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DAS KORNMESSERHAUS#

Bruck an der Mur
Kornmesserhaus

1910: Die Steiermark ist kein reiches Land und liegt abseits vom Strom mächtiger alter Kulturen. In schwer zugänglichen Bergtälern und weit wogenden Hügel Distrikten mussten ihre Bewohner hart um ihr Dasein arbeiten, abgeschlossen von der großen, lockenden Welt und dennoch nicht entfernt genug, um sicher zu sein vor sengenden, plündernden Feinden. Trotz aller Hinderungen brachte es mancher Ort zu gediegenem Wohlstand ud manche architektonische Denkmal legt Zeugnis ab von der tüchtigen Provinzkultur, die hier im Mittelalter erblühte. Ungarns Reiterhorden hatten sich zivilisiert, waren ruhige, friedliche Nachbarn geworden, die Türken gaben das Verlangen auf, das grüne Banner des Propheten auch in unsere grüne Mark zu tragen, kein zweiter Napoleon zog mit einer grande armee über die hohen Alpenketten. Die Brandfackeln, die Jahrhunderte lang die idyllischen Dörfer, Märkte und Städte bedrohten, sind verlöscht wie die Lunten feindlicher Geschütze. Was nicht die Zeit zerstörte, bleibt erhalten von den alten Bauten.

Anders droht es jetzt zu werden in einem der bekanntesten Orte der Steiermark, dem ehrwürdigen Straßenkreuzungspunkt am Zusammenfluss von Mürz und Mur in Bruck. Der Abwehr dieser Gefahr sollen diese Zeilen dienen.

Wer von Wien zur Adria fuhr, musste an Bruck vorüber und unter diesen vielen Tausenden mag es doch auch einige geben, die sich das Städtchen näher besahen. Die es durchwanderten, nach Resten der Vergangenheit spähend, blieben sicher alle auf dem Hauptplatz stehen und blickten bewundernd zu einem seltsam reich gezierten Haus empor, einem entzückenden gotischen Bauwerk der sogenannten „Herzogsburg“.

Bruck an der Mur, wiewohl, begünstigt durch seine glückliche Lage, strategisch, kommerziell und gewerblich einst einer der wichtigsten Plätze des Landes, ist durch Kriegselend, Überschwemmungen, Brände schwer geschädigt worden. Um so glücklicher darf der Liebhaber architektonischer Denkmäler sein, dass gerade diese Perle der steirischen Baukunst bis auf unsere Tage überkam. Sie erregt denn auch seit den Anfängen der neuen Landeskunde die Aufmerksamkeit der Forscher.

Eine umfangreiche Literatur besteht über das Haus am Brucker Hauptplatz und ein Sagen Gewebe hat sich darum gesponnen, das leider größtenteils von den gelehrten Schreiber ausging. Erst Joseph von Zahn hat mit den falschen Überlieferungen gebrochen und das Geheimnis des „Fürstenhofes“, der „Herzogsburg“ enthüllt. Auch einen künstlerischen Schilderer fand das Gebäude. Rudolf von Alt durch die Beschäftigung der Wiener Herrlichkeiten verwöhntes Auge ruhte mit Wohlbehagen auf dem Kleinod von Bruck und erachtete dieses wie den reizenden schmiedeeisernen Renaissance Brunnen der liebevollsten Wiedergabe würdig.

In der Zeit der Spätgotik versetzt der Anblick des Hauses, das als das schönste weltliche Bau der Steiermark aus jener Stilepoche gilt. Die Front am Hauptplatz gliedert sich in drei Teile, den vornehmsten, das Mittelstück, und in die beiden in gleicher Flucht liegenden einfachen Seitenflügel. Vielleicht hat der Brand von 1792, der halb Bruck in Asche legte, hier Wertvolles vernichtet, an dessen Stelle, wenn auch geschmackvoll angepasst, weniger Prunkendes kam.

Fünf gotische Rundsäulen aus Marmor und ein Eckpfeiler, drei weite, runde und eben so viele graziös geschweifte, reich profilierte, spitze Bogen, deren Fialen leider abgebrochen sind, bilden im Erdgeschoss einen Laubengang. Über den drei einfachen Bogen des Eckflügels zeigt sich gewöhnliche Architektur, nur im zweiten Stockwerk eine von einem Baldachin überragte Statuettenkonsole,. Oberhalb des erlesenen Teiles der Kolonnade öffnet sich im ersten Stock mit sechs schmalen, sehr zart gehaltenen, äußerst kunstreichen Spitzbogen, auf denen wieder umgekehrt Rundbogen ruhen, eine an Venedigs gotische Paläste gemahnende Loggia, von freistehenden roten und grünen Marmorsäulen gestützt und mit Netzrippen überwölbt. Die steinerne Brüstung weist in fünf Feldern das phantastische Maßwerk der späten Gotik auf, im sechsten Feld jedoch nur mehr ein verflochtenes Geäst, das die Entartung des alten Stils und den Übergang zu neuen Renaissance verrät. Fialen, Krabben, Verschnörkelungen geben eine Symphonie des Ornamentes.

Der steirische Historiker A. I. Caesar erzählte 1763, dass in dem Haus ein „herzogliches Cabinet“ sei, in dem die häufig die Szadt besuchenden Herzöge wohnten. Seine Nachfolger berichten das Märchen weiter und machen eine „Burg“ aus dem Haus.Es ist aber lange nicht so alt, wie jener Julius Cäsar meinte, der noch von „Herzogen“ spricht, da es in Steiermark keine selbständigen mehr gegeben,

Bruck/Mur
Kornmesserhaus

Das merkwürdige Gebäude ist nicht fürstlicher Herkunft, sondern gut bürgerlicher Art. Die Fantasie der steirische Historiker ließ um dieses vermeintliche Fürstenhauses willen Bruck sogar für einige Zeit zur Hauptstadt des Landes werden. Schon von Herzog Ernst dem Eisernen soll es erbaut worden sein, der 1424 gestorben und, wie Zahn berichtet, holte man die Porträts des Herzogs und der seiner Gemahlin Cimburg von Masovien aus der Kommode hervor, die dann als solche von Kaiser Karl VI., und seiner Gattin Elisabeth zu erkennen waren. 1883 wurde dem Kaiser gar nahegelegt, den „Herzogshof“ zu erwerben, als unzweifelhafte Wohnstätte habsburgischer Ahnen.

Möge dies alles auch belustigend wirken, als Ausgeburt gelehrter Hirngespinste, das eine lässt sich doch daraus ersehen. Das gotische Heim zu Bruck an der Mur vermochte wie wenig andere Gebäude die Mitwelt zu fesseln und verdient ein eigenes Blatt in der Geschichte der steirischen Baukunst.

An der Wand des Hauses in der Wienergasse fand man ein Wappenschild mit der Jahreszahl 1499, unter der Einfahrt an der Hauptfront ein zweites, abermals einen Halbmond im Feld, mit der Zahl 1505 und den Buchstaben P. K.

1382 nun tauchte in Bruck ein Goldschmied Hans Chornmezzer als Stadtrichter auf und zugleich sein Bruder Heinrich. Ihre Siegel stimmen völlig mit dem Wappen überein . Erhard Kornmeß, der Sohn des Hans, führte1423 das Richteramt, dessen älterer Nachkomme Erhard ward Priester, der jüngere Peter blieb im Ort, schwang sich zu Ansehen und Reichtum empor und führte bald den Titel „edler und vester“. Sein Sohn Pankraz ist jener P. K., des Fürstenhofes, den man nun richtiger Kornmesshaus nennt der Erbauer desselben, ein kunst- und Pracht liebender Mann. Das Kornmesshaus bedeutet die Glanzleistung des Brucker Bürgergeschlechtes, seine dauernde Kulturtat, aber mit Pankraz bricht der Glanz der Kornmess nieder. Wie sein Vater, trieb er Eisenhandel nach Venedig. So kam es wohl auch, dass die architektonischen Schmuckformen des Palazzo Foscari und der Ca' d 'oro, die sich dort im Canal Grande spiegeln, ihren Rhythmus auf dem Marktplatz der Stadt an der Mur wider klingen lassen. Was für die Kornmess zum materiellen wie zum ästhetischen Reichtum wurde, das wurde auch ihr Verderben. Der um Venedig tobende Krieg führte zu Stockungen im Geschäft und schließlich zum Ruin. Von 1509 bis 1526 erfährt man mehrmals vom Verkauf der Güter und Eisenhämmer des Pankraz. Was aus seinen beiden Söhnen Erhard und Peter geworden, meldet kein Grundbuch und kein Register mehr. Das Haus ging in andere Hände über und steht noch heute da, wenigstens im mittleren Teil, in alter, größtenteils unversehrter Schönheit, ein Ergötzen für alle Kunstverständigen und ein Stolz der Brucker Bürger.

Dieser „schönste gotische Profanbau der Steiermark“ soll nun verkauft werden, einem ungewissen Schicksal entgegen gehen, ja ärger noch, er soll vielleicht sogar geschleift werden, um einem Neubau zu weichen. Was die Jahrhunderte überdauert hat, Brände Überschwemmungen, Kriegsgefahren soll der Spekulation zum Opfer fallen. Wegen eines kleinen Gewinnes will man die Steiermark um eines ihrer nicht allzu zahlreichen Denkmale aus einer ästhetisch schöneren Epoche der Menschheit berauben. Es wäre ein Verlust nicht nur für die ehrwürdige Stadt an der Mur, sonder für ganz Österreich. Erich von Schrötter,

QUELLE: Der Architekt 1910 Bilder Seite 73 und 74 ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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