Rudolf Maurer: Geschichte der Stadt Baden bei Wien II.#
Rudolf Maurer: Geschichte der Stadt Baden bei Wien II. Von den frühen Habsburgern bis zum Ausgang des Mittelalters (1260 - 1500) Kral Verlag Berndorf. 296 S., ill., € 39,90
Rudolf Maurer (1954-2020) war der Stadthistoriker von Baden bei Wien, langjähriger Leiter des Archivs und des Rollettmuseums sowie für die Abteilung Museen der Kurstadt verantwortlich. Es war sein Ziel, die erste umfassende Darstellung der Badener Stadtgeschichte seit über 100 Jahren zu schaffen. Er konnte es nicht ganz erreichen. 2020 ist Dr. Rudolf Maurer viel zu früh verstorben. Nun liegt der zweite (und leider letzte) Band des Lebenswerks vor. Er umfasst die Zeit von den frühen Habsburgern bis zum Ausgang des Mittelalters (1260-1500). So bedauerlich es ist, nicht mehr über die Entwicklung der Kurstadt erfahren zu können, so erfreulich ist es, dass sich kompetente Herausgeber für die Bücher gefunden haben: Jakob Maurer, Archäologe und Neffe des Autors, sowie Thomas Aigner, der das Diözesanarchiv St. Pölten leitete und u.a. "Matricula online" (Kirchenbücher online) initiierte. Bei Durchsicht des digitalen Nachlasses des Autors war ihnen "von Beginn an klar, dass das Werk unbedingt publiziert werden musste. … Es schildert die Entwicklung Badens von der Urzeitbis in die Zeit um 1500 in einer Form, wie sie aufgrund der zum Teil höchst innovativen Forschungsmethoden wohl nur für wenige andere Städte oder Ortschaften in Österreich existiert."
Die Geschichte beginnt mit Alber von Baden und seiner "Gattin und Befreierin" Diemut. Aus nicht näher bekannten Gründen wurde Alber, seit 1258 Inhaber von Burg und Herrschaft Baden, von Bernhard von Wolkersdorf in Geiselhaft genommen. Das Lösegeld war fast unerschwinglich und nur aufzubringen, weil seine Frau ihr Familienvermögen zur Verfügung stellte. Der dankbare Gatte schenkte ihr zum Dank seine gesamten Badener Besitzungen. Somit ist das Ehepaar das erste namentlich bekannte der Stadt. In diese Zeit fällt auch die Gründung der späteren Stadtpfarrkirche auf dem Marktplatz. Die Stiftungsurkunde von 1285 nennt ein Kloster des Bettelordens der Augustiner-Eremiten. "Insgesamt scheint der Betrieb bei den Augustinern hervorragend gelaufen zu sein, denn als sich 1297 die Gelegenheit bot, ihre Herrschaft auf das Doppelte zu erweitern, war das Kloster ohne Probleme in der Lage, zuzugreifen." 1312 wurden die bisherigen Vikariate Baden, Gainfarn, Leobersorf, Sollenau, Ebreichsdorf, Moosbrunn und Oberwaltersdorf selbständige Pfarren. Leesdorf bekam eine Ortskapelle und einen eigenen Kaplan.
Im Jahrhundert zwischen 1250 und 1350 hatte sich die Häuserzahl Badens vervierfacht. Anfangs war Baden nicht die größte Siedlung im Landgericht. Um 1350 erwarb es als Sitz der Pfarre und des Klosters, Jahr- und Wochenmarkt eine überragende zentralörtliche Stellung. Handwerk und Gewerbe wurden wichtiger. Als Spezialzweig der Landwirtschaft spielte der Safranbau von 1360 bis Ende des 16. Jahrhunderts eine Rolle, auch der Weinbau florierte. Spätestens im 14. Jahrhundert setzte sich die Steinbauweise bei den Bürgerhäusern durch, wenn auch die Einrichtung bescheiden war. Tisch und Truhe, gestampfter Boden und Kienspan-Beleuchtung genügten. Auf den Burgen gab es schon Mitte des 13. Jahrhunderts Kachelöfen. Urkunden zeugen vom relativ angenehmen Leben der Ritter, die oft über ihre Verhältnisse lebten. Ein Heldenlied lobte Alber II. von Rauhenstein: "… So mancher Gast, von fern gekommen, ward äußerst liebreich aufgenommen. Ob Freund, ob fremd, ganz gleich woher, man nahm ihn auf, erwies ihm Ehr, in Gottes Nam war er willkommen …"
Ein Kapitel beschäftigt sich mit dem "dornenvollen Weg zur Stadterhebung" (1349-1490). Das erste Jahr war nicht nur von der Pestepidemie geprägt, die Europa ein Drittel seiner Bevölkerung kostete. Auch ein Erdbeben forderte in Baden Opfer. "Existenzangst machte sich von der Führungsschicht bis zum bescheidensten Untertanen breit, und jeder reagierte auf seine Weise, um die erzürnte Gottheit zu besänftigen. " In Baden führte die Pest zu einem zwanzigjährigen Chaos. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts herrschte wieder "eine Atmosphäre der Zuversicht und des Optimismus". Die Pfarrkirche wurde erweitert und mit gotischen Kunstwerken ausgestattet. Ein Vorläufer des Josephsbads entstand. Die Habsburgischen Landesherren gewannen Macht. Herzog Albrecht reorganisierte 1415 den Weinbau, Baden wurde wieder Residenz. Um 1430 erreichte die Häuser- und Bevölkerungszahl einen Höhepunkt. "Es hatte nun 227 bürgerliche Häuser mit einer Bevölkerung von rund 2000 Personen … Um 1430 hatte Baden faktisch den Status einer Kleinstadt erreicht. Nur ein offizielles Stadtrecht fehlte noch." Dieses verlieh Kaiser Friedrich III. am 5. Juli 1480.
Bei den Einwohnern unterschied man Bürger - die ein eigenes Haus bewohnten -, Mitbürger – Gewerbetreibende ohne Hausbesitz – , Inleute oder Inwohner, Mieter, die der Stadt gegenüber gewisse Verpflichtungen hatten – und Dienstboten, die bei den Familien lebten. Außerhalb der Stadtmauer gab es den Burgfrieden, "ein Gebiet, das zwar nicht zur Stadt gehörte, sondern den bisherigen Herrschaften unterstellt blieb, aber doch in gewisser Hinsicht unter die Oberhoheit der Stadt kam." Um Streitigkeiten über den Verlauf der Grenze zu vermeiden, wurde diese von den Honoratioren regelmäßig abgeritten. Das wichtigste Privileg der Stadtbürger war die autonome Gemeindeverwaltung. "Auf ewige Zeiten" erhielten sie das Recht, zusätzlich zu den Wochenmärkten zwei Jahrmärkte – im Mai und September – abzuhalten. Der Landesfürst verlieh ihnen auch das "anrüchige" Stadtwappen. Es zeigt einen Mann und eine Frau, die unbekleidet in einer Holzwanne sitzen. Obwohl im Lauf der Jahrhunderte mehrfach modifiziert, galt es bis 2006. Seither verwendet die Stadtgemeinde eine abstrahierte Version als modernes Logo.
Weitere Stichworte, die im Buch noch behandelt werden, sind "das Banntaiding" – Bürgerversammlung bei der Gesetze und Steuern bekannt gegeben und wichtige Angelegenheiten besprochen wurden - , die Salzkammer, Marktgebühren und Maut, die Viehweide, "Mitleiden" – Verpflichtung zu Steuern, Robot und Erhaltung der Stadtmauer - , Sanktionen bei Nichtbeachtung des Stadtrechts und "Konstanten der Gemeindepolitik" wie Getränkesteuern, Frauenbad, Augustinerkloster, Herzoghof, Wirtschaftshöfe, Bruckmühle und Gutenbrunn. Das Frauenbad, derzeit Arnulf-Rainer-Museum, wurde 1494 bei einem Rechtsstreit aktenkundig. Das Augustinerkloster litt unter dem Protestantismus und den Osmanenkriegen. Nachdem fast alle Brüder "entlaufen" waren, ersuchte die Stadt den Kaiser um Überlassung des Klosters, um darin ein Bürgerspital einzurichten. Diese erfolgte sieben Jahre später – nach einem Intermezzo durch Wiener Augustiner – und brachte der Stadt eine Zeit lang große Vorteile.
Ein Anhang mit den Badener Stadtprivilegien – Weinprivileg 1459, Stadtrecht 1480, Handelsprivileg 1629 – sowie eine Liste der Richter und Bürgermeister bis 1514 runden den zweiten Band der Stadtgeschichte ab. Außerdem haben die Herausgeber für Abkürzungs-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis, Index, Danksagungen und eine Biografie Rudolf Maurers gesorgt sowie Kurzbeiträge und unveröffentlichte Manuskripte aufgelistet. Den Leserinnen und Lesern wünschen Jakob Maurer und Thomas Aigner "viel Freude mit dem Werk" – was sicher der Fall ist. "Gleichzeitig freuen wir uns", schreiben sie, "dass mit der Publikation … wenn auch leider posthum – ein großer Lebenstraum von Rudolf Maurer in Erfüllung geht."