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Oliver Woog: "Diese göttlichen Berge und Seen"#

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Oliver Woog: "Diese göttlichen Berge und Seen". Franz Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich, Salzburg und Umgebung. Hg. Schubert-Projekt GbR, Öpfingen. 160 S., ill., € 25,-

Der deutsche Konzertgitarrist Oliver Woog ist nicht nur als solcher, sondern auch als Schubertforscher bekannt. Als Interpret gilt sein Interesse Kunstliedern mit Gitarrenbegleitung, besonders jenen Franz Schuberts. Der Musikhistoriker recherchiert über Leben und Werk von Komponisten des Wiener Vormärz.

Woogs "Schubert-Topografie" - sämtliche Schubert-Stätten in Österreich und der Slowakei - ist auf sechs Bände angelegt. Der erste, "Schmücket die Locken mit duftigen Kränzen" über die Schubertianer in Atzenbrugg erschien 2020. Jetzt liegt das zweite Buch der Reihe vor. Wieder war ein Zitat titelgebend. "Diese göttlichen Berge und Seen" begeisterten Franz Schubert in Oberösterreich und im Salzburger Land. Drei mal - 1819, 1823 und 1825 - besuchte der Komponist diese Bundesländer. Er war mit seinem Interpreten und Mentor Johann Michael Vogl (1768 - 1840) unterwegs. Dessen Kontakte und Einladungen zu Auftritten förderten Schuberts Karriere. In Steyr geboren, besuchte Vogl das Gymnasium in Kremsmünster und studierte in Wien. Er wirkte als Anwalt und an der Hofoper. Seine schöne Baritonstimme war berühmt. Als ihn der jugendliche Franz Schubert zum ersten Mal hörte, soll er beschlossen haben, für Vogl zu komponieren und sogar seine Schulbücher verkauft haben, um den drei Jahrzehnte Älteren bei einer Aufführung zu erleben.

Oliver Woog gelingt in seiner Schubert-Topografie ein möglichst genaues Aufschlüsseln und Trennen von belegtem Wissen, unbelegten Überlieferungen und Unwahrheiten. Erhaltung und Würdigung der mit dem Komponisten verbundenen Bauwerke und Orte sind seine Intention. Kammersänger Robert Holl würdigt die liebevollen, akribischen Forschungen und die wundervolle, wichtige Arbeit an einem intensiven, aus Begeisterung geborenen faszinierenden Kompendium. Man kann nur bewundern, wie exakt und wissenschaftlich redlich Oliver Woog vorgegangen ist. Einige Schubert-Stätten konnte er entdecken und vermeintlich verschwundene identifizieren. Im Vorwort schreibt er: Neu und wichtig sind viele Forschungsergebnisse, Zusammenhänge und Personen betreffend, beispielsweise in biografischer Hinsicht, die im Text … einfließen. Ähnlich verhält es sich mit Korrekturen von aufgespürten Fehlern im bisherigen Wissensstand. Es ist es ihm perfekt gelungen, nicht nur ein trockenes Faktenskelett zu konstruieren, sondern auch für das "Fleisch" zu sorgen. Dazu dienen Zitate von Schubert und seinen Zeitgenossen, Details aus deren Leben, Beschreibungen der Örtlichkeiten und viele Illustrationen. In der Randspalte findet man Kurzinformationen: "Fakten/Legende", "Denkmalschutz", "damalige Adresse" und "Bestand".

Sehr interessant sind die Netzwerke der Schubertfreunde, die dem Komponisten Eingang in kunstliebende und einflussreiche Kreise ermöglichten. An oberster Stelle steht dabei der gebürtige Oberösterreicher Johann Michael Vogl. Der "kongeniale Interpret" und "loyale Gönner" reiste mit Schubert und knüpfte für ihn hilfreiche Kontakte. Ein weiterer Mentor und Vermittler von Freundschaften war der Linzer Joseph von Spaun (1788-1865). Schubert kannte den Freiherrn, Lottodirektor und Ehrenbürger von Wien aus seiner Zeit im Stadtkonvikt. Ein anderer Konviktsfreund war Albert Stadler (1794-1884), auch dieser Beamte, Komponist und Schriftsteller stammte aus Steyr. Ebenso Johann Mayrhofer (1787-1836), der seinen Brotberuf unglücklich bei der Zensurbehörde in Wien ausübte. Schubert vertonte fast 50 seiner Gedichte. Schubertfreunde waren führende Mitglieder der "Intellektuellenkreise" in Linz, Kremsmünster und Wien. Aus den Zusammenkünften der schöngeistigen Vereine, welche die Geselligkeit pflegten, entstanden die "Schubertiaden".

Die erste Reise führte nach Steyr, Kremsmünster und Linz. An bemerkenswerten Gebäuden stellt das Buch unter anderem die Geburtshäuser von Johann Mayrhofer und Johann Michael Vogl vor. Schubert schrieb an seinen Bruder Ferdinand: Die Gegend um Steyr ist über allen Begriff schön. Zum Stift St. Florian hatten sowohl Vogl als auch die Familie Spaun gute Beziehungen. Die dort früh einsetzende Schubert-Rezeption erscheint "außergewöhnlich". Vielfach dokumentiert ist der Besuch von Schloss Steyregg, wo Schubert der Besitzerin und Amateurmusikerin, Sophie Ungnad Gräfin v. Weissenwolf, einige Lieder widmete. Auch im Linzer Palais der Kulturförderin fanden Schubertiaden statt. In Linz besuchte der Komponist die Familie Spaun und Bekannte von Vogl, wo sie gemeinsam konzertierten. Beide waren Ehrenmitglieder der Gesellschaft der Musikfreunde in Linz. Deren Sitz im Wilheringer Stiftshaus ist einer der zwölf Gedenkorte in der Landeshauptstadt. Mehrfach traten Schubert und Vogl im Stift Kremsmünster auf. In Altmünster war der Komponist zwar im Schloss Ebenzweier zu Gast, doch ist seine Romanze zur Schlossherrin Therese Clodi ebenso ins Reich der Märchen zu verweisen, wie mehrwöchige Aufenthalte, wovon eine Gedenktafel kündet. In Gmunden verbrachten die Musiker 1825 "sechs volle Wochen". Im Juli schrieb Schubert an Spaun "Ich lebte da sehr angenehm und ungenirt".

Im September verfasste er einen Brief an einen Bruder. Doch sandte Schubert seine Reisebeschreibung nicht ab, sondern übergab sie Ferdinand persönlich. Oliver Woog rekonstruierte die zwischen 20. Mai und 3. Oktober 1825 absolvierte Tour nach Salzburg und Gastein. Während Schubert die Gegend von Kremsmünster pries, nannte er Vöcklabruck "ein trauriges Nest". In Straßwalchen fielen ihm die Holzhäuser auf, an denen sich Schießscheiben befanden, "die als Siegestrophäen aufbewahrt werden aus längst vergangenen Zeiten; denn man findet die Jahreszahlen 1600 und 1500 häufig." In Neumarkt nannte er die Gegend schon wunderschön. Der Waller-See, welcher rechts von der Straße sein helles blaugrünes Wasser ausbreitet, belebt diese anmuthige Gegend auf das herrlichste.

In Salzburg hatte die Säkularisation die Macht- und Prachtentfaltung der Fürsterzbischöfe beendet, Franzosen, Österreicher und Bayern die Herrschaft übernommen, ehe Stadt und Land 1816 zu Österreich kamen. Salzburg war entvölkert und weite Teile durch einen Brand zerstört. Die Stadt selbst machte einen etwas düstern Eindruck … und überdies die Festung … die in alle Gassen der Stadt ihren Geistergruß herabwinkt … viele Gebäude stehen leer … Auf den Plätzen … wächst zwischen den Pflastersteinen Gras, so wenig werden sie betreten, klagte der Komponist. Hingegen äußerte er sich begeistert über die "unaussprechliche Schönheit" der Aussicht vom Nonnberg. Erschüttert besuchte er im Stift St. Peter das Grab des verehrten Johann Michael Haydn (1737-1806), der fast fünf Jahrzehnte als Hofkomponist in Salzburg gewirkt hatte. Er beeinflusste Schuberts Kirchenmusik und Gesangsquartette. Hallein machte auf den bürgerlichen Komponisten einen höchst fatalen Eindruck … eine äußerst schmutzige und grausliche Stadt. Die Einwohner sehen alle wie Gespenster aus, blaß, hohläugig und mager. Nach Überwindung des Pass Lueg und Besuch des Marktes Werfen erreichten die beiden Musiker endlich die Thermalbäder von Gastein. Dorthin strebte Vogl wegen seiner Gicht wie in finsterer Nacht der Wanderer nach einem lichten Punct.

Durch seine Vielseitigkeit, ist das vorliegende Buch zugleich ein Schubert-Reiseführer und ein Nachschlagewerk. Das kreative Layout hilft mit Plänen bei der Orientierung. Für Linz, Steyr, Gmunden und Salzburg hat Oliver Woog bisher unbekannte Schubert-Wege herausgefunden. Robert Holl nennt sie eine Einladung für Schubertianer, die verschiedenen Schubert-Stätten zu besuchen – eine "Invitation au Voyage". Zu ergänzen wäre: "Nicht nur für Schubertianer".

hmw