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Installation? Objet trouvé? Nein, triviale Alltagsbewältigung im Nachtdienst
Installation? Objet trouvé? Nein, triviale Alltagsbewältigung im Nachtdienst

Zweit.Raum#

(Ein Intermezzo)#

Von Martin Krusche#

Das Stadtzentrum bleibt ein Ort dynamischer Vorgänge. Im Zeit.Raum werden auf zwei Kanälen jeweils alle vier Wochen neue Episoden gezeigt. Nun aber einige Stunden Pause, die zu allerhand Überlegungen anregen. Für eine Nacht wurde der „Zeit.Raum“ zum „Zweit.Raum“.

Die Innenstadt ist primär öffentlicher Raum als Lebensraum der Menschen. Das ist der Kern. Unerheblich bleibt, daß darüber seit mehr als hundert Jahren Kontroversen laufen. Die Wickel hatten ihre Vorboten schon Ende des 19. Jahrhunderts, als die damals neuen „Niederräder“ („Safeties“) mit den flinken wie fast lautlosen „Velozipedisten“ ein Tempo in den Alltagsverkehr stanzten, an das die Menschen sich erst gewöhnen mußten.

Aber diese „Fußkutschen“, die Fahrräder, waren noch nicht annähernd so radikal brüskierend für das Volk, wie jene Kraftfahrzeuge (Motorräder und Automobile), die etwa zwischen 1902 und 1906 zu Quantensprüngen der Verbreitung ansetzten. Spätestens nach dem Großen Krieg (1914 bis 1918) hatte sich rund um die Straßenbenutzung ein Konfliktpotential etabliert, das wenigstens schon um 1909/1910 mehr als manifest war. Es verursachte den Behörden reichlich Arbeit.

Laufende Konflikte zwischen den „Autlern“, all dem motorisierten Völkchen, und dem Rest auf den Straßen, hatten bewirkt, daß im habsburgischen Österreich ab 1905 Nummerntafeln ausgegeben wurden und die Registrierung von Kraftfahrzeugen verpflichtend wurde. So war es im Problemfall möglich, Fahrzeughalter auszuforschen.

Zur Gegenwart#

Weshalb ich das hier ausbreite? Das Ringen um Vorherrschaft auf Straßen und im öffentlichen Raum ist nie verebbt. Dann aber gibt es auch Nischen. Im April 2021 konnte ich in Kooperation mit Monika Lafer und Barbara Schäfer beginnen, den „Zeit.Raum“ zu definieren und zu bespielen: „Dialogisch. Struktur und Erzählung. Ein Ensemble.“ Zwei große Fenster als „Monitore“ mitten in der Stadt. Eine feine Schnittstelle zum öffentlichen Raum Gleisdorfs.

Nun fand nach zwei Jahren Pause erstmals wieder der TIP Kirta statt. Lebenshunger und die Freude am Feiern bewegte Menschen, bis nachts der Regen kam. Und selbst das schwächte die Sause zwar, hob sie aber nicht auf. Ich bin selbst in wechselhafter Gesellschaft dabei geblieben, bis meine Kleidung triefend naß war.

Bild 'prisma092a'
Bild 'prisma092c'

Zu dieser Veranstaltung ergab es sich, daß unsere zwei Fenster von einer Bar völlig verdeckt wurden. Die Normalität hat Pause gemacht. Es kommt vor, so erzählte mir Claudia Berghold, eine Mitarbeiterin des City Managements, daß sich Anrainer über vieles beschweren, was so ein Fest an Unruhe ins Stadtzentrum bringt.

Das schließt den Wunsch ein, dieses Fest möge um 22:00 Uhr enden. Keine realistische Vorstellung. Wollte ich mich nun beklagen, weil man gerade zu so lebhaften Stunden unser Projekt verstellt hatte? Keineswegs!

Claudia Berghold (rechts) neben dem vormaligen Geschäftsmann Sepp Gauster und einem Mitglied des Organisations-Teams
Claudia Berghold (rechts) neben dem vormaligen Geschäftsmann Sepp Gauster und einem Mitglied des Organisations-Teams

Mir gefällt dieses anschauliche Beispiel, daß der öffentliche Raum als Lebensraum von dynamischen Zuständen handelt, daß er wechselnden Funktionen unterworfen ist. Lassen wir beiseite, daß so eine Volksbelustigung es ohnehin nicht nahelegt, den Menschen künstlerische Inhalte anzubieten. (Wer darauf bestehen möchte, hätte wohl mehr Sendungsbewußtsein als kulturelle Kompetenz im Leib.) Mir gefiel diese temporäre Anordnung vor unseren Fenstern, die sich in zwei grundlegenden Status-Varianten zeigte. (Künstlerin Monika Lafer teilt meine Ansicht.)

Modus eins: für die Nacht bereitgestellt und entsprechend geordnet. Alles sehr aufgeräumt. Modus zwei: das Setting im vitalen Betrieb. Diese Angelegenheit hat sogar, wenn man sie etwas dreht und wendet, einen kulturpolitischen Aspekt. Der öffentliche Raum wird erst durch leibliche Anwesenheit von Menschen zu einem kulturellen und politischen Raum, an dessen Erhalt in genau dieser Bedeutung uns allen viel gelegen sein sollte.

Der öffentliche Raum ist weder Museum noch Parkplatz, sonder ein materieller Ausdruck der Res publica, also in diesem Sinn auch der Republik. (Darin liegt einer der Gründe, warum es dafür auch ein Demonstrationsrecht gibt.)

In eben diesem Zusammenhang hab ich diese Glosse mit dem Verkehrsthema eröffnet. Wenn der Raum zwischen den Häuserzeilen bloß noch und vor allem Verkehrsfläche wäre, hätten wir in verschiedenen gesellschaftlichen Fragen völlig versagt. Ein Stadtzentrum hat spezielle Potentiale, die man verschenken oder Pflegen kann.

Kunst und Kultur sind dabei relevante Aspekte, aber erst im Verband mit anderen Notwendigkeiten. Und Feste haben wir überaus notwendig. Sie sind die Angelpunkte eines Gemeinwesens, dessen Gemeinschaft sich laufend neu bilden muß. Da sollte wenigstens für Stunden vieles zurückstehen können, was man sonst als Annehmlichkeit erwartet.