Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Herbert Karner, Sebastian Schütze, Werner Telesko (Hg.): Johann Bernhard Fischer von Erlach#

Bild 'Fischer von Erlach'

Herbert Karner, Sebastian Schütze, Werner Telesko (Hg.): Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) und die Baukunst des europäischen Barock Beiträge von G. Buchinger, M. v. Engelberg, M. Folin, M. Preti, U. Fürst, H. Karner, A. Kreul, M. Krummholz, A. Mader-Kratky, J. Niebaum, P. Prange, G. Satzinger, I. Schemper, S. Schütze, R. Stalla, M. Weinberger. Hirmer Verlag München. 400 S., ill., € 87,40

Vor 300 Jahren starb Johann Bernhard Fischer (seit 1697 von Erlach) einer der bedeutendsten Barockarchitekten Mitteleuropas. Das Jubiläumsjahr wird in Österreich von einem Nationalkomitee koordiniert und umfasst Ausstellungen- wie im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek - Tagungen und Publikationen. Dabei stellt der opulente Prachtband einen Meilenstein dar. Herausgeber sind Sebastian Schütze, Dekan der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien sowie die Dozenten für Kunstgeschichte Herbert Karner und Werner Telesko, beide Österreichische Akademie der Wissenschaften. Dazu kommen Abhandlungen von 15 namhaften Fachleuten aus Österreich, Italien, Tschechien und Deutschland. Sie zeichnen ein aktuelles Bild vom Oeuvre des barocken Stararchitekten. Entstanden ist ein dem Jubilar adäquates neues wissenschaftliches Standardwerk, das sich in vier Kapitel mit 20 Beiträgen gliedert. Besonders bemerkenswert ist auch der Tafelteil mit mehr als 100 historischen und aktuellen Ansichten.

Der kaiserliche Hofingenieur Johann Bernhard Fischer von Erlach schuf im Auftrag des Herrscherhauses, von Mitgliedern des Hochadels und Kirchenfürsten Schlösser, Paläste und Sakralbauten von Weltrang. Mit der Architektur der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien ist sein Name so untrennbar verbunden, dass in der älteren Kunstgeschichte vom "Kaiserstil" die Rede war. Am berühmtesten sind hier Schloss Schönbrunn, Hofburg, Hofstallungen und -Bibliothek, die Karlskirche, das Winterpalais des Prinzen Eugen und die Böhmische Hofkanzlei. Für adelige Auftraggeber entwarf er Stadt- und Gartenpalais (Lech, Strattmann, Dietrichstein-Liechtenstein, Althan, Schlick, Batthyany, Huldenberg, Trautson). Dazu kommen Monumentalbauten in Salzburg und Tschechien. Zudem schuf Fischer Bauplastik, Skulpturen, Kleinkunst, ephemere Architekturen, Zeichnungen und Medaillen. Der großartige Jubiläumsband zeichnet ein umfassendes Bild von Fischers vielschichtigem Werk sowie seinen Inspirationsquellen aus der antiken und neuzeitlichen Architektur.

Am Beginn stehen Ausbildung, Werkvielfalt und Familie des Künstlers. 1656 in Graz geboren, war er der Sohn des Bildhauers Johann Baptist Fischer und seiner Gattin Anna Maria, der Witwe des Bildhauers Sebastian Erlacher. Nach ersten Erfahrungen in der Werkstatt des Vaters ging Johann Bernhard schon als Jugendlicher nach Rom und Neapel, um von den großen Meistern seiner Zeit zu lernen. Diese Karriereplanung verfolgte er auch bei seinem Sohn Joseph Emanuel Johann (1693- 1742). Er gab Fischer d. J. die erste künstlerische Ausbildung und arbeitete bei den Entwürfen für das Trautson- und das Dietrichsteinpalais mit ihm zusammen. Nach dem Tod Fischers d. Ä.vollendete der Sohn Karlskirche und Hofbibliothek.

Fischers Werk im Detail behandelt zunächst die Zentralräume der Dreifaltigkeitskirche (1694-1702) und der Kollegienkirche (1696-1707) in Salzburg, wo er fünf Kirchen baute. Einen Schwerpunkt bildet die Wiener Karlskirche. Die Revision bisheriger Forschungspositionen stellt sie als "Reichskirche" im Zusammenhang mit der "Pragmatischen Sanktion" vor. Nach neuesten Erkenntnissen könnte sie auch als Grablege ihres Stifters Kaiser Karl VI. gedacht gewesen sein. Darauf lässt eine - unbenützte - Gruft unter dem Altar schließen. Der Palastbau nahm eine wichtige Position im Werk J. B. Fischer von Erlachs ein. Nach der Zweiten Osmanischen Belagerung (1683) gab ein "wahrer Bauboom" Wien ein völlig neues Gepräge. Die City entwickelte sich von der Bürger- zur Adelsstadt. In den Vorstädten ließen sich zahlreiche Adelige Gartenpalais errichten. Ein originelles Beispiel entwarf Fischer um 1694 für den kaiserlichen Kämmerer und Landjägermeister Christoph Johann Graf Althan in der Rossau (Wien 9). Vom zentralen Ovalsaal gingen vier Diagonalflügel in spitzen Winkeln aus. Die ungünstige Lage an der Donau tat dem Gebäude mit windmühlenartigem Grundriss nicht gut. Die Familie Althan verkaufte es nach weniger als zwei Jahrzehnten an den Magistrat der Stadt Wien. 1869 wurde der Palast demoliert und an seiner Stelle der Franz-Josefs-Bahnhof errichtet.

Nicht nur Wien schmückte sich mit den exzellenten Bauten Fischers, auch die Aristokratie der Erblande zählte zu seinen Auftraggebern. Für die Fürsten Liechtenstein, die im südmährischen Valtice / Feldsberg residierten und ein berühmtes Gestüt betrieben, plante er das "Schloss der Rosse", gleichzeitig mit dem Wiener Gartenpalais Jedoch vollendete der Italiener Domenico Martinelli diese Bauten. Das 70 km östlich von Lednice / Eisgrub liegende Schloss Vranov nad Dyji / Frain an der Thaya erhebt sich weithin sichtbar auf einem Felssporn über dem Flusstal. Der Ahnensaal, das erste bedeutende Architekturwerk Fischers, gilt als "eines der ungewöhnlichsten Werke des Künstlers". Allein die Dimensionen des ovalen Saales von 33,20 mal 22 Meter sind nur mit Sakralarchitektur vergleichbar. Das ikonographische Programm der Ausschmückung bildet die Apotheose der Familie Althan. In Prag arbeitete Fischer bis ins Detail eigenhändig an der plastischen Ausschmückung und Innenausstattung des Palais Clam Gallas. Dessen prunkvoll geschmückte Fassade wurde zum Vorbild für die Architekten in Prag und Böhmen.

Die Bauforschung der letzten zwanzig Jahre brachte neue Erkenntnisse über Fischers Wiener Bauten. Die bisher unpublizierten Ergebnisse liefern eine Reihe von Überraschungen. So war die Südfassade von Schloss Schönbrunn keineswegs von Anfang an "Schönbrunnergelb". Die bekannte Fassung entspricht der Mitte des 19. Jahrhunderts. Befunde zeigen einen ursprünglich rötlichen Farbton, der stellenweise ins Gelbliche geht. Das erinnert an rote Pilaster vor weißem Grund, wie im Spiegelsaal des Schlosses Versailles. Diese Farbgebung von Schönbrunn (um 1700) beeinflusste ihrerseits den Schlossbau deutscher Fürsten. Im Winterpalais des Prinzen Eugen wurde im Innenhof ein geplantes Fresko entdeckt. Das Wandgemälde sollte Herkules beim Bezwingen des Cerberus darstellen. Warum der Entwurf übertüncht wurde, ist unklar.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Fischer von Erlach und das Haus Habsburg. Die ersten Arbeiten waren kurzlebige Werke, die Fischer in Druckgrafiken und Zeichnungen überlieferte, wie Triumphbögen und Trauergerüste. Ab 1689 unterrichtete er den späteren Kaiser Joseph I. in der Baukunst. 1694 wurde er zum kaiserlichen Hofarchitekten und -ingenieur ernannt. Um 1705 - nach dem Regierungsantritt Josephs I - erhielt Fischer von Erlach in Wien eine Hofstelle als Inspektor der kaiserlichen Gebäude und damit Leiter des kaiserlichen Bauwesens. Danach plante er für das Kaiserhaus Umbauten der Hofburg, die Hofstallungen und die Hofbibliothek. Sein sakrales Hauptwerk, die Karlskirche mit den charakteristischen Doppelsäulen, diente zugleich als Votivkirche für das Ende der Pestepidemie (1713) und der Verherrlichung ihres Stifters, Kaiser Karl VI.

Das vierte Kapitel widmet sich Fischer von Erlach im europäischen Kontext. Fischer war vielfältig international vernetzt. Sein langjähriger Rom-Aufenthalt brachte ihn mit prominenten wie auch jungen Künstlern in Kontakt. Später unternahm er Informations- und Bildungsreisen nach Preußen und England. Mehrfach studierte er die neuesten Entwicklungen der Architektur in Venedig und besuchte Berlin. Internationale Studienreisen eines etablierten Hofarchitekten waren durchaus ungewöhnlich. Um 1700 nicht unangefochten, sah er die Reisen zu "internationalen Hotspots der Architektur" als notwendig an - und sollte recht behalten.

hmw