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Roman Hans Gröger: Von den Lohnkutschen zu den Stromkutschen#

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Roman Hans Gröger: Von den Lohnkutschen zu den Stromkutschen. 160 Jahre Straßenbahnen in Wien. Verlag Berger Horn. 140 S. ill., € 25,-

Seit 160 Jahren fahren in Wien Straßenbahnen. Der Historiker und Eisenbahnexperte Roman Hans Gröger widmet ihnen heuer schon das zweite Buch. Nach "Die Straßenbahn in Döbling" gibt er nun einen Gesamtüberblick zur Entwicklung des städtischen Verkehrswesens. Der Autor von fast 50 einschlägigen Publikationen schreibt: Die Wiener Straßenbahn, ein Wahrzeichen der österreichischen Hauptstadt, blickt auf eine faszinierende 160-jährige Geschichte zurück. Die Wiener Straßenbahn ist ein Spiegel der Stadtentwicklung, des technischen Fortschritts und des gesellschaftlichen Wandels in der Hauptstadt.

Die Reise durch die Zeit beginnt im 18. Jahrhundert, als Mietkutschen und Sesselträger den Personentransport bewerkstelligten. Erschwinglicher waren die Stellwagen, die ab 1700 zu fixen Preisen und nach Fahrplan in die Vororte unterwegs waren. 1842 hatten 70 Unternehmungen dazu eine Lizenz erworben. Für die Passagiere war diese Beförderungsart wegen der schlechten Straßen kaum eine Vergnügungsfahrt. Abhilfe brachten Schienenfahrzeuge, wie sie in England seit dem 17. Jahrhundert in Bergwerken Verwendung fanden. Pferde zogen die Wagen der "Tramroads" oder "Tramways" auf hölzernen Gleisen. Ende des 18. Jahrhunderts folgte ein weiterer Entwicklungsschritt. Schienen aus Gusseisen verliefen auf Holzschwellen. Dieses System wurde auch bei der ersten in Österreich errichteten Eisenbahn von Budweis nach Linz angewandt. Allerdings stoppte die Finanzkrise nach den Napoleonischen Kriegen die Entwicklung dieser Eisenbahn, die bei der Eröffnung 1827 schon technisch überholt war. In England, wo 1807 die erste Personenpferdebahn der Welt gefahren war, verkehrten schon einige Jahre früher Dampflokomotiven. Eine Generation später kamen in Amerika innerstädtische Pferdeomnibusse auf. Sie boten 30 Passagieren Platz und wurden von vier Pferden gezogen.

Ab den 1860 er Jahren engagierte sich die Firma Schack-Jaquet &Co in Genf und Wien im Eisenbahnwesen. Sie erhoffte sich durch die Anlage der Wiener Ringstraße gute Geschäfte. Bürokratie und die schmalen Straßen der Innenstadt erwiesen sich als Hindernisse. 1865 fuhr die erste "Kutsche auf Schienen" vom Schottentor nach Dornbach. Drei Jahre später schloss sich die Firma mit dem Konkurrenzunternehmen Wiener Tramway-Gesellschaft zusammen. Sie erhielten die Bewilligung für 25 Straßenbahnstrecken. Auch die Weltausstellung 1873 ließ Gewinne erwarten. Als Konkurrenz trat die Neue Wiener Tramway-Gesellschaft auf den Plan.

Bald war klar ersichtlich, dass die Pferdebahnen nicht über ausreichend Kapazitäten und Geschwindigkeit verfügten, um dem erwarteten Publikumszuspruch zu entsprechen. Gemäß dem damaligen Stand der Technik lag es nahe, den Betrieb von Dampflokomotiven auch innerstädtisch auszuprobieren. Roman Hans Gröger schildert nun eine Reihe internationaler Vorläufer und Modelle, für die Technikinteressierte dankbar sein werden. Auch in Wien experimentierte man mit Prototypen und wälzte ehrgeizige Pläne. Die Betriebskosten der Dampf-Straßenbahnen betrugen 40 bis 60 Prozent der Einnahmen, während die Pferdetramway 80 Prozent verbrauchte und bald unrentabel erschien. Auch der Tierschutz wurde als Argument gebraucht und die Kutscher als "weiße Sklaven der Wiener Tramwaygesellschaft" bedauert. 1883 befuhr die erste Dampftramway die 10 km lange Strecke zwischen Hietzing und Perchtoldsdorf. Durch die Eingemeindung der Vororte, 1892, wuchs die Fläche der Stadt und damit die Zahl der Einwohner, Gäste und Passagiere. Die Tramway stieß an ihre Grenzen. Zu diesem Zeitpunkt erkannte der Wiener Stadtrat, dass eine Verbesserung der Verkehrssituation nur durch die Elektrifizierung der Straßenbahnstrecken zu erreichen war.

Mit der Wahl Karl Luegers zum Bürgermeister (1897) wuchs der Einfluss der Stadtverwaltung. In diese Zeit fallen wesentliche Reformen und Bauvorhaben. Kommunale Großprojekte, wie die II. Wiener Hochquellenwasserleitung, die Kommunalisierung der Gas- und Elektrizitätsversorgung , die Gründung der Zentralsparkasse, des Versorgungsheims Lainz oder des Psychiatrischen Krankenhauses am Steinhof charakterisieren Luegers Amtszeit. Die Öffentlichkeit erwartete von der Gemeinde den Erwerb der Straßenbahn. Deren Vertreter schlossen 1898 mit der Firma Siemens & Halske einen Vertrag zur Elektrifizierung und zum Betrieb der Wiener Straßenbahnen. Die Gemeinde sollte dann das vollständig elektrifizierte Netz übernehmen. Im ersten Betriebsjahr wurden zehn Straßenbahnlinien neu und 13 umgebaut. 1902 konstituierte sich die Gesellschaft "Gemeinde Wien - Städtische Straßenbahnen." Betriebsdirektor wurde ein ausgewiesener Experte, Ludwig Spängler, Professor für Maschinenbau, der bei Siemens & Halske gearbeitet hatte und für die Elektrifizierung der Budapester Verkehrsbetriebe verantwortlich gewesen war.

Der tägliche Betrieb der Städtischen Straßenbahnen dauerte im Sommer von 5 bis 1 Uhr, die Zugintervalle lagen zwischen drei und fünf Minuten. Es gab einen eigenen Frühtarif von umgerechnet 1 €, sonst kosteten Einzelfahrten bis zu 3 €. In 13 Betriebsbahnhöfen waren 50 bis 270 Wagen untergebracht, bis zu 1200 waren täglich unterwegs. Der gesamte Personalstand belief sich auf 7100 Personen. 1903 bewältigte die Stadt 75% des öffentlichen Verkehrs. Diese Leistungen wurden Karl Lueger persönlich zugeschrieben - der sich dazu jedoch nicht gratulieren lassen wollte.

Der Autor betont in seinem Resümee: Als Wendepunkt in der Entwicklung des Wiener Straßenbahnwesens identifiziert die Untersuchung die Kommunalisierung unter Bürgermeister Karl Lueger im Jahre 1903. Dieser Prozess beendete die Ära der privaten Betreibergesellschaften und legte den Grundstein für ein integriertes stadtweites Verkehrssystem. Die Konsolidierung der verschiedenen Gesellschaften zu den "städtischen Straßenbahnen" ermöglichte eine kohärente Planung und Entwicklung des Netzes, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart reichen. Die vollständige Elektrifizierung des Netzes bis 1907 markiert den Beginn der modernen Straßenbahn. Diese technologische Transformation ermöglichte signifikante Verbesserungen in Geschwindigkeit, Kapazität und Umweltverträglichkeit des Betriebs. Abschließend lässt sich konstatieren, dass die Wiener Straßenbahn in ihrer 160-jährigen Geschichte nicht nur ein effizientes Verkehrsmittel, sondern auch ein prägendes Element der Stadtidentität geworden ist.

hmw