Kleider-Tetris#
(Wetter und Variationen)#
Von Martin Krusche#
In diesem Jänner 2023 kommt das Wetter zu keinerlei Klarheit, ob es nun Winter sein möchte oder eine andere Jahreszeit. Inzwischen wurden sogar die Tage innerhalb einer Woche derart wechselhaft, daß ich für meine Gänge zu den Bächen und in die Flußauen eine Art Kleider-Tetris entwickeln mußte.
Ich will nicht frieren, aber ich komme unterwegs ganz unweigerlich ins Schwitzen. Das muß in Balance kommen. Also habe ich mir drei Jacken zurechtgelegt, welche unterschiedlich warm halten. Die wollen - je nach Tageswetter - darunter mit unterschiedlichem Zeug kombiniert sein. Ich fand langsam heraus, welcher Himmel und welche Anfangstemperatur mir welche Kombination nahelegen. Gelegentlich ändere ich das Ensemble unmittelbar vor dem Losgehen noch einmal, nachdem ich auf dem Treppenabsatz kehrt gemacht habe.
Auslöser dieser Art von Komplexitätsbewältigung war ein Rundgang, bei dem ich auf halbem Weg mein T-Shirt naßgeschwitzt hatte. Das fand ich irritierend, weil die Route ohne starke Steigung, also frei von besonderen Anstrengungen war. Dann dämmerte mir freilich, daß ich gerade in der wärmsten meiner Jacken steckte, während der Tag sich geradezu frühlingshaft entfaltet hatte.
Versierte Abenteurer werden nun müde lächeln, da sie an den Ufern des Orinoko oder tief im verschneiten Alaska mit ganz anderen Situationen zurechtkommen. Ich dagegen lasse grade einen großen Teil meiner Befassung mit Mobilitätsgeschichte weitgehend hinter mir, all die alten Kraftfahrzeuge, was mich oft in Werkstätten, Hallen, auch in Fabriken gebracht hat. Da gibt es manche Momente, in denen man besser Stahlkappenschuhe an und einen Helm auf hat. Aber meist sind das Terrains ohne besondere Anforderungen, was das Outfit betrifft. Wenn ich aber nun von meiner Couch falle oder den Bürosessel zurücklasse, um regional ins Gestrüpp zu steigen, sieht das anders aus.
Da sollte ich zuhause mindestens noch eine gute Hose für den restlichen Alltag haben, denn man weiß nie, wo es einen runterschmeißt und wie sehr dabei die Garderobe in Mitleidenschaft gerät. Ich erinnere mich noch an den 1. Mai 2020, der Corona-Lockdown war jung und ich bin ins Gehackte gegangen. Das brachte mich zu einer erhöhten Passage bei einer Eisenbahntrasse, wo ich von Mauerwerk runterzuspringen vorhatte; mit zwei Fehlern. Erstens war das ganze Kraut unten höher gewachsen als ich dachte, was bedeutete: mehr Fallhöhe. Zweitens hatte sich mein linker Fuß an vermutlich einem Stück Armierungsstahl verhakt und ging im Sprung nicht gleich mit.
Das macht im Körper ein etwas häßliches Geräusch und läßt vor allem den Kopf in die Fallrichtung einschwenken. Zum Glück löste sich dabei mein linker Fuß, sonst hätte ich da draußen eine Rettungsmannschaft gebraucht. Ich war den Rest des Tages ziemlich verblüfft, welche Muskelpartien dabei zu Schaden gekommen waren. Eine Ärztin gab mir den aufschlußreichen Hinweis: Drehbewegung.
Die Schuhe, mit denen ich diese Eskapade erlebt hab, sind inzwischen in einige Bestandteile zerfallen. Zu meinem Vergnügen hab ich aber nach all den Jahren das gleiche Modell wieder bekommen und bin beruhigt, daß zumindest an der Körperbasis das Kleider-Tetris ganz simpel ausfällt. Wollsocken und Berghammerl. Punkt
- Startseite: Flüsse und Bäche (Die regionale Matrix der Gewässer)
- Fotos: Martin Krusche