Andere Sagen aus dem Raum Eisenerz #
Silbererz am Pfaffenstein?
Ein Italiener stand bei einem Maurermeister in Eisenerz in Diensten. In freien Stunden begab er sich häufig auf den Pfaffenstein und wenn nicht, dann blickte er doch wenigstens oft und lange auf die Spitze dieses seltsam geformten Felsenkolosses, gleichsam als suche oder beobachte er ängstlich eine Stelle auf demselben. Ein ihm sehr vertrauter Kamerad und Freund fragte ihn deshalb, warum er denn gar so oft zum Pfaffenstein hinaufschaue. Darauf erwiderte nun der Welsche: "Glaubst Du denn, ich sei nur des Verdienstes wegen hier in Arbeit? Das, was ich eigentlich brauche, das hole ich mir von diesem Berge." Mehr jedoch erfuhr jener nicht.
Einst nun bemerkte er, daß der Italiener den Berg hinansteige. Er schlich ihm nach und sah ihn durch eine kleine Öffnung in der Felsenwand des Berges verschwinden. Der Späher schlich nun näher und verbarg sich im Gebüsche. Eine ziemlich geraume Weile dauerte es, bis der Wälsche aus dem Innern des Pfaffensteins wieder herauskam. Er trug einen vollgefüllten Sack in den Händen und ging damit mehr in das Dickicht. Abermals schlich ihm der Lauerer nach und bemerkte nun, daß sein geheimnisvoller Freund eine Schmelzpfanne aus dem Gebüsche hervorzog, darunter ein Feuer anfachte, sodann Steine von lichtgrauer Farbe aus dem Sacke nahm, sie mit einem Hammer in kleine Stücke zerschlug und in die Pfanne warf. Hierauf nahm er eine stark ausgehöhlte Steinplatte und legte sie in der Nähe der Schmelzpfanne auf den Boden. Bald brodelte und zischte es und nun öffnete der Italiener eine Lücke in der Pfanne und eine weißglänzende Erzmasse floß heraus und in die Höhlung der Platte. Nachdem der Fluß abgekühlt war, steckte der Wälsche das Metall in den Sack, verbarg Pfanne und Platte im Gebüsch und brach dann auf.
Oft noch ging er hinauf auf den Pfaffenstein. Als er aber einst dabei überrascht wurde, verließ er die Gegend und wurde seitdem nie mehr gesehen.
Der Maurergeselle, welcher den Welschen belauscht hatte, meinte, daß es Zinn gewesen sei. Einige Leute aber hielten es für Silber, auf das ja auch zu seiner Zeit gebaut worden sein soll.
Ein Welscher am Eisenerzer Reichenstein als Goldsucher verschollen
Ein Italiener kam vor Zeiten viele Jahre hindurch auf einem Schimmel nach Eisenerz geritten, stellte das Pferd beim Murhammer, der letzten Keusche in der Gegen Hinter-Erzberg ein und stieg sodann zum Reichenstein hinauf. So oft er wieder herabkam, hatte er einen wohlgefüllten Sack bei sich, den er auf dem Rücken des Pferdes festschnallte und worauf er sodann die Gegend eiligst verließ, ohne irgendwo Unterstand zu nehmen. Einmal aber kam er nicht wieder vom Reichenstein herab und die Leute vermuteten, daß er entweder seines Schatzes wegen angefallen und umgebracht worden oder in einer der Zauberhöhlen, deren es am Berge mehrere geben und darinnen von der Decke Tannenzapfen von Gold und Silber herabhängen, verunglückt sei.
Das habsüchtige Kräuterweib am Reichenstein
Eine alte Kräutersammlerin soll einst am Reichenstein in eine Höhle geraten sein. Sie riß einen Zapfen, ähnlich dem der Fichte, aber aus purem Golde ab. Als ihr dies gelungen war und sie sich vom Goldwerte desselben überzeugt hatte, schüttete sie alle ihre mühsam gesammelten Kräuter aus der Schürze und füllte diese mit goldenen Zapfen an, sodaß sie kaum mehr zu tragen vermochte. Nachdem sie die Höhle verlassen hatte, wurde auf einmal ihr Schürze ganz leicht. Sie blickte erstaunt hinein und - o weh! Die goldenen Tannenzapfen waren in wirkliche verwandelt. Nun wollte sie wenigstens ihre Kräuter wieder in die Schürze sammeln, fand aber leider die Höhle nicht mehr. Hätte sie, so meint man, sich mit einigen Zapfen begnügt und die Heilkräuter, welche für einen Schwerkranken bestimmt waren, nicht weggeworfen, so wäre sie reich geworden. So aber folgte die Strafe für ihre Habsucht und ihren Eigennutz.
Ein Italiener findet Gold auf dem Wildfeld
Ein gebürtiger Eisenerzer kam als österreichischer Soldat nach Montebello und wurde bei einem vornehmen, reichen Italiener einquartiert. Jener konnte einiges Kauderwelsch, dieser aber etwas Deutsch sprechen. Als nun der Soldat auf den Welschen Befragen Befragen mitteilte, daß er aus Obersteier und zwar aus der Gegend von Eisenerz sei, malte sich großes Erstaunen auf dem Gesichte des Italieners. Er führte nun seinen Gast im ganzen Palaste herum, über dessen Pracht und Herrlichkeit dem wackerer Steirer schier der Verstand stehen blieb. So etwas Schönes hatte er sein Lebtag nicht gesehen. Sodann sagte jener, daß er all diesen Reichtum von der Gegen Eisenerz und zwar vom Wildfeld sich geholt habe. Nun habe er genug und gehe nicht wieder hin. Aber ihm, dem Soldaten wolle er sagen, wo der Schatz zu finden sei. Unterhalb des Gipfels befinde sich nämlich eine Halterhütte und daneben ein kleiner Tümpel, welcher Goldsand enthalte. Auch eine Grube führe in das Innere des Berges, darinnen viel Gold sei und es müsse noch die Leiter vorhanden sein, die er vor Jahren zum Abstiege gebraucht. Soviel erfuhr der Soldat vom Ursprunge des Reichtums des Welschen, mehr aber nicht. Als nach langen Jahren er wieder in seine Heimat kam, suchte er wohl nach den Goldkörnern, aber da er die Angaben des Italieners nicht so recht genau im Gedächtnisse behalten hatte, konnte er nichts finden.
Wie der Pfaffenstein entstand
Im Münichtal, früher auch Mönchtal geheißen, wohnte in einer der Höhlen des Gebirges ein Mönch, welcher sehr sündhaft lebte. Als er starb, wollte er in den Himmel fahren. Schon war er diesem ziemlich nahe, als der Teufel, welcher etwas zu spät die Kunde vom Tode dieses ihm Verfallenen erhalten hatte, ihm schleunigst nachfuhr und ihn noch rechtzeitig gerade vor der Himmelspforte ereilte. Er faßte den Einsiedler und versuchte es, ihn zu sich in die Hölle hinabzuziehen. Aber der Mönch begann in seiner Angst und Furcht vor den ihm bevorstehenden Qualen einige fromme Sprüche, die er noch nicht vergessen hatte, herzusagen, sodaß der Teufel nun nicht mehr so recht vollkommene Macht über ihn hatte. Voll Zorn ließ er nun seine Beute zur Erde fallen, wo der Einsiedler zu Felsgestein wurde, das nun wohl viele Jahrhunderte hindurch seine seltsame Physiognomie ähnlich der Form eines ungeheuern Katafalks zur Schau trägt, darauf eine mit einem Bahrtuch zugedeckte Riesenleiche zu liegen scheint.
Die Wilde Jagd am Pfaffenstein
Am Bergstock des Pfaffensteins bei Eisenerz findet man des öfteren auch an den steilsten Hängen kleine Hufeisen, die die Rosse des wilden Gjads verloren haben. Dieses fährt in stürmischen unheimlichen Nächten gewöhnlich vom Pfaffenstein abwärts geradewegs dem Trofengbach zu, in dessen Wasser der gespenstische Zug dann verschwindet.
Der Lindwurm im Pfaffenstein
Vom Schlosse Geiereck bei Eisenerz am Fuße der Kesselmauern soll ein Gang in die Höhlen des Pfaffenstein führen, welche sehr tief und mit Wasser, darinnen ein Lindwurm haust, angefüllt sind. Wenn dieser Lindwurm einmal aus dieser seiner unterirdischen Behausung ausbricht, dann wird ganz Eisenerz vom Wasser überschwemmt werden.
Ein Unheuer wohnt im Leopoldsteinersee
Der Wassersystem des Leopoldsteinersees steht nicht nur im Zusammenhang mit der Herkunft des Wassermannes, der einst das Geheimnis des Erzberges preisgab. Ein schreckliches Ungetüm soll hier in den Tiefen des Gebirgssees lauern. Man beschreibt ihn als ein Mischwesen, der einerseits einen schwarzen Menschenleib, andererseits aber einen Raubtierkopf, einen langen Hals und feurige Flügel wie ein Drache haben soll. Besonders zur Neumondzeit und bei Stürmen macht er sich auf Menschenjagd, erbeutet Kinder und zieht selbst Erwachsene aus Booten hinab, um sie zu fressen.
Das Alraunmännlein von Eisenerz
Im Gerichtsgraben bei Eisenerz stand früher ein Hochgericht. Einmal soll man einen Unschuldigen gehenkt haben. Da fand denn nun ein Halterbub unter dem Galgen eine sonderbare Pflanze. Es gelüstete ihn, diese herauszureißen. Da band er nun einem stößigen Ziegenbock eine starke Schnur um die Hörner und das andere Ende davon an den Stengel der Pflanze. Der Bock begann zu springen und riß endlich die Pflanze mit samt der Wurzel aus der Erde, fiel aber dann tot zu Boden. Eine altes Weib, eine Hexe soll es gewesen sein, welches alles mitangesehen hatte, sagte nun zu dem Halterbuben, es sei das, was er da in Händen habe, ein "Alraundl" und gab ihm Ratschäge, wofür dasselbe nutz sei.
Der Halterbub brachte mit dem Alraundl viel Sonderbares zuwege, hatte Geld genug und machte Kranke gesund. Als er aber einst das Alraundl vernachlässigte, rächte sich dieses und der Halter kam selbst auf den Galgen, wo er sein junges Leben lassen mußte.
Die Teufel baut eine Straße auf der Schlosswilzing
Hinter dem Hochblaser, der höchsten Erhebung der Seemauer, heißt eine Alpe die Schlosswilzing. Sie gehörte zum fürstlich Liechtenstein'schen Schlosse Leopoldstein, war aber vor Zeiten Eigentum eines Bauern, welcher im Rufe stand, den Teufel mehrmals schon beschworen zu haben.
Einst ging der Bauer nach Eisenerz zur Kirche. Während seiner Abwesenheit fand der von ihm aufgenommene Halterbub das Beschwörungsbuch und begann darin zu lesen. Plötzlich kam ein heftiger Windstoß daher und prallte an die Hütte, als wollte er dieselbe wegfegen. Sodann stand vor dem Knaben ein kleines Männchen mit hohem Hute und langem grünen Rocke, dessen Zipfel es am Arme trug. Der Knabe bemerkte, daß dasselbe einen Kuhschweif hatte. Auch lugten aus den Pantoffeln anstatt der Pantoffeln nur Kuhklauen hervor. Nun wußte er, daß dieses kleine Männchen der Teufel war. Und er vermochte auf dessen Frage nach seinem Begehren nicht gleich Antwort zu geben. Endlich, nach einigem Überlegen, schüttete der Halterbub, um den beschworenen Gast loszuwerden, zwei Säcke, einen Metzen Hafer und ebensoviel Gerste aus, mengte selbe untereinander und befahl nun dem Teufel, beides auseinander zu klauben. Das kleine Männchen machte sich an die Arbeit und bald war es damit fertig. Darauf befahl der Halterbub dem Teufel, durch den Sumpf, der sich von der Hütte weg eine Strecke weg hinzog, eine Straße zu bauen. Er hoffte, daß damit das längere Zeit zu tun habe, inzwischen aber der Bauer zurückkommen und ihn aus der schlimmen Lage befreien werde.
Der Teufel machte sich flugs an die Arbeit und er hatte schon zur Hälfte die Straße durch den Sumpf gebaut, als der Bauer zurückkam. Dieser erkannte gleich, was hier vorgefallen war. Er nahm eilends das Beschwörungsbuch, kehrte es um, daß die Schrift verkehrt zu stehen kam, und las soweit zurück bis zur Stelle, wo der Bub angefangen hatte . Da verschwand plötzlich das kleine Männchen, sein Werk aber blieb stehen und heißt seitdem die Teufelsstraße. Sie wurde mit der Zeit von Lawinen und Steinschlägen verschüttet und zum Teil mit Rasen überdeckt.
Hufeisen für die Pfarrersköchin
Die sogenannte Ortnerschmiede in Eisenerz soll schon sehr lange bestehen. Früher hieß sie insgemein "beim Büffelschmied", weil nämlich in ältesten Seiten daselbst wilde Rinder und Stiere, Büffeln genannt, beschlagen wurden.
Vor ungefähr dreihundert Jahren lebte auf dieser Schmiede ein Mann, der in sonderbarem Geruche stand. Sehr oft wurde er zur Mitternachtszeit geweckt, um ein Pferd zu beschlagen. Er tat es gerne, denn jedesmal fand er andern Tages einen blanken Taler auf dem Ambos liegen. Einst hatte er einen Rappen zu beschlagen. Zufällig nahm er mit den anderen Nägeln auch einen etwas größeren, der dem Pferde tief eindrang. Da wendete das Pferd den Kopf und sagte: "G'vatter, nicht so tief!" Der Büffelschmied war erstaunt darob, denn die Stimme des Pferdes hatte viele Ähnlichkeit mit der der Pfarrerköchin, die ihm seine Kinder aus der Taufe gehoben. Des andern Tages besuchte der Schmied die ehrbare Frau G'vatterin, und siehe, selbe war krank! Sie hatte sich einen Nagel in den Fuß getreten.
Der Schmied wußte nun, welche Pferde er zur Mitternacht beschlagen hatte, nämlich alte Weiber, welche der Teufel reitet.
Der Teufel als Müller
In der Gegen Hinter-Erzberg bei Eisenerz stand vor Zeiten eine Mühle, in welcher der Teufel selbst das Müllergeschäft betrieben hatte, daher sie auch die Teufelsmühle genannt wurde.
Diese Mühle wurde nämlich von einem Vater, welcher zwei Söhne hatte, seinem Erstgeborenen hinterlassen, währen der Jüngere leer ausging. Dieser aber hatte sich das väterliche Erbgut desto eher verhofft, als sein älterer Bruder blödsinnig war und im Zorne darüber erschlug er denselben, als er ihn einst im Walde allein antraf, mit einer Hacke. Sodann nahm der Brudermörder Besitz von der Mühle, in der es aber von Stunde an nicht mehr geheuer war. Die Mühle feierte niemals, ging Tag und Nacht und stand selbst an den hohen Festtagen nicht stille, Seltsamer Weise wußte niemand, wo das viele gemahlene Mehl hinkam.
Eines Tages sahen die Leute bei der Mühle einen Mann in mehlbestäubter Müllnerkleidung stehen. Dieser war größer als das Haus selbst. Auch hatte er eine Hut auf, der jedoch nicht auf dem Kopfe selbst saß, sondern, wie man gesehen haben will, nur zwei Hörndl verdecken sollte, was aber schlechterdings doch nicht ganz gelang. Es war dies der Teufel, der in der Mühle mahlte.
Da erfaßte den unrechtmäßigen Besitzer das Grausen und er klagte sich selbst bei Gerichte des Brudermordes an. Als er dann seine Schuld gesühnt, verschwand auch die seltsame Gestalt. Die Mühle aber erhielt den Namen "Teufelsmühle" und geriet allmählich ihn Zerfall.
Der Wildschütz und der Teufel
Bei der sogenannten "Bösen Mauer", in einer wilden Schlucht, durch welche der Seebach dem Leopoldsteinersee zurauscht, befindet sich ein kleiner Sumpf, insgemein die "Wildlack'n" genannt. In diese soll ein Wildschütz vom Teufel hinabgestoßen worden und darein umgekommen sein.
Es jagte nämlich einst ein berüchtigter Wilddieb an einem Sonntage gerade während der Zeit des Gottesdienstes auf den Felswänden der "Bösen Mauer". Mit einem Male sah er einen überaus stattlichen Gemsbock vor sich, jedoch außer Schußweite. Der Wildschütze verfolgte das Tier lange Zeit, bis dieses endlich an einer scharfen Felskante stehen blieb. Er schlich nun behutsam nahe heran und betrachtete mit Freuden den stattlichen Bock, dessen er nun sicher war. Da bemerkte der Jäger mit Grauen, daß der Gemsbock ungewöhnlich große Klauen und auch einen langen Schweif habe. Er erkannte jetzt, daß es der leibhafte Teufel selbst sei, der da vor ihm in der Gestalt des schwarzen Gemsbockes stehe, und er wollte umkehren. Aber es war zu spät, denn das Tier machte einige Sätze gegen den erschrockenen Wildschützen, erfaßte ihn mit seinen gewaltigen Hörnern und schleuderte ihn über die steile Wand in die furchtbare Tiefe hinab.
Der gottlose Wilddieb fiel in den Sumpf und kam darin elendlich um. Seitdem ist das Wasser des Sumpfes schwarz und dieser wird die "Wildlack'n" genannt.
Die Herrin der Gemsen
Auf der Südostspitze der Fölzmauer, deren höchste Spitze der Kaiserschild ist, heißt eine aus Gerölle und Schotter bestehende Felsfläche die "Jungfernplan". Hier zeigten sich in früheren Zeiten oft die wunderschönen Bergfräulein, welche den Bewohnern der Gegend von Eisenerz nur Gutes taten. Man sah diese Wesen oft auf dem genannten Platze sitzen, angetan mit schneeweißen Gewändern und einer himmelblauen Binde um die Hüften, und die Leute glaubten, es sei die Jungfernplan, so benannt nach den Bergfräulein, der Eingang zu deren unterirdischem Kristallpalaste.
Einst jagte auf der Fölzmauer ein Wildschütze. Er verfolgte eine flüchtige Gemse bis auf die östliche Spitze des Narrenkreuzes , zu dem das Felsgebirge von der Jungfernplan aus sich erhebt. Das arme Tier sah keine Rettung, vor sich das Rohr des Wildschützen und ringsum den furchtbaren Abgrund. Da erschien dem Schützen plötzlich ein Bergfräulein und befahl ihm, die Gemsen auf diesem Gebirge in Ruhe zu lassen. Der Wildschütz ließ von der Verfolgung des Tieres ab und ließ lange das Wildern sein. Da aber dies schon sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen war, so ergriff er zuletzt doch wieder die Büchse. Abermals lockte ihn einst eine Gemse auf die Spitze des Narrenkreuzes. Schon wollte der Schütze sein Rohr abfeuern, da stand plötzlich vor im das erzürnte Bergfräulein und stieß in zur Strafe, daß er ihr Gebot nicht geachtet, in den furchtbaren Abgrund hinab. Einige Tage darauf wurde sein Leichnam zerschmettert auf der Jungfernplan liegend aufgefunden.
Wie der "taube See" entstand
In der Nähe eines stark bewaldeten Berges in Obersteiermark unweit Eisenerz soll vor langen Zeiten ein reiches Kloster gestanden sein. Die Mönche dieses Klosters waren sehr lasterhaft. Sie wurden ermahnt, sich zu bessern, allein alle Warnungen waren vergebens. Endlich kam die Stunde der Strafe. In einer finsteren Nacht erhob sich ein fürchterliches Gewitter und das ganze Kloster sank in den Abgrund, der sich vor demselben auftat. Die Stelle des früheren Gotteshauses bedeckt nun ein schwarzer See. Um Mitternacht hören vorübergehende Leute oft ein schreckliches Jammern der Klosterbrüder aus der Tiefe. Einer von den Klosterbrüdern soll bei dieser Gelegenheit abwesend gewesen sein. Als er zurückkehrte und statt des Klosters einen See fand, ging er lange weinend um denselben herum. Da kam schnell ein feuriger Adler aus dem See und zog den Mönch in denselben hinein.
Einst wurde ein Bauer, der neben diesem See vorbeigehen mußte, von wunderlichen Gestalten so angezogen, daß er sich verirrte und in den See fiel. Auf seinen lauten Hilferuf eilten die in der Nähe Wohnenden herbei und retteten ihn. Er erzählte, daß er in dem von Mönchen angefüllten Kloster gewesen sei und daß sie leichenblaß mit fürchterlicher Gebärde ihn angeblickt hätten. Auf dem Dache des Hauses sei ein ungeheurer Adler gesessen, dessen Augen Feuer gesprüht und der unaufhörlich mit den Flügeln geflattert habe.
Der See befindet sich noch immer an derselben Stelle und ist unter dem Namen der "taube See" bekannt.
Der schwarze Geißbock
Unweit des Heizhauses in Eisenerz steht auf dem Gangsteige, der vom Bahnhof zum Markte führt, im Schatten zweier Bäume ein hölzernes Kreuz. Hier soll der Teufel einem Bauer, der in der hl. Christnacht anstatt in die Kirche ins Wirtshaus ging und sich stark anzechte, auf seinem Heimwege in der Gestalt eines schwarzen Geißbockes erschienen sein. Der Bauer wollte nach allen Richtungen ausweichen, aber überall, bald vorn, bald rückwärts und bald seitwärts stellte sich ihm das Gespenst entgegen. Da entschloss sich der Bauer, über den wenige Schritte entfernt vorbeirauschenden Erzbach zu setzen, in der Meinung, übers Wasser könne der Teufel doch nicht springen. Er nahm einen Anlauf und sprang, fiel aber ins Wasser und ertrank. Zur Erinnerung an diese Begebenheit wurde das erwähnte dann errichtet.
Die Flucht vor dem Raubritter in die Frauenmauerhöhle
Im sogenannten Gsollhofe bei Eisenerz lebte vor mehreren Jahrhunderten eine junge, verwitwete Rittersfrau still und einsam und nur von geringer Dienerschaft umgeben. Ein Raubritter bewarb sich um ihre Hand, ward aber von ihr abgewiesen. Da beschloss er, sich der schönen Witwe mit Gewalt zu bemächtigen. Doch diese erhielt davon noch rechtzeitig warnende Kunde und floh mit ihrer Dienerschaft taleinwärts, wo sie in der Höhle des felsigen Karlkogels Zuflucht fanden. Die Witwe hatte Lebensmittel und all ihre Kostbarkeiten in die Höhle schaffen lassen und ein Diener wurde nach dem Frauenstifte Göß abgesandt, um Hilfe zu erbitten. Die Äbtissin sagte zu und sandte zahlreiche Dienstmannen der Witfrau zu Hilfe.
Der Raubritter war inzwischen in den Gsollgraben eingedrungen und, nachdem er den Gsollhof leer gefunden, vor die Felsenwand des Karlkogels gezogen. Wohl erstiegen einige seiner Gesellen die Felswand, aber sie wurden, da sie nur einzeln hinanklettern konnten, oben von den Knechten der Witfrau wieder hinab in die Tiefe gestürzt. Da der Ritter auf diese Weise seine besten Leute verlor, ohne daß er zum Ziele gelangen konnte, wollte er den Felsen umgehen und vom Neuwaldeck aus in die Höhle dringen. Da kamen zum Glück die stiftischen Dienstmannen von Göß auf zwei Seiten dahergezogen, durch den Gsollgraben und das Tal von Tragöß, schlugen den Raubritter und seine Schar in die Flucht und führten dann unter dem Schutze ihrer Waffen die gerettete Witfrau nach Göß, wo diese aus Dankbarkeit den Schleier nahm und all ihren Reichtum und den Gsollhof dem Frauenkloster schenkte.
Die Kirche in der Frauenmauerhöhle
Ein Teil der Höhle in der Frauenmauer heißt die sogenannte "Kirche". Die Decke wölbt sich da zu einem mächtigen Dome mit geräumigem Saale, worin links von der Wand eine zerklüftete Felsplatte, die Kanzel genannt, hervortritt.
Es sollen nämlich zur Zeit eines Türkeneinfalles die weiblichen Bewohner und Kinder der Gegend Eisenerz sich in die Frauenmauerhöhle geflüchtet haben, während die Männer sich des Andranges der Feinde erwehrten. In der Höhle, an gedachter Stelle, lagen die flüchtigen Frauen mit ihren zarten Sprößlingen auf den Knieen und flehten den Himmel an um Erhaltung für das vom Feinde bedrohte Leben ihrer Männer; ein Priester, der sich unter ihnen befand, soll von gedachtem Felsvorsprunge herab den zahlreichen Flüchtlingen tröstende Worte des Mutes und der Zuversicht zugesprochen haben. Auf diese Weise sind die beiden obgenannten Namen entstanden.
Die tapfere Gewerkenfrau trotzt den Türken
In der Gsoll, einem schmalen Bergtale außer Eisenerz, steht ein großes einsames Haus. Das bewohnte vor gar langer Zeit die schöne Gunde, die junge herzhafte Witwe eines alten Hammerherrn aus dem Paltental. Gunde war eine tüchtige Bergsteigerin und geübte Jägerin. Ihre Büchse fehlte nie eine Gemse oder einen Hirsch. Gar mancher fand an ihr Gefallen und hielt um ihre Hand an, aber jeder wurde abgewiesen.
Unter diesen Freiwerbern befand sich auch ein alter verrufener Wildschütze, insgemein Wandhiesel genannt, der weiter drinnen im Gsolltale in einer einsamen Holzhütte hauste und überall im üblen Rufe stand. Als dieser sein Anliegen der schönen Witfrau vorbrachte, wurde er tüchtig ausgelacht. Gunde riet ihm, sich zum Bader nach Eisenerz zu begeben und ihn um einen tüchtigen Aderlaß zu bitten, denn bei ihm sei es im Kopfe nicht mehr richtig. "Nur wenn mein Kettenhund, der Türkel, sich in einen wirklichen Türken verwandelt, werde ich Euer Weib", sagte Gunde, "bis dahin aber schlagt Euch alle Freiersgedanken aus dem Kopfe." Wandhiesel wurde über diese Worte wütend und sagte drohend: "Kommt Zeit, kommt Rat; also wenn der Türkel recht bellt, denkt fein an mich!" Nach diesen Worten verließ er schleunigst das Haus der schönen Witwe.
Da fand es Gunde doch nicht geraten, so ohne alle Vorsicht in der angelegenen Gegend zu wohnen. Sie setzte ihre sichere Büchse in Stand und gab den Knechten strenge Verhaltensbefehle.
Eine Zeit lang blieb alles ruhig und gut in der Gsoll, plötzlich aber kamen mit einem Zeterlärm einige Mütterchen und Kinder von Eisenerz, ihnen nach rüstigere Alte und Jünglinge, mit ihren besten Habseligkeiten beladen. "Die Türken kommen! Die Türken verheeren mit Feuer und Schwert. Von Losenstein und Altenmarkt herein dringen sie, weh' uns Armen!" Gunde erschrak heftig, aber ihre Besonnenheit verließ sie auch jetzt nicht. Mit kalter Ruhe betrachtete sie die Flüchtlinge. "Wohin sind die übrigen Eisenerzer?" - "Was waffenfähig ist, wird sich zur Wehre stellen. die Alten und Schwachen flüchteten über die Berge, und wir beschlossen, in der Gsoll Zuflucht zu suchen." "Da habt Ihr wohlgetan!", erwiderte Gunde, "obschon mir dünkt, Ihr habt Euch doch ein wenig zu sehr übereilt im Schrecken. Vor wenig Tagen erhielt ich einen Brief vom Vetter aus der Stadt Steyr, der meldete mir noch gar nichts. Doch sei es. Ich werde Euch ein Versteck anweisen, wo Ihr sicher seid, und wenn die Türken wie ein See das Tal durchrauschten. Seht Ihr dort hoch oben im Felsen die drei Löcher? Ein nur mir bekannter, äußerst schmaler Pfad führt hinauf. Im Innern dehnen sich geräumige Höhlen, die im Winter nicht leicht zugänglich sind, weil einen großen Teil derselben das Wasser erfüllt. Nun sind sie aber teils trocken und wohnlich, teils hat sich das Wasser im See gesammelt und sich zu Eis verdichtet, zu Eis, welches leicht das Geheimnis löst, woher ich mitten im Sommer die gefrorenen süßen Näschereien bereite, welche Ihr schon öfters so sehr bewundert. Nur ich und mein Meier kennen einen andern Zugang zur Höhle, als den ich Euch soeben bezeichnete. Und wahrlich, mit zahlreichen Truppen könnte man Euch dort oben nichts anhaben, und wenn sie auch Feuer vorne anmachten, um Euch auszurauchen wie die Füchse, es würde Euch wenig schaden, so lange ich leben und die geheimnisvollen Irrgänge im Innern des Berges kenne. Seid nur getrost, mit Lebensmitteln will ich Euch versorgen und auch den bessern Teil meiner Habe will ich mitgeben und Eurer Obhut anvertrauen, obschon ich nicht gesonnen bin, meinen Hof früher zu verlassen, als bis die Ungläubigen mir Schweiß gelassen haben."
In aller Schnelligkeit wurden die notwendigen Anstalten getroffen und schon nachmittags zog die kleine Karawane nicht bloß mit Lebensmitteln, Holz und Küchengeschirr, sondern auch mit Pulver und Büchsen versehen, unter Frau Gundes Leitung über steiles Gerölle gegen die himmelnahe, unersteigliche Wand. Obschon keine Spur eines Pfades sich manchmal zeigte, so wußte die kluge Witwe die Leute doch so zu führen, daß immer wieder alte Fußstapfen, Reste von Spänen, kurz Merkmale zum Vorschein kamen, welche auf öfteren Besuch der Höhle schließen ließen. Auch einige Ziegen wurden mitgetrieben, um dem Völklein frische Milch zu verschaffen. Zuletzt wurde mit unsäglicher Mühe ein schmaler Felsenkamm überklettert und Gunde mit den Kühnsten stand am Eingange einer weiten gewölbten Höhle. aus der eisige Lüfte strömten. Bald war die übrige Schar hinaufgezogen und begann lustig ihr patriarchalisches Leben, gleich nach den ersten Untersuchungen überzeugt, daß die Höhle bei der ungeheuren Verzweigung ihrer Arme und Gänge Raum genug biete, sich gegen die zahlreichsten Verfolger zu verbergen. Die Vorräte wurden an trockene Stellen gebracht, die Lagerstätten bestimmt und die Losung verabredet, unter welcher die am Eingange der Grotte bestimmten Wachen die junge Witwe oder den sie schicken solle, zu jeder Zeit des Tages oder der Nacht erkennen sollten. Auch eine Fallbrücke wurde aus festen Baumstämmen gezimmert, der schmale Felsenkamm schnell durchgeschlagen und so die Höhle förmlich abgesperrt. "Sollte ich verfolgt werden, so würde ich Euch am Fuße der Wand leise zurufen: Schön ist die Nacht zwar nicht, aber heilsam. Dann legt schnell die Brücke über den Fels, damit es mir möglich werde, mich zu retten!" sprach Gunde beim Scheiden. Gegen Abend kam sie noch einmal, übergab ihre besten Habseligkeiten nebst einem Teile ihres Gesindes der Obhut der Höhlenbewohner und ließ unter dem Fels durch den wohlvertrauten Meier ein Fäßchen von ziemlichem Umfange eingraben. Entschlossen kehrte sie nach Hause zurück, ließ ihre Knechte sich bewaffnen und wartete ruhig, was da kommen sollte.
Die Nacht und zum Teil der nächste Tag gingen friedlich vorüber. Ein paar nach Eisenerz geschickte Burschen brachten die Kunde, daß sich von den Türken nichts sehen und hören ließe, und der Lärm wahrscheinlich voreilig gewesen sei. Gegen Abend schien sich jedoch das Gegenteil dieses Trostberichtes zu bewähren.
Vom Pfaffenstein herab bewegten sich durch das Gehölze dunkle Schatten, immer näher drangen verworrene Stimmen, die Hund im Hofe schlugen an, die Knechte machten sich schußfertig an die Fenster, Gunde selbst, in Schützentracht, stand mit dem Stutzen lauernd in der Kammer. Jetzt brummte es näher, feste Tritte und Pferdegetrappel, Fluchen und Säbelklirren, endlich schlug man mit Steinen an das eisenbeschlagene Hoftor.
"Aufgemacht!" donnerte es von außen, "oder wir setzen Euch den roten Hahn auf das Dach!" "Versucht nur eine Untat", ließ sich Gundens Stimme vernehmen, "und ihr sollt einen Empfang finden, wie ihn solche Schurken verdienen!" Statt aller Antwort krachten einige Schusse, daß klirrend die Scherben der zerschmetterten Fenster auf die Witwe stäubten. Sie winkte, ein halb Dutzend Rohre entluden sich und ein halb Dutzend Angreifer mußte gefallen sein, denn man hörte Stöhnen und Wimmern, hörte Verwundete wegschleppen, Sterbende ächzen. "Weicht zurück, ihr nächtlichen Diebe!" gebot Gunde, "oder ich lasse mit gehacktem Eisen auf Euch feuern."
"Das soll Dir teuer zu stehen kommen, verfluchtes Weib!" schnarrte die Stimmer des Wandhiesels und sein Rohr brannte los gegen die Witwe. "Schlechte Schützen!" lachte sie und bewies, daß ihre Drohung Ernst gewesen sei, denn sie drückte los und rechts und links sanken, vom gehackten Eisen verstümmelt, ein paar Angreifer. Wandhiesel selbst fühlte sich die linke Backe zerfleischt. "Werft Pechkränze!" brüllte der Verruchte und in wenigen Minuten loderte der Stall in blutroten Flammen empor. Mit dem Steigen des Brandes schwand der Mut der heimischen Knechte. Einige schlichen sich heimlich davon und wollten den Wald gewinnen, wurden aber von den Türken und Räubern aufgefangen und vor Gundens Augen lebendig aufgespießt.
"Ergib Dich, tolles Weib", brüllte der verwundete Wandhiesel, "ergib Dich! Du sollst Dein Leben behalten, aber Dein Geld liefere aus und mein Liebchen sollst Du sein!" Die stolze Witwe lachte trotzig, brannte abermals einen Stutzen ab und wieder wälzten sich ein paar Feinde am Boden. Wütend stürmten die anderen gegen das Gebäude. Die Knechte wurden übermannt und wehrlos niedergehauen, die Türen eingetreten und die Flammen und die Räuberschar drangen gleich schnellen Schrittes gegen das wohlverwahrte Gemach der Hausfrau. "Mache auf, Verruchte!" knirschte Wandhiesel und rüttelte an der eisenbeschlagenen Pforte. "Weicht zurück", rief Gunde, "unter dem Fußboden ist Pulver, und bei Gott, ich sprenge alle in die Luft!" Die Räuber entfernten sich und beim Leuchten der Flamme, um welche jene einen Kreis bildeten, gewahrten sie einen lebhaften Zank zwischen dem türkischen Führer und dem blutenden Wandhiesel.
Immer näher drang die Glut, schon knisterte die höhere Decke, schon rauchten die Dielen. Das Gefühl der Selbsterhaltung überschrie die heroischen Entschlüsse des Weibes. Gunde ergriff einen Hirschfänger und durch ein Hinterfenster, welches sie unbeachtet glaubte, schlüpfte sie vorsichtig hinunter, hatte aber kaum den Boden erreicht, als kräftige Fäuste sie ergriffen, zu Boden warfen, trotz ihres hartnäckigen Widerstandes fesselten und vor den Anführer schleppten.
Mit hochgeschwungenem Kolben eilte ihr der grimmige Wandhiesel entgegen, um ihr rächend den Todesstoß zu versetzen. "Bist Du toll? fragte im gebrochenen Deutsch der türkische Führer, dessen Augen mit lüsternem Wohlgefallen auf dem schönen Weibe ruhten, "bist Du toll, daß Du sie früher töten willst, bevor wir sie nach den Schätzen gefragt? Haben wir erst die, dann, wenn es mir nicht beliebt, das Weib für mich zu behalten, dann magst Du sie töten!"
"Behalten", brüllte Wandhiesel, "nun und nimmer, schaut nur um Euch, zwanzig feste Bursche sind mein, und ich möchte sehen, ob Ihr aus den Bergen hinauskommt, wenn ich nicht will!"
Der türkische Führer lächelte bitter. "Aber die Schätze, Bruder?" fragte er. "Ja, das ist wahr! Sprich, verdammtes Weib, wo ist Dein Geld?" "Sucht es im Feuer!" versetzte Gunde. "Ha, nun entsinne ich mich", jubelte mit teuflischer Freude Wandhiesel. "Oben in der Höhle hast Du Dein Geld. Heda, bindet ihr einen Strick um den Leib und folgt alle nach, sie muß uns die Schätze ausliefern. Aber sieh Dir dieses Messer an, lang und breit und wohlgeschliffen ist es. Bis hieher habe ich es meinem Feind, dem Forstjungen in die Rippen gestoßen, bis hieher dem Weibe des Müllers, bei dem ich einbrach und das mir mit Angabe drohte. Aber bis hieher, bis an das Ende des Heftes, will ich es Dir in den Leib bohren, wenn Du nur einen Laut von Dir gibst".
Gunde schickte sich an, den Trupp der türkischen Mordbrenner zur Frauenmauerhöhle zu führen. "Ohne mein Losungswort wird man Euch nicht hineinlassen", sagte sie. "Doch wenn Ihr mir versprecht, das Leben zu schenken, werde ich Euch alle Schätze und auch alle Flüchtlinge, die in der Höhle sich befinden, ausliefern." Hohnlächelnd versprach Wandhiesel, Gunden kein Leid antun zu lassen und nun nahm der türkische Anführer den Strick, an welchen die Gefangene gebunden war und alle setzten sich in Bewegung.
Es mochte gegen Mitternacht sein, als sie am Fuße der Wand ankamen. "Seht", flüsterte Gunde, "wenn ich es unehrlich meinte und mir nicht um mein Leben zu tun wäre, nur einen Laut brauchte ich von mir zu geben und ein paar Felsen dürften sie von Oben herabrollen und ihr wäret zerschmettert." - "Du bist ein wackeres Weib", schmeichelte Alla Beg, "und bei Allah, Du sollst mein sein. Bringe uns nur sicher hinauf!" Die Dunkelheit der Nacht verschleierte den häßlichen, gefährlichen Weg.
Jetzt waren sie hinauf gekommen in die Nähe des durchbrochenen Kammes. "Wer da! schrieen die Wächter am Eingange. "Sorgt Euch nicht", flüsterte Gunde ihren Begleitern zu. "Gute Freunde", rief sie laut nach oben, "schön ist die Nacht zwar nicht, aber heilsam". Leise schoben die Höhlenbewohner die Zugbrücke auf den Fels. "Da muß wo ein Ring sein", meinte Gunde zu ihren Begleitern und scharrte mit den Fingern im Gerölle. "Nein, sind nur Wurzeln", fuhr sie fort, indem sie mit Macht einiges Holz abbrach. "Was tust Du denn? fragte besorgt Wandhiesel. "Nichts weiter, rechts müssen wir hinüber, doch stellt Euch womöglich dicht zusammen auf den Kamm, damit die oberen nicht sehen, daß Ihr in so bedeutender Anzahl seid, und nicht Mißtrauen schöpfen, denn eine Fackel müssen sie mir geben, sonst ist für Euch die größte Gefahr. Ihr seht, wie glatt die Wand ist, Ihr könnt im Dunkeln nicht die eingemeißelten Fußstapfen treffen". Wandhiesel folgte ihr wie ein Schatten. "Bei Allah, ein herrliches Weib!" lallte Alla Beg und ließ den Strick, an welchen sie gebunden war, gemächlich. Nun stand sie an dem einen Ende der Fallbrücke. Mit Riesenstärke stieß sie den unvorbereiteten Wandhiesel in den Abgrund. Mit Blitzesschnelle setzte sie über die Fallbrücke, welche dem nacheilenden Türken, der den Strick mechanisch losließ, vor der Nase in die Höhe flog, daß er entsetzt von der finsteren Tiefe zurückprallte, aus welcher das Winseln und Heulen des von Vorsprung zu Vorsprung aufschlagenden Räubers heraufwimmerte. "Eine Fackel!" schrie Gunde. "Zurück da, Freunde, vom Rande der Höhle!" Und mit sicherer Hand warf sie die Fackel auf jene Stelle, an welcher sie früher im Geröll gescharrt hatte. Einen Augenblick konnte man die verblüfften Gestalten der Türken und Räuber gewahren, dann flammte es hell auf, ein erschütternder Schlag folgte, den donnernd die Höhlen des Berges, krachend die nachbarlichen Felsen zurückgaben. Rauch und Steintrümmer und Pulverdampf drangen durch den Eingang der Höhle, tief unten aber ächzte es wie im Pfuhle der Verdammung. "Dem Himmel Dank!" rief auf ihren Knieen die Witwe, "wir sind gerettet!"
Am Morgen sah man den Felsenkamm, welcher den Zugang bildete, zum Teil in die Luft gesprengt, zum Teil mit den zerrissenen Gliedern der durch die Explosion getöteten Räuber bedeckt. Gunde aber führte ihre befreiten Schützlinge durch seltsam gewundene Gänge, durch enge niedere Schluchten quer durch den Berg lange, lange fort, bis sie zuletzt das liebe Sonnenlicht wieder schauten und durch eine ganz mit Gestrüpp überwachsene, von Zwergzirben verdeckte Öffnung ins Freie kamen.
Nach einigen Tagen wagte sich Gunde in die Gsoll. Ihr Haus war fast ganz zerstört, aber mit Vergnügen vernahm sie, daß die übrigen eingedrungenen Türken von den wackeren Bergknappen in Eisenerz überfallen und niedergemacht worden waren.
Nach einigen Jahren, als die Geier längst die Glieder der getöteten Räuber verzehrt hatten, als Gundens Haus neu gebaut in der Gsoll prangte und man des schielenden Wandhiesels nur mehr erwähnte, um die Kinder zu schrecken, reichte die schöne Witwe einem wackeren Bergoffizier in Eisenerz die Hand. Das frohe Paar ließ den Zugang zur Höhle ziemlich herstellen und gab an seinem Hochzeitsabende einen lustigen Schmaus mit Mummerei und Kurzweil in der abenteuerlichen Grotte, welche seit jener Zeit die "Höhle in der Frauenmauer" heißt.
Der Türkenboden in der Eisenerzer Ramsau
In der Ramsau, und zwar auf der sogenannten Beeres, heißt eine kleine Fläche der Türkenboden. Als nämlich die Türken in die Gegend von Eisenerz kamen, scharten sich die Knappen vom Erzberge unter den Befehlen ihrer Bergoffiziere zusammen und fielen über die Türken her. Diese wurden besiegt und niedergemetzelt. Nur einigen Türken gelang es, zu entfliehen; sie flüchteten sich in die Ramsau, wurden aber auf der Beeres von den Bergknappen, welche an den Mordbrennern und Feinden der Christenheit blutige Vergeltung übten, eingeholt und gleichfalls niedergesäbelt.
Der Eisenerzer Jungfernsprung
Der Pfad, von der Eisenerzerhöhe hinunter nach Wildalpen führt, überquert auch eine Brücke über einen rauschenden Gebirgsbach. Die Schlucht darunter wird von den Jägern und Holzknechten dieser Gegend als "Jungfernsprung" bezeichnet. Die Herkunft dieses Namens wird auf diese Weise erklärt:
Auf den sogenannten Arzerböden, einer Alm, hatte eine schöne Sennerin die Begierde eines dort vorbeireitenden Adeligen erweckt. Sie suchte sich seinen Zudringlichkeiten zu entziehen und versuchte, über die Eisenerzerhöhe in Richtung Wildalpen zu entfliehen. Bei der erwähnten Klamm war ihr der weitere Weg aber durch die Ungunst der wilden Gegend versperrt und der wilde Reiter, der ihr auf seinem Roß gefolgt war, glaubte schon, das Objekt seiner Gier in Händen zu haben. In seiner Verzweiflung setzte das Mädchen zu einem gewagten Sprung an und gelangte tatsächlich wohlbehalten über die Kluft. Der Edelmann hingegen verschätzte sich, als er seinem Pferd die Sporen gab. Der Sprung mißlang und zerschmettert fanden Roß und Reiter nach einem schlimmen Sturz in die Tiefe den Tod.
Frevlerische Schüsse auf ein Christusbild
In der Eisenerzer Oswaldikirche befindet sich noch heute wohlbehütet in einer Nische an der inneren Nordwand des Gotteshauses verwahrt eine kleine Holztafel mit einer Malerei, die Christus am Kreuz und darunter Maria und Johannes zeigt. Drei Kugelschüsse durchbohren die Darstellung, von denen einer den Schenkel Christi streift. Eine Inschrift, die anläßlich einer Restaurierung 1710 angebracht wurde, erzählt den Hergang, die zur Attacke auf das Gemälde führte, das damit zu den sogenannten "verletzten Kultbildern" gehört. Ein Jäger hatte nämlich im Übermut sein Jagdgewehr auf das Bild abgefeuert und dieses auch getroffen. Die Strafe folgte bald: Der Frevler erblindete und starb kurz darauf qualvoll. Im Original lautet die Beschreibung folgendermaßen:
"Noch vor 100 Jahren alß Ihro Ertzhertzogliche Durchleucht Ferdinandus Regierender Landtsfürst in Steyr mit Maria seiner Durchleuchtigsten Gemahlin einer gebornen Hertzogin auß Bayrn Anno 1601 von Grätz in die Radmär auf die Jagt geraist und damals dem St.Antonio zu Ehren eine Capellen erheben und bauen lassen , hat sich zuegatregen, das unter andern Landtfürstl. Jägern ainer, der zu Prugg an der Muehr seinen Forst gehabt, auß Eingebung des bösen Feinds, damit er vor andern Jägern ein Lob darvon tragen mechte, vorhero mit seinem Pürstrohr auf gegewärtiges Cricifix, welches unweit der Stanglan (? Straßen?) in einer Seillen gestanden, geschossen. Weillen er aber den Leib Christi das erstemahl nicht getroffen, hat er den anndern Schuß hinnach gethan, drauf ins Gejaid gangen und ziemliche Proben gezaigt. Allein die Straf Gottes ist nit lang außblyben, sondern als er nach geendigten Gejaid nach Hauß kommen, stockblind worden und eines ellenden Todts gestorben. Endlich ist dises Bild, nachdem es durch Leuth heimlich von der Creutzseillen hinweck genommen und lange Jahre unkandt in einem Hauß gewesen, wunderliche Weiß gefunden, anhero gebracht und auf gegenwärtigen Creutz Altar zur Verehrung vorgestellt worden. Anno 1710"
Ein Knappe tötet beim Roten Kreuz irrtümlich sein Mädchen
Auf dem Wege von Wildalpen nach Eisenerz, auf der sogenannten Eisenerzerhöh, steht ein Marienkreuz mit einem sinnigen Vers, daran sich folgende Sage knüpft:
Auf einer der umliegenden Almen wohnte eine junge schöne Schwaigerin mit ihrer alten Mutter. Sie hatte einen frischen Knappen, der am Erzberg arbeitete zum Geliebten und allwöchentlich kam dieser von Eisenerz über das Gebirge auf die Alpe, um sein Mädchen zu besuchen. Als einst das Mädchen den Knappen fragte, ob er sich nicht fürchte, des Nachts so allein stundenlang durch die schauerlichen Klüfte der Gebirge zu gehen, lächelte der mutige Bursche und zeigte auf sein großes Messer, das im Gürtel stak.
In der nächsten Woche kam der Knappe wieder des Weges zur Almhütte. Als er zum Marienkreuze kam, trat ihm eine weiße Schreckgestalt entgegen. Anfangs sträubte sich sein Haar vor Schrecken, dann aber zog er sein Messer und stieß es der Gestalt in den Leib. Diese fiel mit lauten Aufschrei zu Boden. Der Knappe aber eilte, so schnell als er nur konnte, auf das Häuschen seiner Geliebten zu. Da vermißte er sein Mädchen und eine Ahnung sagte ihm, daß das weiße Gespenst niemand anderer als sein Geliebte gewesen war. Sie selbst verwünschend eilte der Bursche zurück zum Kreuze und fand hier sein Liebchen im Blute liegen. Nur wenige Minuten lebte das Mädchen noch und dann verschied es.
Des anderen Tages überlieferte sich der Knappe freiwillig dem Gerichte und klagte sich des Mordes an seinem Mädchen an. Aber das Gericht sprach ihn frei von aller Schuld. Bald darauf folgte er aus Gram und Schmerz seiner Geliebten, deren Leichtsinn ihr den Tod gebracht hatte, ins Grab.
Das Marienbild, insgemein auch das "rote Kreuz" genannt, steht noch und die Führer erzählen den Fremden gerne die schauerliche Begebenheit, die sich daselbst zugetragen hat.
Ein Kalbskopf entlarvt einen Hüttenmann als Mörder
In Eisenerz gab es vor Zeiten sehr viele Hochöfen. Einer derselben, der in der Nähe der hauptgewerkschaftlichen Schmiede, wo früher eine Ziegelfabrik gewesen, gestanden ist, soll der Schauplatz eines schrecklichen Verbrechens gewesen sein.
Ein Hüttenarbeiter hatte nämlich bei der Arbeit einen seiner Kameraden, als er sich mit ihm gerade allein befand, aus Rache in die glühende Lava des geschmolzenen Erzes hineingestoßen und war so zum Meuchler geworden.
Die Tat blieb lange unaufgedeckt. Doch als der Mörder eines Tages bei dem Pestkreuze, das noch jetzt unterhalb des Wrbna-Hochofens auf dem sogenannten Gangsteige steht, vorüberging und einen Kalbskopf, den er beim Fleischhauer sich gekauft hatte, in Händen trug, fing derselbe plötzlich heftig zu bluten an und nun war man nicht länger im Zweifel, daß der Hüttenarbeiter seinen Kameraden ums Leben gebracht hatte.
Der Wechselbalg in der Eisenerzer Ramsau
Eine Bäuerin in der Ramsau bei Eisenerz wurde während der Arbeit auf dem Felde von den Wehen überfallen. Nachdem sie das Kind ohne alle fremde Beihilfe entbunden hatte, legte sie dasselbe auf die Seite und begann gotteslästerliche Reden auszustoßen. Da kam der Teufel, nahm das Kind weg und legte ein anderes hin, einen Wechselbalg. Dieser wuchs heran und lebte viele, viele hundert Jahre. Oft wechselte die Bauernwirtschaft ihren Besitzer und immer übernahm dieser vom vorigen den Wechselbalg, der viel Schabernack trieb, die Leute ärgerte und Schaden anrichtete, wo und so oft er es nur konnte. Die Bauersleute wußten sich schon gar nicht mehr zu helfen und endlich begannen sie recht fleißig zu beten. Da verschwand der Wechselbalg, aber er war nicht etwa gestorben, sondern der Teufel hatte ihn weggenommen, da er in frommes Haus nicht mehr paßte.
Die Frau Perchtl und das Kind mit dem Tränenkrüglein
In der Eisenerzer Gegend soll sich die rührende Geschichte von der um ihr Kind trauernden Mutter und ihrer Tröstung zugetragen haben. Sie gibt uns zu bedenken, daß man um die Toten nicht zu lange nachweinen soll, da im Glauben des Volkes jede Träne den Dahingeschiedenen Schmerz und Pein bereitet und sie deshalb im Grabe keine Ruhe fänden und zurück auf die Erde drängten. Ungetauft verstorbene Kinder, die von Zeit zu Zeit mit der jenseitigen Mutter Frau Perchtl wandernd den Lebenden erscheinen, müssen sogar die ihretwegen vergossenen Tränen auffangen und im unheimlichen Zug der Toten in einem schweren Krug mit sich schleppen.
Einer Mutter, deren Kind bald nach der Geburt ohne getauft worden zu sein, gestorben war, kam es besonders hart an. Sie klagte und klagte, weinte und weinte um ihr Kind. Als sie nun nach der Mitternachtsmette der Christnacht aus der Kirche zum Grab ihres toten Lieblings ging, sah sie auf dem Friedhof plötzlich die Frau Perchtl mit einer großen Schar toter Kinder an sich vorüberziehen. Gleich erkannte sie ihr Kindchen, das, obwohl es besonders zart und schwach war, einen großen Krug mit sich schleppen mußte. Wehmütig blickte dieses die Mutter an und sagte zu dieser: "Mutter, liebe Mutter, flenne nicht! Denn schau', ich muß all deine Zachern in diesem Krüglein auffangen und mit mir herumtragen. Nun kann ich's nicht mehr, denn ach! das Krügerl ist mir jetzt schon zu schwer!". Die ergriffene Mutter sagte darauf: "Ich will nicht mehr flennen, liebes Herzchen!" Da lächelte das Kind und verschwand. Frau Perchtl aber wandte sich an die Mutter und bedeutete ihr: "Schönen Dank, gute Mutter! Du hast deinem Kinde einen Namen gegeben und nun ist es erlöst."
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