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Was der Kunst egal ist#

(Archiv externer Beiträge, Blatt #43)#

von Martin Krusche

Aber Ja! Es steht Ihnen vollkommen frei, für sich zu definieren, was Sie für Kunst halten. Jede Spielart ist möglich und zulässig. Auch der Scherz, die Schlamperei, die Pose. Niemand kann Ihnen Ihre Ansicht streitig machen. Ihre Kriterien, falls Sie welche haben, sind unanfechtbar. Gut, das ist auch bloß eine Seite der Geschichte.

Zu den anderen Seiten gehört zum Beispiel ein laufender Diskurs. Den kann man auch ignorieren. Ob Sie in solchen Debatten mit Ihren Vorstellungen standhalten können, steht auf einem anderen Blatt. In der selben Freiheit wie der Ihren ist ja niemand gezwungen, Ihnen und Ihren Ansichten zuzustimmen. Aber was wiegt schon so ein Kunstdiskurs, wenn Ihnen ein Publikum zugeneigt ist?

Publikumsgeschmack oder Expertenurteil?#

Bravo! Publikumsgeschmack zählt doch weit mehr als irgendein Expertenurteil. Naja, es kommt darauf an, mit wem Sie in welcher Situation darüber reden und auf wessen Applaus Sie Wert legen. Diese Kontroverse in unserer möglichen Debatte ist ja seit der Antike unentschieden.

Nämlich die Frage: Was wiegt mehr? Breiter Publikumsgeschmack? Die Expertenmeinung von wenigen Leuten? Sie ahnen gewiß, das sind zwei völlig verschiedene Diskussionen. Darin kommen wir dann auch miteinander ein Stück weiter. Falls die Frage lauten darf: Von welcher Seite bevorzugen Sie Applaus?

Es gehört zu den amüsanten Seiten des Betriebs, daß gelegentlich die schlimmsten Betriebsnudeln, laute, wichtigtuerische Possenreißer, sich sehr energisch unter die Flagge der Gegenwartskunst reklamieren, aber kaum mehr als beiläufige Fingerübungen dazu beibringen. So bläht man sich auf. So geht Pose.

Das macht gar nichts! Das draußen ist genug Publikum, um sich ab und zu einen warmen Regen einzuhandeln, selbst wenn es bloß zur Simulation reicht. Es bleibt dennoch kreative Stümperei, was beiläufig heruntergeklopft wird, ohne zufällig genial zu sein. Doch man kann für sich und für den Eigenbedarf all diese Dinge mit zwei grundverschiedenen Paketen der Kriterien überprüfen, bewerten. Das betrifft zwei Sphären, die sich überschneiden können, aber nicht müssen. Nämlich:

  • Die Regeln der Kunst
  • Das Reich der Sinnlichkeit

Die Regeln der Kunst#

…werden in laufenden Diskurse stets neu verhandelt. Ob das nun Leute des Kunstmarktes sind, des Feuilletons, der Kunstgeschichte, zuzüglich all der primären Kräfte, also der Künstlerinnen und Künstler, egal! Diese Debatten werden geführt, dokumentiert, medial verbreitet. Um es mit Lüpertz zu sagen: die Kunst ist stets Renaissance, beschäftigt sich mit ihrer Vorgeschichte.

Das Reich der Sinnlichkeit#

…ist eine Gebiet der Geschmacksereignisse. Gefällt mir oder auch nicht. Sagt mir etwas oder auch nichts. Würde ich gerne haben oder auf keinen Fall. Geschmack kommt aus den eigenen Wahrnehmungserfahrungen und kann in einer Debatte nicht angefochten werden.

Die Frage der Reihweite#

Wer innerhalb des Horizonts der eigenen ästhetischen Erfahrungen bleiben will, darf das natürlich, denn es gibt keinerlei Verpflichtung zu erweiterten Horizonten. Weshalb erzähle ich all das überhaupt? Aus zwei Gründen. Einerseits arbeite ich derzeit intensiv im Hintergrund des Vorhabens „Der milde Leviathan“. Was ich dazu tue, fällt nicht unter Kunst, weist aber da hin.

Andrerseits arbeite ich einige Dinge auf, wie etwa die Facebook-Notizen zu „Routen & Gegend“. Eben ging im Austria-Forum Albumblatt #27 online; ich bin in Verzug. Das ist ein gutes Beispiel für die laufenden Übungen, die ich als Künstler unverzichtbar finde. Wie Sportler ständig trainieren, wie eine Pianistin ständig übt, so ist meine Wahrnehmung ständig bei der Arbeit und haut als Spinoff derlei Sachen raus.

Die sollen visuell und sprachlich etwas taugen, beides in Spannung miteinander bringen, aber sie sind keine Kunstwerke, sondern Etüden. Doch meine innere Ausstattung für die weit seltenere künstlerische Arbeit bezieht daraus wichtige Substanz. Wer dagegen über Fingerübungen nicht hinauskommt und das dann als Kunstwerke deklariert, auch gut. Der Kunst ist das egal. (Mir auch.)


Erstmals 2022 publiziert bei Kunst Ost