Tiroler Straße der Schlösser und Stifte#
Festung Kufstein#
Wenn man, von Deutschland kommend, bei Kiefersfelden die österreichische Grenze überschreitet, so beginnt die kulturhistorische Erlebnis-Route mit einem Paukenschlag, beherrscht doch die einzigartige Festung Kufstein die Szene. Inmitten des hier von den Kalkalpen eingeengten Inn-tals, erhebt sich ein 400 Meter langer und 200 Meter breiter Felsrücken, den die Einheimischen seit jeher „Kopfstoa" nennen; eine Bezeichnung, die sich langsam zum Namen „Kufstein" wandelte. „Wer an dieser Stelle eine Festung baut, beherrscht das Tor zu den Alpen", hieß es schon in alten Zeiten.
1205 erstmals urkundlich erwähnt, war die Burg ursprünglich Gemeinschaftsbesitz der Bischöfe von Regensburg und der Herzoge von Bayern. 1504 holte aber Kaiser Maximilian I. die Festung Kufstein samt den Städten Rattenberg und Kitzbühel endgültig nach Tirol - allerdings unter wenig erfreulichen Umständen. Er ließ nämlich die Festung mit den damals schwersten Kanonen seiner Zeit (32 Pferde benötigte man, um ein Geschütz zu ziehen), der „Schönen Kathl, der „Türkischen Kaiserin" und der „Weckauf", drei Tage lang beschießen, bis ihre Mauern in Trümmern lagen. Der bayerische Verteidiger Pienzenauer und 17 seiner Gefolgsleute wurden enthauptet. Der Kaiser ließ die Festung wieder aufbauen, und der auch heute noch die Anlage beherrschende „Kaiserturm" galt lange als das stärkste Bollwerk des Landes.
1703, während des Spanischen Erbfolgekrieges, brach eine Katastrophe über Stadt und Festung herein: Der Versuch, die Burg durch Niederbrennen eines Teiles der Stadt gegen die Bayern besser verteidigen zu können, schlug fehl. Der Brand dehnte sich nämlich gegen die Festung zu aus. Zwei Pulvermagazine flogen samt dem Kaiserturm in die Luft und die Bayern hatte ein leichtes Spiel ... Nach den napoleonischen Kriegen diente die Festung als Kaserne und bis 1945 als Staatsgefängnis.
In der Oberen Schlosskaserne ist heute ein sehenswertes Heimatmuseum untergebracht und im Dachraum des „Bürgerturms" die Heldenorgel. Sie wurde 1931 als erste monumentale Freiorgel der Welt ihrer Bestimmung übergeben. Sie hat 430 bis zu 12 Meter hohe Pfeifen - der Spieltisch befindet sich 80 Meter tiefer in einem Pavillon. Täglich um die Mittagszeit erklingen hier machtvolle Melodien zu Ehren der Gefallenen beider Weltkriege. Ein moderner Aufzug bringt heute die Besucher von der Stadt hinauf zur Festung.
Burg Matzen#
Längs der gesamten Route durch das Inntal aufwärts, dies sei nur am Rande vermerkt, gibt es nahezu unzählige Möglichkeiten für Wanderungen und Bergtouren. An die 28 Kilometer innaufwärts, vorbei an der betriebsamen Stadt Wörgl und dem überaus reizvollen mittelalterlichen Rattenberg, gelangen wir zur Burg Matzen.
Die stattliche Burg mit ihrem mächtigen romanischen Bergfried zählte zu den stärksten Wehranlagen des Tiroler Unterlandes. 1167 urkundlich erstmals erwähnt, wurde sie vermutlich vom Adelsgeschlecht der Frunds-berger erbaut. Die Burg steht inmitten eines weitläufigen öffentlichen Parks. Zwei malerische Teiche zu Füßen der hochragenden Mauern lassen die Anlage besonders romantisch erscheinen.
Schloss Tratzberg#
Vorbei an dem Eingang ins Zillertal sowie der geschäftigen Stadt Jenbach, erreichen wir nach etwa zehn Kilometern Schloss Tratzberg. Imposant liegt es mit seiner eindrucksvollen, mit dreiTürmchen geschmückten Fensterfront gute 100 Höhenmeter über dem Inntal am Fuß der Steilabschüsse des Stanser Jochs, eines Berges, der bereits zum Karwendel zählt. Als die vorher hier gelegene Grenzburg gegen die Bayern im Jahre 1492 abbrannte, verkaufte Kaiser Maximilian I. die Ruine an die reichen Schwazer Ge-werken Tänzl. Diese ließen die Brandruine zu einem prachtvollen Renaissance-Schloss umbauen.
Nach den Tänzl waren die Fugger Herren auf Tratzberg und trugen weiter zur Ausgestaltung bei. Tratzberg ist das einzige Schloss Tirols, in dem die ursprüngliche, künstlerisch hochwertige Einrichtung voll erhalten geblieben ist. Seit 1848 steht das Schloss im Besitz der Grafen Enzenberg, welche es dankenswerterweise für Besucher zugänglich gemacht haben. Besonders beeindruckend ist der Innenhof mit seinen gotischen Arkadengängen, die mit großartiger Renaissancemalerei geschmückt sind.
Der Habsburgersaal im Inneren des Schlosses zeigt ein einzigartiges Wandgemälde mit einem Stammbaum der Habsburger mit 148 deutlich erkennbaren Persönlichkeiten. Die Fuggerstube, das Königinzimmer und die Rüstkammer sind weitere Höhepunkte einer Besichtigung. Das Schloss erreicht man von Stans her über eine drei Kilometer lange Straße bis zum „Schlosswirt". Von dort geht man etwa 20 Minuten zu Fuß zum Schloss hinauf oder kann den traktorgezogenen „Expresszug" benützen.
Benediktinerstift Fiecht#
Nur sechs Kilometer entfernt, auf der linken Innseite, direkt gegenüber der Bezirkshauptstadt Schwaz, liegt das O Benediktinerstift Fiecht. Nachdem die Abtei St. Georgenberg im unwegsamen Stallertal zum vierten Mal in ihrer Geschichte ein Raub der Flammen geworden war, entschlossen sich die Patres zu einem Neubau in Fiecht. Das Klostergebäude und vor allem die Stiftskirche hl. Josef sind ein Kleinod barocker Baukunst in Tirol.
Nach 1705 neu errichtet, prangen Kloster und Kirche in barocker Schönheit. Die eleganten Stuckaturen und der Hochaltar stammen von R X. Feuchtmayr aus Wessobrunn.
Aus Innsbruck wurde die wertvolle Originalstatue der „Immaculata" von C. Benedet-ti (1704) aus konservatorischen Gründen von ihrem Standort auf Aet Annasäule in der Ma-ria-Theresien-Straße hierher verbracht und bildet den Mittelpunkt eines Manenaltan. In der Remise des Stiftsgebäudes befindet sich das Stiftsmuseum. In ihm wird die gut tausendjährige Geschichte der Abtei lebendig. Im Museum wird als kunsthistorische Kostbarkeit der Hartmannstab, ein Geschenk des Bischofs Hartmann von Brixen aus dem Jahre 1138, gezeigt.
Burg Freundsberg#
170 Höhenmeter über der Stadt Schwaz thront die Burg Freundsberg, Stammsitz des bedeutenden Unterinntaler Geschlechts der Freundsberger, die aber im 14. Jahrhundert das Zentrum ihrer Interessen nach Schwaben verlegten (Jörg von Freundsberg wurde dort der „Vater der Landsknechte"). Landesfürst Sigmund der Münzreiche kaufte die Burg 1467.
Im 17. Jahrhundert wurden Palas und Schlosskapelle zu einer neuen Schlosskirche zusammengefügt - ein schönes Beispiel Tiroler Renaissancekunst. Ein Meisterwerk besonderer Art ist die „Ganzjahresgrippe" von C. A. Mayr, die zu den schönsten Krippen des Unterinntals zählt. Seit 1959 steht die Burg im Besitz der Stadt Schwaz, wo nun das Heimatmuseum eingerichtet ist (Bergbau, Schützenwesen, Freiheitskampf 1809 usw.).
Schwaz#
Am Rand der Fußgängerzone der geschichtsträchtigen und äußerst reizvollen Altstadt Schwaz steht die Franziskanerkirche mit dem direkt angebautem Franziskanerkloster und seinem Kreuzgang.
Aufgrund des Wunschs nach ausreichender Seelsorge holte man die Franziskaner von Wien nach Schwaz, um sie zu einer Klostergründung zu bewegen, was im Jahre 1507 dann auch geschah.
Mit seinen 22 Arkaden mit Kreuzgewölbe gehört es zu den wenigen unversehrt gebliebenen gotischen Klöstern Österreichs. Die ausgemalten Arkadenflächen sind von besonderer Bedeutung für die sakrale Wandmalerei des frühen 16. Jahrhunderts. Dargestellt werden Passion und Auferstehung Christi.
Hall#
Neunzehn Kilometer sind es von Schwaz nach Hall und hier ist unser nächstes Besichtigungsziel Hall und dessen Stadtburg Hasegg. Im Mittelalter war Hall über Jahrhunderte hinweg größer und wohlhabender als das benachbarte Innsbruck. Schon 1305 wurde es mit dem Stadtrecht versehen, befand sich hier doch die bedeutende Saline, welche das im Halltal gewonnene Salz verarbeitete (bis 1967). Noch heute spiegelt sich die mittelalterliche Bedeutung Halls in seiner Altstadt wider.
Eng gedrängt präsentieren sich die gut restaurierten Häuser mit ihren zahlreichen Erkern, Zinnen, Giebeln und gewölbten Eingängen. Die Haller Stadtburg Hasegg wurde am südlichen Stadtrand zum Schutz der Saline und der Innschifffahrt errichtet (1306 erstmals genannt). Sie wird vom weithin sichtbaren 45 Meter hohen Bergfried, dem Münzerturm überragt. Er ist ein spätgotischer Rundturm, der in ein hervorragendes Zwölfeck übergeht.
Zu der spätgotischen Burganlage gehört auch das im Jahre 1480 mit einem Wappenstein geschmückte Münzertor. Im Ostflügel ließ Kaiser Maximilian I. die St. Georgskapelle errichten, deren Chor als „Prachterker" in die Münzergasse vorspringt. In der stand einst die erste maschinell arbeitende (Prägewalzen) Münzprägestätte der Welt. Heute ist in den zwölf Räumen von Hasegg das Haller Stadtmuseum untergebracht.
Innsbruck#
Nur zehn Kilometer sind es bis ins benachbarte Innsbruck, das den Besucher zu einer Vielzahl absolut besichtigungswerter Objekte einlädt. Drei davon seien heraus gegriffen.
Die Hofburg von Innsbruck: Der erste Bau der Hofburg, im Nordosten der Altstadt, erfolgte um 1460 durch Erzherzog „Sigismund dem Münzreichen". Sein Neffe, Kaiser Maximilian L, ließ von 1490 an die Burg stark erweitern. Als Albrecht Dürer 1495 anlässlich seiner ersten Italienreise in Innsbruck weilte, schuf er mehrere Aquarelle der gotischen Hofburg.
Von den gotischen Gewölben finden sich heute nur noch spärliche Reste, denn 1754 bis 1770 wurde die durch Erdbeben und Feuer schwer beschädigte Hofburg im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia zu einer monumentalen Residenz im Stil des Wiener Rokokos umgestaltet. Die Hauptfassade erstreckt sich zwischen zwei mit Kuppeln gekrönten Eckrondellen über drei Geschosse hinweg. Der repräsentative Bau beherrscht den davor liegenden Platz, hinter dem sich eindrucksvoll die hell schimmernden Berge der Nordkette erheben. Die Prunkräume können mittels Führung besichtigt werden. Sie gewähren hervorragende Einblicke in die Geschichte der Habsburger. Unbedingt sollte man sich auch für den angrenzenden Hofgarten, einem sieben Hektar großen Park, Zeit nehmen.
Stift Wilten: Am Fuß des Bergs Isel liegen das Prämonstratenser Stift Wilten und die Basilika Unsere liebe Frau unter den vier Säulen. Schon 860 soll es hier ein Kloster gegeben haben. Im Jahre 1138 wurde der Orden der Prämonstratenser vom Brixener Bischof nach Wilten berufen, und das Kloster versteht sich seither als eine Pflegestätte von Seelsorge, Wissenschaft und Kunst. Der heutige frühbarocke Stiftsbau wurde 1670 vollendet. Den Eingang der Stiftskirche flankieren die Kolossalstatuen der beiden Riesen Haimon und Thyr-sus (Figuren der griechischen Mythologie; Opfer der Sphinx). Im frühbarocken Innenraum der Basilika ist vor dem kunstvollen Abschlussgitter noch einmal ein vier Meter hohes Standbild des Haimons (aus dem Jahre 1500) zu sehen.
Schloss Ambras#
Wenige Schlösser Österreichs sind so bekannt wie Schloss Ambras, das sich etwa zwei Kilometer östlich von Innsbruck in einer Parklandschaft auf einem Hügel über dem Inntal erhebt. Im 11. und 12. Jahrhundert war die Burganlage Sitz des mächtigen Grafengeschlechts der Andechser, die von hier aus das Inntal beherrschten. Nach wechselvollem Schicksal kam die Burg in den Besitz der Habsburger.
Sie erlebte ihre Glanzzeit mit Festen und Turnieren unter Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595). Er gestaltete die Burg in eine prunkvolle Residenz im Renaissancestil um und ließ sie von einem großen Park umgeben. Der Erzherzog legte aber auch eine besonders bedeutungsvolle Sammlung von Waffen und Harnischen an, die Einblick in das Geschehen bei mittelalterlichen Turnieren geben und heute noch ein Kernstück des Ambraser Museums darstellen. Heute ist Schloss Ambras im Besitz der Republik Osterreich und gehört dem Wiener Kunsthistorischen Museum an.
Der älteste Teil von Ambras ist das Hochschloss, in dem sich die Porträtgalerie zur Geschichte Österreichs zwischen 1400 und 1800, aber auch der Georgsaltar Kaiser Maximilians befinden. Als eine Sehenswürdigkeit besonderer Art gilt der an das Hochschloss anschließende Spanische Saal (1571), der zu seiner Zeit größte Renaissance-Saal nördlich der Alpen. Wegen seiner hervorragenden Akustik gibt der Saal heute den Rahmen für die bekannten Ambraser Schlosskonzerte.
Stift Stams#
1273 gründeten Elisabeth von Bayern und ihr zweiter Ehegatte Meinhard II. das Stift Stams im mittleren Oberinntal. Mönche der schwäbischen Zisterze Kaisheim wurden nach Stams gerufen, das sich bald zu einem weithin ausstrahlenden religiösen und wirtschaftlichen Zentrum des Nordtiroler Oberlandes entwickelte.
Die Mönche genossen ein so hohes Ansehen, dass man ihnen zwischen 1410 und 1632 die Reichskleinodien (Krone, Szepter, Reichsapfel, Zeremonienschwert) zur Bewahrung anvertraute. Seit dem 14. Jahrhundert war Stams auch ein viel besuchter Wallfahrtsort und bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Begräbnisstätte der Tiroler Landesfürsten. Stams besitzt ein noch in der Art des 17. Jahrhunderts eingerichtetes Archiv und eine besonders reichhaltige theologische Bibliothek.
Im Bauernkrieg 1525 wurde das Kloster geplündert. Zweimal wurde das Kloster aufgehoben: 1807 bis 1816 unter der bayerischen Regierung und von 1939 bis 1945 von den Nationalsozialisten. Heute sieht das Kloster seine Hauptaufgabe in der Seelsorge und der Jugendbetreuung.
Für Musikfreunde dürfte von Interesse sein, daß in Kooperation mit der Musiksammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum seit 1994 in der Konzertreihe des Museums Werke aus dem Musikarchiv von Stift Stams aufgeführt werden.
In Stams befindet sich auch das einzige österreichische Skigymnasium, das schon manche Weltmeister hervorgebracht hat.
© "Die schönsten Erlebnisstraßen Österreichs" Hilde und Willi Senft