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Gabriele Habinger: Eine Wiener Biedermeierdame erobert die Welt#

Bild 'Habinger'

Gabriele Habinger: Eine Wiener Biedermeierdame erobert die Welt. Die Lebensgeschichte der Ida Pfeiffer (1797-1858). Verlag Promedia Wien. 208 S., ill., € 27,-

Mit diesem überaus gelungenen Buch setzt der Promedia-Verlag seine Serie "Frauenreisen" fort. Zuletzt erschien Mary Wortley Montagu: Briefe aus dem Orient. Frauenleben im 18. Jahrhundert, herausgegeben und eingeleitet von Imela Körner.

Im Mittelpunkt des völlig neu bearbeiteten Bandes steht die Wiener Weltreisende Ida Pfeiffer. Als sie 1797 als Tochter des Textilfabrikanten Aloys Reyer geboren wurde, übersiedelte dieser mit seiner Frau und zwei Söhnen von Kärnten nach Wien. Ida war das dritte Kind, dem drei Brüder und Jahre später eine Schwester folgten. Die wohlhabende Familie lebte in ihrem Haus in der Vorstadt Mariahilf. Die Kinder wurden streng erzogen, doch genoss die (vorerst einzige) Tochter ein seltenes Privileg. Sie wuchs mit ihren Brüdern abseits der damals geltenden bürgerlichen Rollenbilder auf. Der Vater unterstützte sie in ihren Interessen. Nach seinem frühen Tod war die Mutter ängstlich bemüht, die "falsche" Erziehung zu korrigieren. Ida musste Kleider tragen und "weibliche" Verhaltensweisen annehmen. Sie reagierte mit Krankheiten und resignierte. Fluchtmöglichkeiten boten ihr das Reich der Phantasie und der Reiseliteratur. An eigene Abenteuer dachte sie vorerst nicht und fügte sich in eine Heirat. Einen Beamten, der sie ehrlich liebte, lehnte ihre Mutter ab. Der ausgewählte Bräutigam, Mark Anton Pfeiffer, war Rechtsanwalt in Lemberg (Lwiw, Ukraine), Witwer und doppelt so alt wie die Braut. Die Distanz 100 Meilen von Wien entfernt wirkte befreiend auf die junge Frau. Vorerst war sie dem mütterlichen Einfluss entzogen. Doch der Advokat brachte sich in finanzielle Schwierigkeiten und verfiel in Depressionen. Ida Pfeiffer, inzwischen Mutter zweier Söhne, musste für die Familie sorgen. Diese Pflicht erfüllte sie bis 1841. Erst mit 44 Jahren begann sie ihre spektakuläre Reisetätigkeit, die sie 16 Jahre lang, bis zu ihrem Lebensende, ausübte. Es begann relativ harmlos, von März bis Dezember 1842 mit einer Pilgerreise ins Heilige Land und einem Ägyptenbesuch.

Von April bis Oktober 1845 bereiste Ida Pfeiffer Skandinavien. Eigentlich wollte sie zum Nordpol, entschied sich aber für die Vulkaninsel Island, weil ich da eine Natur zu finden hoffte, wie nirgends in der Welt. Die Vorbereitungen für dieses unkonventionelle Reiseziel waren enorm. Die Forscherin, die Italienisch und Französisch sprach, musste dafür Englisch und Dänisch lernen. Außerdem nahm sie eine Kamera der erst kürzlich erfundenen Daguerretypie-Technik mit. Vermutlich stammen von Ida Pfeiffer die ersten Fotografien von Island. Sie war wohl auch die erste Österreicherin, die diese Insel am Polarkreis ansteuerte. Bis zur Jahrhundertwende sollten ihr nur wenige österreichische Reisende nachfolgen. … Die wichtigste Voraussetzung für dieses strapaziöse Unterfangen sind ihre robuste Natur und die Willenskraft und Zuversicht, mit der sie einmal gefasste Entschlüsse verfolgt, schreibt Gabriele Habinger. Mit dem Zitat Mut und Ausdauer verließen mich nicht übertitelt die Herausgeberin das Kapitel über Pfeiffers erste Weltreise vom Mai 1846 bis zum Oktober des Wiener Revolutionsjahres 1848. Nach Überquerung des Äquators ging Pfeiffer in Brasilien an Land. Im Urwald wurden sie und ihr Begleiter von einem Einheimischen bedroht und verletzt. Beim nächsten Fußmarsch rüstete sich die Abenteurerin mit einer "guten Doppelpistole" aus.

Über Chile kam sie nach China, dem wunderbarsten aller Länder. Doch schlug ihr dort die Feindseligkeit gegen alle "Langnasen" entgegen. Die Lage war äußerst gespannt. Schon nach fünf Wochen bestieg Pfeiffer ein Dampfschiff Richtung Singapur, einer Zwischenstation nach Indien, das sie bei Kalkutta erreichte. Die Weltreisende bewunderte Kulturdenkmäler, wie das damals schon berühmte Taj Mahal.und Delhi, den Sitz des Großmoguls. Der folgende Abschnitt der Indiendurchquerung ist ungleich gefährlicher und mühsamer als die bisherige Reise, denn dieses Gebiet steht nicht unter Kontrolle der britischen Kolonialmacht. Nach einem halben Jahr in Indien ging es unter unvorstellbaren Verhältnissen weiter in den Iran. Die Reisende besuchte die Kalifenstadt Bagdad, schloss sich einer Karawane an und geriet wieder ernsthaft in Lebensgefahr. Die gesammelten historischen Objekte, Naturalien und ihre Aufzeichnungen kamen erst eineinhalb Jahre nach ihr in Wien an.

1851 begann die "Wiener Biedermeierdame" ihre zweite, vierjährige Weltumrundung. Sie erforschte den malaiischen Archipel, machte Bekanntschaft mit Kopfjägern, besichtigte Diamantenminen und bereiste Indonesien. Nach ebenso erlebnisreichen wie bedrohlichen Monaten nahm sie im Juli 1853 Abschied, um Nord- und Südamerika zu erkunden. Über San Francisco, Panama und Ecuador gelangte Ida Pfeiffer nach Peru. Sie überquerte in über 4000 m die Anden und erlebte einen überraschenden Vulkanausbruch. Es erfüllte sich ihr größter Wunsch: ich sah eine der wunderbarsten erhabensten Naturszenen in Gottes schöner Welt, die Niagarafälle. Unmöglich ist es, auszudrücken, was das Auge da erblickt, was die Seele da fühlt. Nach Montreal und Quebec kam sie nach New York. Zuvorkommend aufgenommen, blieb sie dort sechs Wochen. Im November 1854 nahm Ida Pfeiffer Abschied von Amerika. Auf den Azoren schrieb sie bei ihrem dort lebenden Sohn Oscar den Reisebericht "A Lady's Journey around the world", der 1855 in englischer und deutscher Sprache erschien. 1855 erklärte sie ihre Reise als glücklich vollendet. In Wien wurde die Weltenbummlerin neugierig erwartet, inzwischen hatte sie es zu ungeahnter Popularität gebracht.

Ein großes Abenteuer steht Ida Pfeiffer noch bevor… Madagaskar heißt das Ziel, eine Insel, über die in Europa kaum etwas bekannt ist. In Berlin besprach sie sich mit Experten wie Alexander von Humboldt, der ihr dringend von dem geplanten Vorhaben abriet. Doch konnte nicht einmal er sie von von ihren Plänen abbringen. Auf dieser Reise (Mai 1856 bis September 1858) wurde sie persönlich mit der prekären politischen Lage konfrontiert, die sich in Konflikten zwischen der britischen und französischen Gesellschaft äußerten. Ihre Hoffnungen auf eine einzigartige Naturaliensammlung aus dem unerforschten Madagaskar und wissenschaftlichen Ruhm wurden enttäuscht. Sie litt an Malariaanfällen und die Heimkehr gestaltete sich schwierig. Nur wenige Tage nach ihrem 61. Geburtstag endet der Reiseweg Ida Pfeiffers unwiderruflich auf der Landstraße No. 488 in der Wohnung ihres Bruders Carl. Rund um den Globus erscheinen Nachrufe für die weithin bekannte und gerühmte Naturforscherin und Forschungsreisende, kommentiert Gabriele Habinger. Es ist der Kultur- und Sozialanthropologin gelungen, eine gleichermaßen fundierte wie spannende und unterhaltsame Biographie zu schreiben. Gabriele Habinger lässt Ida Pfeiffer in ausführlichen Zitaten zu Wort kommen, sodass man ihre Abenteuer hautnah miterlebt, bringt Dokumente zum Sprechen und zeichnet so nicht nur das Bild einer außergewöhnlichen Frau, sondern einer Epoche, weit über die Welt des Wiener Bürgertums um Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus.

hmw