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Berg- und Talfahrt auf Bosnaspur#

Entlang der Parenzaner Bahn unterwegs in Istrien#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 5. August 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Spezialrecherche


Einst zuckelte eine k.k. Eisenbahn von Triest ins Hinterland. Die Schienen versanken zum Teil im Mittelmeer.#

Station Portorose
Von Alt-Triest fuhr die „Parenzana” gen Süden. Die Station Portorose wurde 1904 eröffnet; ein Hotel im Ort warb mit guter Verkehrsanbindung (um 1910).
Foto: © Wiener Zeitung

Die Buchstaben TBC sind für Zeitreisenmedicus Dr. Manfred Kremser, Wien 18, "täglich Brot seiner Arbeit mit immunologischen Testsubstanzen". Kommt ihm jedoch die Abkürzung TPC unter, tritt der Eisenbahngeschichtsfreund Dr. Kremser auf den Plan. Das Kürzel, hinter dem die Städte Triest, Parenzo (heute kroat. Poreč) und Canfanaro (heute kroat. Kanfanar) stecken, steht für einen istrischen Schienenstrang, der längst der Vergangenheit angehört.

Bahntüftler Dr. Kremser, dem die Gegend um Triest und das nahe Küstenstädtchen Muggia bestens bekannt ist, berichtet von seiner Suche nach dem verlorenen Verkehrsweg in der heutigen Dreiländerregion:

Schwierige Suche#

Die erste (Auto-)Fahrt führte zur Via della Stazione (Straße der Bahnstation), knapp vor dem Ortsschild Muggia. Aber nach ca. 1,5km Fahrt auf "Schmalspurwegen" den Berg hinauf, war dann mitten in einem Bauernhof das Ende der Erkundungstour. Der Besitzer, ein echter "Muggesano", war anfangs verwundert, dann jedoch - selbst von der Irreführung durch die Straßenbezeichnung überrascht - wies er auf den Ausgangspunkt der Straße (nahe dem Rio Ospo) als ehemaligen Bahnhof hin.

Paar aus Muggia.
Paar aus Muggia.
Repros: K. Fleck

Tatsächlich findet sich dort ein Albergo "Alla Stazione" mit Bar und Ristorante. Aber außer ein paar alten Fotografien der Eisenbahn, die einstmals hier in der Nähe ihre Station hatte, gibt es vorerst keine weiteren Spuren.

Da haben die beiden Eisenbahn-Museen - das eine in Kroatien (Livade; derzeit wegen Renovierung geschlossen) und das andere in Slowenien (Izola) - schon weit mehr "Reliquien" zu bieten. So erfährt man unter fachkundiger Führung, dass die Bahnstation Muggia einstmals 14km vom Bahnhof Triest-St. Andrä/Sant’ Andrea entfernt war und auf der Strecke der k.k. Staatseisenbahn "Triest-Parenzo-Canfanaro" lag (TPC, wie auch noch heute auf erhaltenen Hektometersteinen ablesbar).

Eine der landschaftlich schönsten Schmalspurbahnen der Monarchie war diese Strecke, die im Volksmund "Parenzana" oder auch die Parenzaner Bahn hieß und die den wichtigsten Adriahafen Triest mit der istrischen Stadt Parenzo und dazwischen mit einer Reihe anderer Orte Istriens, so auch Muggia, verband. Das ursprünglich geplante dritte Teilstück von Parenzo zum Bahnknotenpunkt Canfanaro konnte aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden.

Da die 123,1km lange Strecke sehr viele Kurven (604) und Steigungen aufwies, war sie als 760mm-Schmalspurbahn - die "bosnische" Spur aller Kronländer - errichtet worden. Vom tiefsten Punkt zwei Meter über dem Meeresspiegel (Triest; Koper) führte sie bis auf 293m (kroat. Grožnjan/ital. Grisignana) mit vielen Steigungen (bis 28) und Talfahrten.

Zahlreiche k.k. Bauten wie Bahnhöfe, Brücken und Viadukte sind bis in die heutige Zeit erhalten geblieben und wurden auch vom Autor bereits unter die Lupe genommen.

Die Konzession für den Bau dieser Lokalbahn wurde am 15. April 1899 vom österreichischen Eisenbahnminister Ritter von Wittek erteilt. Sie wäre ursprünglich bis 1975 gültig gewesen!

Baubeginn 1900#

Karikatur der Lokalbahn
Karikatur der Lokalbahn, die mit höchstens 31km/h unterwegs war.
Bilder: Archiv/M.K.

Schon in den 1880er-Jahren gab es Bestrebungen, das Hinterland der Halbinsel Istrien mit Triest zu verbinden. Projekte der Berliner Firma Sanderop & Co. zerschlugen sich, und erst die in Wien gegründete Triest-Parenzo-Canfanaro Aktiengesellschaft begann 1900 - nach Plänen der Triester Firma Luigi Buzzi - den Bau der Schmalspurbahn. Am 1. April 1902 konnte bereits das 59,6km lange erste Teilstück von Triest bis ins heute kroatische Buje eröffnet werden. Die Eröffnung des zweiten Teiles von Buje nach Parenzo fand am 15. Dezember desselben Jahres statt.

Der Betrieb der Parenzaner Bahn erfolgte durch die k.k. Staatsbahnen und noch heute sind die meisten ehemaligen k.k. Bahnhöfe entlang der Strecke zu erkennen. Die Route der "Parenzana" wurde vor kurzem in Kroatien und Slowenien in Teilen als Radweg ("Strecke der Freundschaft und Gesundheit") umgestaltet. Die Bahnhöfe sind auch in der nun verwendeten Form als Privathäuser, Werkstätten und dergleichen noch gut zu erkennen. Von den etwa 23 Dampfloks, die einst hier ihren Dienst versahen, sind nur mehr drei bekannt: Eine U 37 als Denkmal in Koper, eine P 7 im Technischen Museum in Mailand und (sic!) eine U 40 auf der Murtalbahn in der Steiermark. Die in Izola (unter einem Glassturz) zur Schau gestellte P 3-Lokomotive wurde zwar auch von der Firma Krauss-Linz 1926 hergestellt, war aber nie auf der Strecke Triest- (Muggia)-Parenzo in Betrieb.

Zeit zum Obstpflücken#

Die über elf Brücken und sechs Viadukte und durch acht Tunnels fahrende Bahn hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 31km/h. Bei "rasenden" 25km/h im Durchschnitt war es üblich, dass jüngere Fahrgäste auf- und absprangen, um so der Fahrkartenkontrolle zu entkommen. Auch kam es vor, dass Passagiere während der Fahrt ausstiegen, um sich mit Früchten von den gleisnahen Obstbäumen zu versorgen.

Bei den steilsten Stellen mussten die Fahrgäste beim Anschieben helfen. Nach dem Ende der Habsburgermonarchie wurde die Bahn von Italien übernommen, aber schon 1935 eingestellt. Der Großteil der Gleise wurde nach Sizilien verfrachtet und ein Teil der Schienen sollte per Schiff nach Afrika gebracht werden. Die Schmalspurbahn war unrentabel geworden und das faschistische Mussolini-Regime wollte in Abessinien eine Kolonialbahn errichten. Das Transportschiff aber versank im Mittelmeer und so sind heute nur mehr knapp zwei Meter Schienen im "Parenzana"-Museum in Izola zu bestaunen.

Ehemaliger „Parenzana”-Bahnhof in Decani
Ehemaliger „Parenzana”-Bahnhof in Decani nahe Muggia, nun Wohnhaus.
Bilder: Archiv/M.K.

Ursprünglich war die Bahn neben dem Personen- und Militärtransport vor allem dazu verwendet worden, Industrieprodukte z.B. aus Piran zu transportieren. Aber auch Istrischer Marmor und andere Steine wurden befördert. Denn diese wurden für die boomende Bauindustrie der k.u.k. Monarchie benötigt. So sind auch heute noch die hellen istrischen Steine der Neuen Hofburg, vieler Ringstraßenpalais, aber auch des Budapester Rathauses etc. zu erkennen. Landwirtschaftliche Produkte wie Stockfische und vor allem Salz aus den Salinen der istrischen Küste waren ebenfalls bevorzugte Frachten.

760mm-Traghetto#

Dies führt uns wieder zu unserem Ausgangspunkt Muggia. Salzgewinnung gab es nämlich auch zwischen Muggia, der kleinen venezianischen Schwester, und Triest. Wegen dieser Saline bestand deshalb bis vor etwas mehr als 100 Jahren keine Straßenverbindung zwischen den beiden Städten. So fuhren die Einwohner Muggias mit dem Dampfschiff nach Triest und wieder zurück.

Viele Jahre betrieben die Eigentümer der Schiffswerft San Rocco von Muggia, die auch die in Triest gegenüberliegende Maschinenfabrik Sant’ Andrea besaßen, diesen Schiffsverkehr. Vor allem für die Schiffsbauarbeiter war dieser Pendelverkehr gedacht und erst die Gesellschaft "Muggesana" stellte größere und schnellere Schiffe auch für die anderen Bürger ein. Noch heute verkehrt als Nachfahre eine Fähre - das Traghetto "Delfino Verde" - zwischen Muggia und Triest.

Obwohl die Bahnstation Muggia von der Altstadt ca. 2km entfernt lag, wurde die Bahn, quasi als Ersatz-Traghetto, auch zur Fahrt nach Triest verwendet. Also ein 760mm-Traghetto. Wobei aus dem Fahrplan (eine Kopie hängt in der Bar "Alla Stazione" an der Wand) ersichtlich ist, dass bei einer Abfahrt in Triest um 7.05 Uhr die Ankunft in Muggia um 7.40 Uhr erfolgte. Die Fahrzeit mit der Bahn betrug also etwas mehr als eine halbe Stunde.

So lange braucht auch heute das moderne Traghetto des "Grünen Delfins" von Muggia nach Triest bzw. vice versa, aber aussteigen und Fische fangen geht halt nicht.

"Wiener Zeitung", Freitag, 5. August 2011