe transportierten sie nach Wien. Heute ruhen die "medizinhistorischen Juwelen" frisch restauriert in ihren originalen Rosenholz-Vitrinen. Wie in vielen Kapiteln verschwimmen hier Phantasie und Realität, wenn der Autor mit der berühmten "Mediceischen Venus" Zwiesprache hält. "Sie sind schön" sagt er zur nackten Dame in ihrem Glassarg.

Bekannte Sehenswürdigkeiten findet man eher wenige in diesem originellen Buch. Es geht mehr um Entdeckungsreisen und Geheimtipps (auch wenn viele längst nicht mehr geheim sind), zum Beispiel die Gartenstadt Lockerwiese, die Liliputbahn, das Straßenbahnmuseum, die DDSG, Buschenschänken in den Außenbezirken, das Fälschermuseum, die Donauinsel, der Karmelitermarkt oder das Gipsfigurendepot unter der Hofburg.

Dem Stephansdom, einem touristischen Hotspot mit fünf Millionen Besuchern jährlich, kann der Reisephilosoph Geheimnisvolles abgewinnen. Beim Besuch der Grabkammern mit ihren 11.000 Bestatteten erfährt er von einem gestohlenen Oberschenkel, den der reuige Dieb per Post aus Kanada zurückschickte. Von den Katakomben bis zur begehbaren Dachrinne, entlang dem mit 230.000 bunt glasierten Ziegeln gedeckten Dach, hat der Autor alles erkundet. Für die bekannte Inschrift "A.E.I.O.U." hat er eine rustikale Übersetzung gefunden: "Am Ende Is Ollas Umasunst". Was wäre der gutgläubige Wiener ohne seinen gesunden Zweckoptimismus?

hmw