Klaus Lohrmann: Babenberger und Traungauer#
Klaus Lohrmann: Babenberger und Traungauer. Landesherrschaft und Ökonomie (1150-1250). Böhlau Verlag Wien. 348 S., ill., € 60,-
In dem Jahrhundert, mit dem sich das Buch beschäftigt, fanden fünf der sieben Orientkreuzzüge statt, Europa war von dichten Wäldern bedeckt, neue Märkte entstanden, der Fernhandel blühte. Zwischen Städten in Belgien und Russland herrschte ein reger Warenaustausch. Dabei spielten die Regensburger Kaufleute eine bedeutende Rolle. Die Landesfürsten konnten sich an Einnahmen aus Märkten, Zöllen, Münzen und Wäldern erfreuen. Über allem herrschte eine als unverrückbar geltende vermeintlich gottgewollte Ordnung, die den Menschen einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zuwies. Den Herrschenden war ihr Seelenheil ("Salus") wichtig, der Glaube daran beeinflusste ihr Handeln. Beispielsweise erhielten Klöster Zollbegünstigungen. Handel und Verkehr sollten gerecht geordnet werden, um die Untertanen mit den notwendigen Gütern zu versorgen. Ungerechtfertigte Einnahmen ("Wucher") und Betrügereien waren zu verhindern.
In diesem Saeculum herrschten die Traungauer. Sie regierten als Grafen, Markgrafen und Herzöge von 1056 bis 1192 die Steiermark (Markgrafschaft Steyer), der das Bundesland seinen Namen - und sein Wappen - verdankt. So waren sie Mitbegründer der Gestalt des heutigen Österreich. Dem letzten Traungauer folgte der Babenberger-Herzog Leopold V. (1157-1194). "Der Tugendhafte" war der Sohn von Heinrich II. Jasomirgott und Theodora Komnena, einer Nichte des byzantinischen Kaisers.
Klaus Lohrmann, ao. Univ.Prof. für Mittelalterliche Geschichte, beschäftigt sich im vorliegenden wissenschaftlichen Werk mit der Entstehung von Herrschaften und ihrer Verwirklichung im politischen Alltag. Man kann das Buch als Fortsetzung seinen 2019 erschienenen Standardwerks "Die Babenberger und ihre Nachbarn" sehen. Wieder ist dem Autor ein beeindruckendes Buch gelungen. Er spricht sich für eine Politische Geschichtsschreibung aus. Was vor sich gegangen ist, kann nur in der Zusammenschau vieler Fragestellungen erkannt werden. … Im Reformzeitalter des sogenannten Investiturstreits entstanden Veränderungen, die nicht nur auf geistige Entwicklungen wie die Dialektik zurückzuführen sind, sondern ebenso auf ein allmähliches Werden von Neubewertungen der Lebensumstände, das der umfassenden politischen Erklärung bedarf.
Ein Schwerpunkt der Forschungen Klaus Lohrmanns ist die Jahrmarktsordnung von Enns aus dem Jahr 1191 und die Rolle der Regensburger Kaufleute, die diesen Markt organisierten. Enns spielte für einige Jahrzehnte, als sich in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts der Donauhandel entwickelte, eine bedeutsame Rolle als Drehscheibe im europäischen Warenaustausch zwischen Flandern und Kiew. … Die Einnahmen und ihre dichter werdende Administration und der daraus folgende Reichtum, der mit der Machtsteigerung untrennbar verbunden war, eröffnete neue Möglichkeiten, um das Entstehen territorialer Herrschaft umfassender zu verstehen. Enns hatte Mitte des 12. bis Mitte des 13. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle im Donauhandel, besonders mit Salz. Der Handelsweg verlief über die Rheinmündung und die nördlichen Meere in das Gebiet von Nowgorod. Die zunehmende Bedeutung Ungarns und des Kiewer Großfürstentums als Rohstoff- und Pelzexporteur machte die Donau und ihre Uferstraßen für nordwesteuropäischen Händler interessant. Vor allem die Tuchhändler aus Flandern bemühten sich um die Kontakte in den Osten Europas. Die besondere Stellung der Regensburger beruhte auf ihren Erfahrungen im Donauhandel. Sie waren für eine Handelskarawane verantwortlich, der Händler aus Köln, Aachen und Ulm, Flandern und den Gebieten an der Maas angehörten. Chef der Karawane (Hanse) war seit den 70 er Jahren des 12. Jahrhundert ein Hansgraf. Er kümmerte sich auch um die Verteilung und Verzollung der Waren auf dem Markt. Tuchwaren aus Flandern - das teuerste Gut - wurden in Köln verladen und über Würzburg nach Regensburg gebracht, ein zweiter Weg führte nach Ulm zur Donau. Einige Regensburger "Russlandfahrer" reisten mit ihren Wagen bis in die Kiewer Rus. Als Gegenfuhr brachten sie Pelze (Eichhörnchenfelle), Metalle und Wachs. Enns war ein Umladeplatz für die Transporte. Auf den Schiffen befanden sich mit den Waren beladene Wagen, die dann auf der Ennsbrücke weiterfuhren. Mit steigender Bedeutung Wiens ging jene von Enns ein halbes Jahrhundert nach der Marktgründung zurück.
In Linz kreuzten sich der Donauweg und eine wichtige Nord-Süd-Verbindung. Die Hälfte der Zolleinnahmen lukrierte der Landfesfürst, Leopold VI., dort aus dem Salzhandel mit Böhmen. Auch der Tuchhandel spielte in Linz schon Mitte des 13. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Allgemein stieg seit dem 12. Jahrhundert die Nachfrage nach Luxuskleidung aus Wollstoffen oder Seide, Luxusnahrungsmitteln wie exotischen Gewürzen, Fischen (Hausen, Heringe) und Metallen (Silber, Kupfer, Zinn, Blei).
Die ausgedehnten Wälder erfüllten viele Funktionen. Vor der Rodung und Binnenkolonisation waren sie wichtig für die adelige Jagd und zur Gewinnung von Rohstoffen, nicht nur Holz. Sie dienten der Schweinemast, als Weiden für Rinder, Schafe und Ziegen. Nadelbäume wurden zur Bienenzucht genutzt, denn der Bedarf an Honig, dem einzigen Süßungsmittel, und Wachs, besonders für Kerzen im kirchlichen Gebrauch, war groß. Daraus erklärt sich der Fernhandel mit diesen Produkten aus Russland, wo es mehr Nadelbäume gab als in den europäischen Wäldern. Der Waldreichtum des Ostens begünstigte auch den Handel mit Pelzen, Fellen und Häuten. Den Wäldern und Forsten ist im Buch ein umfangreiches Kapitel gewidmet.
Das anspruchsvolle Werk ist eine wissenschaftliche Zusammenschau bisheriger Forschungsergebnisse, allein die Literaturangaben umfassen fast 30 Seiten. Im Text finden sich 1300 Fußnoten mit Anmerkungen. Zusammenfassend kommentiert der Autor: Königs- und Fürstenherrschaft des 12. Jahrhunderts, die damals neben,- mit- und auch gegeneinander bestanden, legitimierten sich aus der geistigen (spirituellen) Vorstellungswelt des Menschen. Das führte zur Überzeugung , sich diesem gedanklichen Fluchtpunkt der Gerechtigkeit gegenüber verantworten zu müssen. … Gelang der Nachweis, die Herrschaft auf gerechtem … Wege erlangt zu haben, musste der Herrscher Erfolg bei der Friedenswahrung und der Erhaltung oder Herstellung gerechter Zustände beweisen. … Um Herrschaft sichtbar zu legitimieren, bedurfte es der Repräsentation. … Enorme Mengen von Mitteln wurden aufgewendet, um etwaige Konkurrenten zu erschrecken und zugleich bei Anhängern Begeisterung zu wecken oder zu festigen. Die Umsetzung spiritueller Überzeugungen in die Wirklichkeit bedurfte und bedarf politischer, militärischer und programmatischer Aktionen, die nur mit Macht und Reichtum inszeniert werden konnten. Jahrmärke, Mauten, Zölle und Münzprägungen waren wesentliche Quellen dieses Reichtums.