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AFFÄRE JOHANN J. JÄGER#

Vorarlberg
Andelsbuch

Tatsache ist, dass ich bei dem am 7. Juli 1894, verunglückten Johann J. Jäger am Sonntag den 8. Juli 1894, nachmittags deutlichen Herzschlag (Puls) fühlte, wie ihn auch mehrere anwesenden Laien fühlten. Wir haben uns nicht getäuscht und unseren eigenen Puls gefühlt, wie Dr. Feuerstein von Egg meinte, der den Verunglückten vorher ebenfalls untersuchte und ihn für tot erklärte. Ich und die Laien haben den Puls nicht mit der ganzen Hand untersucht, wie Dr. Feuerstein. Da in der flachen Hand pulsierende Adern sind, kann schon der eigene Puls gefühlt werden, wenn die Hand irgendwo aufgelegt wird. Wenn man mit den Fingerspitzen, mit Ausnahme des Daumens, fühlt, so fühlt man keinen eigenen Puls. So fühlten ich und auf meine Unterrichtung die anwesenden Laien den Herzpuls. Da aber dieser Herzschlag oder Puls nur an der Stelle, an der das Herz liegt, wahrgenommen wurde, und nicht, wenn die Finger an andere Körperstellen aufgelegt wurden, so konnte keine Täuschung vorliegen, Der Körper des Verunglückten war so starr, dass mit der größten Kraftanstrengung kein Glied gebogen und ein Arm, der in gebeugter Stellung war, nicht gestreckt werden konnte. Der Mund konnte mit aller Gewalt nicht geöffnet werden. Ein starker Mann wollte ihm einen Finger brechen, was ihm nicht gelang. Beweis, dass Starrkrampf eingetreten war, denn Totenstarre ist nie so fest, dass nicht ein Glied gebogen oder der Mund nicht mit Gewalt geöffnet werden könnte. Zudem war die Hornhaut der Augen gehörig gespannt, nicht im mindesten getrübt. Auch keine intensiven Flecke, die man als Totenflecke betrachtet, waren vorhanden, die Hand, vor ein Licht gehalten, schimmerte rötlich durch, nicht der geringste abnorme Geruch (Leichengeruch) war zu bemerken. Es fanden sich keine Erscheinungen, welche bei Ertrunkenen und längere Zeit im Wasser Gelegenen vorkommen, und im Lehrbuch der gerichtlichen Medizin von Dr. Ed. Hofmann aufgeführt sind. Alles Beweise, dass er im Starrkrampf gelegen, welche das Auftreten dieser Erscheinungen verhindern musste, trotzdem er 11 Stunden im Wasser gelegen. Der Starrkrampf muss gleich beim Eintauchen des erhitzten Körpers ins Wasser eingetreten sein. Es war daher gleich, ob er im Wasser, oder mit Decken ganz zugedeckt oder in einem Sarg gelegen wäre. Er konnte nicht ersticken. Selbstverständlich konnte er bei der damals herrschenden Temperatur nicht erfroren sein. Ich glaube daher im Recht gewesen zu sein, wenn ich bei dem Verunglückten verschiedene Wiederbelebungsversuche anstellte. Auf diese rötete sich der anfangs etwas bläuliche Mund stärker und der Krampf in den Gliedern ließ nach. Der Verunglückte wurde nun mit zwei abgenähten Decken und einem Federbett zugedeckt und von Zeit zu Zeit wurden Reibungen und Reizungen des Körpers vorgenommen.

Der oben angegebene Befund fand sich auch am Montag den 9. , vormittags, so wie bei meinem Besuch am Abend. Der Herzschlag war noch deutlich zu fühlen, die Hornhaut gewölbt und nicht trüb, die Hand vor ein Licht gehalten durchschimmernd, keine eigentlichen Totenflecken, keine Zeichen von Verwesung, nicht der geringste Leichengeruch, auch wenn man den Körper nach allen Seiten umwendete und aufhob. An diesem Abend gab nun der Herr Kaplan gestützt auf den Befund, den er selbst beobachtete dem Verunglückten die letzte Ölung und Absolution.

Ich frage nun, ob ein Sachverständiger oder Laie je einen Toten gesehen, der wenigstens 50 Stunden nach dem Tod bei einer Temperatur, wie sie damals war, und zugedeckt mit zwei abgenähten Decken und einem Federbett nicht geringsten Leichengeruch von sich gab? Zirka 3 Uhr morgens am Dienstag trat nach Angabe der Wachenden Schweiß, hauptsächlich auf der Stirne und im Gesicht und Blutung aus Mund und Nase ein. Das Blut war flüssig und hellrot nicht schaumig. Kann mit nun einer von den Sachverständigen sagen, dass solche Erscheinungen bei einem Toten zirka 60 Stunden nach dem Tod vorkommen? - Es scheint bei dem Unfall auf irgend eine Weise im Innern ein Riss vorgekommen zu sein und dadurch eine Stauung und Trombose entstanden zu sein, so dass das Herz trotz der angewendeten Wiederbelebungsversuche nicht mehr die Kraft hatte den Blutlauf richtig in Gang zu bringen. Dienstag morgen zirka 8 bis 9 Uhr fand ich die Hornhaut trübe, die Hand vor dem Licht dunkel, das Gesicht leicht gedunsen und dunkle Hautflecken ohne bedeutenden Leichengeruch und sagte der Mutter desselben, dass er nun tot sei. Und als sie das nicht glauben wollte, sagte ich ihr bis abends oder Mittwoch früh werde Verwesung und Leichengeruch so auftreten, dass sie an den Tod nicht mehr zweifeln werde. Frage nun weiter ob die angeführten Erscheinungen bei einem vor 6 Stunden gestorbenen unter solchen Verhältnissen nicht vorkommen können? Jeder denkende Mensch auch Nichtfachmann, mit Ausnahme des Dr. Feuerstein und seines kleinen Anhanges, fand dieses Vorgehen ganz korrekt und sagte, es sei in einem solchen Fall Vorsicht und Zuwarten besser als Voreiligkeit. Übrigens möchte ich auf die Totenbeschauordnung aufmerksam machen, wo es unter Abteilung 2; „die äußere Totenbeschau“ heißt: „Bei dieser Amtshandlung hat der Totenbeschauer den dreifachen Gegenstand derselben wohl vor Augen zu haben: a) die Gewissheit des Todes, damit kein anscheinend Toter lebendig begraben werde. Zu diesem Ende hat er den Körper des angeblich Verstorbenen mit Anständigkeit zu entblößen und genau zu untersuchen, ob keine Lebenszeichen mehr vorhanden seien. Entdeckt er ein solches oder kann er sonst weder aus den vorhergegangenen Zufällen, noch aus der gegenwärtigen Untersuchung einen sichern Schluss machen, dass der Untersuchte vollkommen tot sei, so soll er durch wiederholte Reizungen des ganzen Körpers, durch Klystiere, durch Einblasen der Luft mittelst eines Blasenbalges und andere vorgeschriebene Rettungsmittel versuchen, den Körper zum Leben zu erwecken.

Wenn all dieses fruchtlos sein sollte, so ist doch das Begräbnis so lange zu verschieben,bis unzweideutige Anzeichen der vor sich gehenden Zersetzung den erfolgten Tod vollkommen beweisen.“

Gestützt auf diese Verordnung hätten mich weder Dr. Feuerstein und sein Anhang, noch andere Faktoren zwingen können, den Verunglückten beerdigen zum lassen, bevor ich von dem Tod desselben sicher überzeugt gewesen wäre,

Wo ist nun das Recht und wo die ungeheure Blamage? Ich überlasse es nun jedem Fachmann und jedem denkenden Nichtfachmann die Frage zu beantworten und zu bestimmen ob ich Allotria (Feldkircher Zeitung) oder Unsinn (Volksfreund) getrieben habe. Andelsbuch 27. Juli 1894, Dr. König.

QUELLE: Vorarlberger Volksblatt, 1. August 1894, S 1,2,3. ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Karte I.Ch. Graupp

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