BERGE SAGENUMWOBEN#
Wien die Donaumetropole ist von einem Kranz von bewaldeten Bergen umgeben, Hermannskogel, Kahlenberg und Leopoldsberg. Berge die von Sagen umwoben, in denen sich Freud und Leid längst vergangener Tage widerspiegeln. Diese geheimnisvollen Höhen, sind allen Wienern bestens bekannt und es lockt sie fast jeden Sonntag hin zu ihnen um in ihren kühlen Schatten Erholung zu finden.
DIE GEHEIMNISSE DER WIENERWALDBERGE
Schon als Kind erfährt man die sehr bekannte Geschichte von dem entschwundenen Schleier der Markgräfin Agnes und Leopold III., der diesen später wohlbehalten auf einem Holunderstrauch wieder findet, ließ an dieser Stelle eine Kirche erbauen. - Stift Klosterneuburg.
Im 12. Jahrhundert hatte ein Lindwurm den Kahlenberg unsicher gemacht. Um seiner habhaft zu werden, baute man einen Kasten, vorne mit einer Öffnung in die der Lindwurm nur mit dem Kopf hindurch konnte. Als Lockmittel diente ein Kalb, das für ihn unerreichbar blieb. Kaum im Kasten wurde die Falltür hinten geschlossen. Seine Behausung wurde durch gewaltige Steine eingedeckt und angezündet, so, dass das Ungeheuer ersticken musste.
Durch Herzog Otto III., dem die Nachwelt den Beinamen „der Fröhliche“ gab, wurde das anmutige Veilchenfest populär. Jeder der den ersten Frühlingsboten fand, bedeckte ihn mit seinem Hut und überbrachte die Freudenbotschaft dem Herzog. Dieser Brauch gestaltete sich sogleich zu einem gesellschaftlichen, fröhlichen musikalischen Ereignis.
Der Hermannskogel, seit dem 6. Oktober 1889 mit der Habsburgerwarte gekrönt, beherbergte einst ein Kloster das der Ritter Hermann gegründet hatte. Eine der Nonnen des Klosters brach ihr Gelübde, und war einem Jäger verfallen, der sie des öfteren heimlich besuchte.
Eines Tages tat er sehr geheimnisvoll und vertraute ihr an, dass er in nächster Nähe einen Schatz entdeckt hätte. Er brauche ihre Hilfe und dann könnten sie sogleich in ein fremdes Land fliehen. Sie ließ sich ohne viel zu überlegen von ihm überreden und kam mit.
Kaum waren sie im Wald untergetaucht, als mit ihren Begleiter plötzlich eine riesige Veränderung vor sich ging. Dieser wurde ständig größer und größer, seine Hände entwickelten sich zu Klauen, die Hutfedern sahen nun wie Hörner aus, die Füße glichen Hufen und sein Mantel ward zu einem Riesenflügel ausgeartet,
Nun merkte sie erst, dass sie dem Höllenfürst blind vertraut hatte und vor Angst und Schrecken in Ohnmacht fiel. Er packte sie und mit heulenden Getöse ging es seinem Reiche zu. Seither irrt der Geist der Nonne am Hermannskogel voller Unrast umher.
Aber noch etwas Sonderbares ist in dieser Gegend anzutreffen. Auf der Jägerwiese befindet sich das Agnesbründl.
Am fesselndsten sind die Sagen von der hl. Agnes an die in Sievering noch allerlei Namen und Bezeichnungen erinnern.
Da findet man eine Agnesgasse, ein Gasthaus „Zur Agnes“, eines „Zum Jungfernbründl“, das „Agnesbründl“ usw.
Gerade das Agnesbründl verdient besonders in den Tagen des 29. August, Tag Johannis Enthauptung, gemäß einem alten Brauch zur Jäger Wiese pilgern, ohne freilich zu ahnen, weshalb diese alte Gewohnheit eigentlich noch immer gehuldigt wird.
Aus alten Wurzelstöcken gefällter Bäume, die zum Sitzen einladen, rieselt in nächster Nähe ein dünner Wasserstrahl, in einer ausgemauerten Holz gerahmte Grube, das ist das vielgerühmte Agnesbründl.
Der Ort weist keine besondere Schönheit auf und manche Waldquelle der Umgebung Wiens kann als viel stimmungsvoller bezeichnet werden. Außerdem dieses Bründl hat den Nachteil etwas abseits der gewohnten Wege sich zu befinden.
Auf den Hängen des Hermannskogels befanden sich einst germanische Weihestätten, die sich, dem frommen Sinn des Mittelalters entsprechend in christliche Andachtsorte wandelten. Eine solche war die Stelle, an der das Agnesbründl sich befindet. Jäger, Holzfäller, Kohlenbrenner verrichteten dort oft ihr stilles Gebet. Dazu erinnert noch das Jägerkreuz. Nach und nach wurden die Bäume der Umgebung mit Heiligenbilder geschmückt.
Die Sieveringer Hauer unternahmen Wallfahrten um Regen, zum Jägerkreuz.
Die Wiener lernten diese Andachtstelle erst kennen, als die Vororte durch die verschiedenen Verkehrsmittel erreichbar waren. So erfuhren die Wiener von den Bewohnern Sieverings und Grinzings von den Sagen des Kahlengebirges. Da gerade zu dieser Zeit das Lottospiel eingeführt wurde, gab man dem stillen Sagen neue irdische Bedeutung, glaubte nun mit Hilfe der Feen das Lottoglück erringen zu können.
Erst Ende des 18. und des 19. Jahrhunderts erfährt man durch Niederschriften von dem Leben und Treiben beim Bründl.
Joseph II., blieb dieser Geisterort nicht verborgen. Der Zulauf zu diesem Ort wurde immer größer, um an den Gnadenort zu beten, die Heilwirkung des Bründls zu versuchen, im moosigen Boden nach Schätzen zu graben. Aus den verschiedenen Zeichen die Zukunft zu prophezeien.
1817 erreichte der Rummel seinen Höhepunkt.Im Frühling wurde eine Laterne beim Madonnenbild angebracht, deren blasser Schein des Nachts viele der herbei strömenden Gläubigen mit Gruseln erfüllte. Ein Porzellanarbeiter und eine Fuhrmanns Frau aus Wien, die als geheimnisvolle Gräfin auftrat, richteten einen wahren Kultus an dem Wunderort ein, dessen Zeremonien streng geheim gehalten wurden. Im September schleppte der Gehilfe der Gräfin eine Kanzel herbei und hielt wohl vor zwölftausend Menschen eine Predigt. Das Getümmel war ungeheuer. Selbst nach Weidling kamen noch so viele Pilger, dass dort ein Hauer an einem Tag um 1800 Gulden Wein ausschenkte.
Nun konnte der Unfug und der wuchernde Aberglaube auch in Wien nicht mehr übersehen werden.Eines Sonntags erschien eine Polizeikommission beim Bründl, wo sich eben wieder eine Menge Wahn Gläubiger um die Buche mit dem Gnadenbild versammelt hatte. Die Gräfin und der predigende Porzellanarbeiter wurden festgenommen, die Menge zerstreut, die Buche gefällt und das Marienbild in die Weidlinger Dorfkirche gebracht. Es nützte allerdings nichts. Ganze Wallfahrten zogen weiterhin von Sievering herauf.
Einer, der besonders gut den Brauch verstand, war der alte Mistinger, der Wirt „zur Agnes“. Er galt allgemein für weiser und verlässlicher als das „Ägyptische Traumbuch“. An den Bründl Tagen war sein Gasthaus das Ziel vieler Gläubigen. Nicht nur für Magenstärkung sorgte er, sondern auch für künftiges Glück. Beliebt waren die „Ternowuchteln“, die statt mit Powidl mit sicheren „Glücksnummern“ gefüllt waren. Auch hatte er einen Wunderautomaten, zu dessen Anfertigung ein Einsiedler zwanzig Jahre gebraucht haben soll und der für eingeworfene Geldstücke Nummern herausfallen ließ. Er saß oft am Vorabend des Bründl Tages inmitten seiner andächtig lauschenden Gemeinde und erzählte Geschichten von der Agnes und dem „so viel sauberen Kohlenbrennerbuam Karl“ oder legte mit Sicherheit die verwickelten Träume aus. Gegen Mitternacht zog er dann, eine Fahne tragend und Kirchenlieder vorsingend, mit der ganzen Gesellschaft zum Bründl. Oben ging der Hokuspokus los. Vor allem die Lotterieschwestern, um aus Figuren des Schlammes am Grund der Quelle oder aus Andeutungen von „Prophetinnen“, die sich an diesem Tag dort installieren, zu erfahren, welche Nummern sie in die Lotterie setzen sollen oder wie sich die Zukunft gestalten werde.
TRAUMDEUTERIN
Als 1868 den Besuchern des Agnesbründl sehr bekannte Persönlichkeit starb, waren ihre Anhängerinnen über den unersetzlichen Verlust untröstlich. Die Frau Rosl, die sich als Traumdeuterin und Kartenlegerin eines bedeutenden Rufes, erfreute, galt in ihren Kreisen als Orakel. Und der Umstand, dass sie einige kleine Gewinne im kleinen Lottospiel machte, welche sie ihrer wunderbaren Seher Gabe zu Folge, dem Agnesbründl zu verdanken vorgab, machte sie zu einer der gesuchtesten Persönlichkeiten der Lotterieschwestern. Täglich kombinierte sie mit ihren Anhängerinnen, die in der nächsten Ziehung ohne Zweifel gewinnenden Nummern und empfing zahlreiche Besuche, welche sie sich von den Unbemittelten mit je zehn Kreuzer von den Vermittelten mit 50 Kreuzer bis zu einem Gulden und höher honorieren ließ; außerdem musste ihr jeder Gewinner eine bestimmte Tantieme zusichern. Die „Frau Rosl“ erübrigte bei diesem glänzenden Einkommen einen nicht unbedeutenden Sparpfennig und sie sorgte selbst dafür, dass ihr Tod zu ihrem Zweck ausgebeutet werde, denn noch am Sterbebett gab sie jene Nummern an, die nach ihrem Hinscheiden zu setzen sind.
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AUS FÜR DAS KLEINE LOTTO
Wenn am 30. Juni 1939 das Kleine Lotto für immer seine Tore schließt, um den Abergläubischen und Glücks Hungrigen nicht weiter den letzten Pfennig aus der Tasche zu ziehen, dann werden auch die abgegriffenen Traumbücher und kabbalistischen Spiellisten den Weg alles Überflüssigen wandern, in die Abfallkiste. Mit dem Kleinen Lotto wird aber auch das Mekka der Spiel wütigen Wiener, das Agnesbründl in Sievering, der Vergessenheit verfallen, und wieder in den Sagenkreis aufgenommen, aus dem es der Aberglaube hervorgeholt hat.
Einst war das Agnesbründl der Anziehungspunkt für alle, die rasch durch einen „Terno“ zu Geld kommen wollten, denn nach dem Volksglauben sollten auf dem Grund des Brunnens die Nummern der kommenden Lotto Ziehung zu sehen sein. So pilgerten zahlreiche Wiener in die Wein umrankte Vorstadt hinaus, um hier nach stundenlangem Quellenstudien das Lottoorakel zu ergründen; nicht ohne vorher ihre „Sehergabe“ durch einige Viertel Sieveringer Weines „geistvoll“ zu heben.
DAS AGNESBRÜNDL
Welche Sage steckt eigentlich hinter diesem Zauberbrunnen? .Es war um das Jahr 1680, als in Sievering ein armer Kohlenbrenner lebte, der eine wunderschöne Tochter namens Agnes hatte. Aber nicht nur ihre Anmut war weit und breit bekannt, sondern auch ihr stilles und frommes Wesen, so dass sich mancher fand, der das liebe Mädchen zur Frau begehrte. Aber sie wies alle Bewerber ab, bis ihr eines Tages an ihrem Lieblingsort eine Quelle mitten im dichten Wald, ein junger Jagdgehilfe in den Weg trat. Schon wollte sie sich rasch zurückziehen, aber er reichte ihr in seinem Hut galant das köstliche Quellwasser; als sie davon trank, erfasste sie sofort eine tiefe Liebe zu ihm. So wurde der Brunnen nun der stille Zeuge ihrer heimlichen Zusammenkünfte, bis es eines Tages einen jähen Abschied gab.
Die Türken waren ins Land gedrungen und näherten sich brennend und mordend der Stadt, so dass auch Karl zu den Fahnen eilte. Aber die Trennung von Agnes wurde ihm sehr schwer, wusste er ja nicht, wann und ob er wiederkehren würde. Aber trotzdem wollte er die Geliebte an sich binden, so dass er ihr zum Abschied seinen Ring als Unterpfand der Treue gab. So saß nun Agnes wieder einsam an der Quelle und wartete auf ihn. Monate vergingen inzwischen, und das Land war längst von den Türken befreit, aber Karl kehrte nicht zurück. Da sah sie eines Tages als sie sich gedankenvoll über das Wasser beugte, auf dem Grund einen gebrochenen Ring glitzern, der zu ihrem Schreck genau dem Reifen glich, den sie am Finger trug. Da wusste sie, das Karl sein Wort gebrochen hatte. Und wirklich kehrte er bald darauf nach Sievering zurück, ohne sich mehr um Agnes zu kümmern. Denn er war im Krieg ein angesehener und reicher Mann geworden, der sich für die arme Köhlers Tochter viel zu gut hielt. So warb er um eine reiche Patrizierin und führte ein großes Haus. Agnes aber verbarg sich als sie davon erfuhr, in dem schützenden Wald, um dem boshaften Gerede und den schadenfrohen Blicken der Leute zu entgehen. Sie saß nun Tag für Tag an ihrer Quelle, welche die bitteren Tränen ihrer Enttäuschung auffing. Als sie ruhiger geworden war, zog sie sich ins Kloster zurück. Die Dorfbewohner aber nannten den Brunnen, nur mehr Agnesbründl und dichteten ihm geheime Zauberkraft an.
Als kurz darauf eine Sieveringer Schöne die „Lauskathel“ wie sie hieß, einen großen Terno im Lotto gewann und behauptete, die gezogenen Nummern auf dem Grund der Quelle gesehen zu haben, bekam das Bründl neue Anziehungskraft. War es das Sprichwort, das Unglück in der Liebe Gewinn im Spiel bringen soll, das diesen Aberglauben unterstützt hat. Oder gewannen zufällig wirklich der eine oder der andere Brunnenbesucher. Ab nun setzte ein wahrer Pilgerstrom ein. Der Gastwirt in der Nähe erfuhr einen nie gekannten Aufschwung und die kommende Konjunktur witterte. Um all das noch zu unterstreichen schmückte er seine Wirtsstube mit dem Bild der Agnes und bald wurde er als Agneswirt bezeichnet.
Quelle: Aus verschiedenen Zeitungen der ÖNB, Bildmaterial von I.Ch. Graupp
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