Ein paar längere Sätze zur Kolumne „Kurtz und bündig“#
(Eine Intrada)#
Von Martin Krusche#
Ein Gespräch. Ein Stich. Und jetzt… Wie es zur Kolumne „Kurtz und bündig“ (Gedanken von Georg Kurtz, Arzt) kam. Vorweg, ich treffe Entscheidungen mit genau dem Wissensstand, den ich grade hab. Das geschieht immer in der Klarheit, daß man mehr wissen könnte, ich aber gerade nicht. Daher muß ich die Konsequenzen entsprechend tragen, egal, wie gut ich es wußte. Das nimmt mir niemand ab.
Ich hab keine Ambition, andere Menschen zu belehren, weil ich das langweilig finde. Doch das Erzählen. Meine Erfahrung aus einem Leben in der Kunst: Wir erzählen einander die Welt. Darin ist nun auch begründet, daß ich Georg Kurz um einige Glossen gebeten hab. Weshalb gerade ihn?
Er ist praktischer Arzt, erfahrener Notarzt, überdies ein Mann, an dessen Redlichkeit ich keinen Zweifel habe. Was meine ich mit Redlichkeit? Ein Fließgleichgewicht zwischen dem Denken, dem Reden und dem Tun. Schlüssigkeit. So kann ich mich orientieren.
Ich bin mit Georg Kurtz inzwischen nicht Jahre, sondern Jahrzehnte vertraut. Dieser Aspekt erhält zum Beispiel Gewicht, wenn ich mit medizinischen Fragen konfrontiert werde, die meinen Wissensstand erheblich übersteigen. In so einem Fall muß ich mich mit jemandem beraten können, den ich gleichermaßen für kompetent und vertrauenswürdig halte.
Das wird noch wesentlich dringender, wenn es um einen Themenkomplex geht, der sich in seiner Komplexität als überbordend erweist und zu dem Fachkräfte sehr unterschiedliche Ansichten äußern. Manche legen auch Überzeugungen vor, die einander widersprechen. (Es gilt in der Wissenschaft zurecht die Faustregel: „Wir irren uns nach oben.“ Alles andere ist Keffesud-Lesen.)
Eigentlich sollte das kein grundlegendes Problem sein, denn wir leben hier seit wenigstens 200 Jahren in einer permanenten technischen Revolution, deren Tempo ständig zunimmt. Das bedeutet unter anderem, wir verlieren Adaptionsphasen, in denen wir uns mit Innovationen vertraut machen könnten. (Viel zu schnell ist das Nächste oder etwas Neues da.)
Wer also leugnet, daß wir längst in sehr vielen Bereichen auf Vertrauen angewiesen sind, weil wir nicht genug Genaueres wissen, hat mindestens die letzten 50 Jahre verschlafen. Ständig haben wir um uns Situationen, für die einzelne Menschen unmöglich genug Fachwissen zusammentragen können. Es ist so, seit wir das Neandertal verlassen haben.
Dieses Faktum mag deutlich machen: wir sind auf Gemeinschaft angewiesen, denn niemand ist alleine schlau. Wir genießen außerdem so manchen Komfort, dessen Kosten und Konsequenzen uns nicht unbedingt klar sind. Bewegt uns das zu Verzicht? Selten! Was dann an Risken bleibt, wird von meinen Mitmenschen ganz unterschiedlich bewertet. Ich kenne Leute, deren Leben hat was von Jahrzehnten in einem All inclusive-Cluburlaub mit Zimmerservice, Schirmchen-Drinks und stabilen Mauern, durch die Zivilisation und Wildnis getrennt erscheinen.
Zugegeben, es amüsiert mich, wenn Club-Gäste vom Lauf der Dinge aus ihrer Komfortzone geschüttelt werden. Aber ich wünschen niemandem was Böses. Doch man könnte eigentlich aufwachen, wenn es ordentlich gekracht hat. (Und derzeit hat es gekracht.) Das möchten manche nicht? Naja, Erwachsensein ist eben für Fortgeschrittene.